LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Teil 3
Etwas sehr Kaltes auf seinem Gesicht weckte ihn. Erschrocken holte er Luft, weil er dachte, sich unter Wasser zu befinden. Doch dann merkte er, dass er noch immer in diesem Bett lag. Kleine Hände lagen auf seiner Stirn und auf seinem Oberarm. Ihm war warm und er fühlte sich, als wäre er betrunken. Dann kehrte der Schmerz zurück.
Ein Stöhnen zeigte ihr, dass er endlich wieder wach war. Zeitweise hatte sie befürchtet, ihm zu viel Mohnsaft gegeben zu haben. Doch sie hatte keine andere Wahl gehabt. Er hatte sich nicht anders beruhigen lassen. Wie der Hornochse, der er war, hatte sie in ruhigstellen müssen. Denn während er schlief, konnte seine Wunde heilen.
Beinahe zwei Tage hatte sie ihn schlafen lassen. Immer wieder hatte sie ihm Kräutertee und Suppe eingeflößt, damit er nicht verdurstete, hatte ihm Umschläge gegen das Fieber gemacht und die Wundstelle ausgebrannt. Nun schien er über den Berg zu sein.
Was man von seinem Bruder noch nicht behaupten konnte. Sams Zustand hatte sich ein wenig verschlechtert. Sein Körper hatte auf die Kauterisierung nicht gut reagiert. Sie hätte es besser wissen müssen, doch da ihr Dean keine Schwierigkeiten mehr gemacht hatte, hatte sie sich um ihn kümmern und das Gift weitestgehend aus seinem Körper ziehen können. Etwas war noch zurückgeblieben, was den Organismus immer noch fest in seiner Kontrolle hielt. Es schien fast, als besäße das Gift eine Art Eigenleben. Wie ein Fisch im Bach, den man einfach nicht zu fassen bekam.
„Was ist passiert?“ Seine Stimme klang dünn, nicht wie sonst, kraftvoll und männlich. Er fühlte sich kraftlos und ausgeliefert. Nicht einmal seinen Arm konnte er heben ohne außer Atem zu kommen.
Wieder legte sich eine Hand auf seine Stirn. „Nicht reden“, sagte Bonnie. „Trinken.“ Doch er drehte den Kopf weg, spuckte das bisschen aus, was sie ihm hatte geben können. Er vertraute keiner Hexe. Sie waren widerlich, beteten zu Dämonen, verpfändeten ihre Seele an den Teufel. Wieso nur hatte er ihr Haus betreten? Es war der zweite schwere Fehler, den er in dieser kurzen Zeit begangen hatte. Bobby könnte was erleben, wenn er hier erst wieder raus war. Dann würde er ihm schon zeigen, was es hieße, einen Winchester in eine Falle zu locken.
Vielleicht war es gar nicht Bobby gewesen, der sie hierher gelockt hatte. Vielleicht hatte sie seinen alten Freund getötet, sich als er ausgegeben, um sie in ihr Haus zu locken. Doch wie hätte sie es verlassen können? Selbst Hexen konnten einer Dämonenfalle nicht widerstehen. Und sie wohnte in einer.
Tausend Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, doch nicht einer ergab Sinn. Nicht, dass das etwas Neues bei ihm gewesen wäre, doch dieses Mal hatte das alles nichts mit Geistern oder Dämonen zu tun. Nur mit einer Hexe. So viele Widersprüche gab es bei ihr, dass er sich selbst gerne für verrückt erklärt hätte. Wenn er es nicht schon war.
Als er das nächste Mal wach wurde, schien ihm die Sonne ins Gesicht. Er fühlte sich seltsam ausgeruht und wieder etwas kräftiger. Er war noch nicht voll auf der Höhe, aber sicher war er nicht mehr weit davon entfernt. Schließlich war er immer gut in Form gewesen. Zufrieden betrachtete er sich selbst in dem großen Spiegel, der dem Bett gegenüber stand. Von vorne sah er verdammt gut aus. Leider traf das nicht auf seine Rückseite zu. Eine hässliche Wunde zog sich immer noch über seine Schulter. Er konnte also nicht lange geschlafen haben.
Ein lautes Grummeln kündigte seinen Hunger an. Wie lange hatte er wohl schon nichts mehr gegessen? Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an. Was würde er nicht alles für einen großen Burger geben. Gerade wollte er sich etwas überziehen und nach unten gehen, als ihm einfiel, dass er sich immer noch im Haus dieser Hexe befand. Aber wenn sie ihn hätte töten wollen, hätte sie genug Gelegenheit dazu gehabt. Immerhin war er fast zwölf Stunden weg gewesen. Er beschloss es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
Über dem Bettpfosten hing ein frisches Hemd. Er warf es sich über, so gut er konnte. Seine linke Schulter ließ sich jedoch nicht weit genug nach hinten bewegen, um in den Ärmel zu kommen. Er beschloss es dabei zu belassen und stieg die Treppe hinunter.
Unten erwartete ihn der Duft von frischem Kaffee. Sein Magen gab ein erneutes Knurren von sich, doch leider fand er nichts als vertrocknete Kräuter. Also nahm er sich etwas Koffein und ging auf die Veranda. Dort saß Bonnie auf einer Bank und beobachtete den Sonnenuntergang. „Guten Morgen“, sagte sie. „Du hast so tief geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken.“
Etwas verwirrt setzte er sich neben sie. Irgendetwas stimme mit seinem Zeitgefühl nicht. Eigentlich hätte es früher Abend oder später Nachmittag sein müssen. Doch als er sich den Stand der Sonne genauer ansah, bemerkte er, dass sie Recht hatte. Es war morgens.
„Wie lange hab ich geschlafen?“, fragte er und nahm einen kräftigen Zug aus der Tasse. „Drei Tage“, sagte sie und er spuckte den Kaffee wieder aus. „Drei verdammte Tage? Was zum Geier ist in dich gefahren? Du lässt mich drei Tage bewusstlos da oben liegen? Was hast du mit mir gemacht?“ Erschrocken fuhr seine Hand zu seiner Schulter.
Doch sie schenkte ihm nur ein trockenes Lächeln. „Keine Angst, du bist noch Jungfrau.“ Er überging diesen Kommentar von ihr. Schließlich war er es selber Schuld, er hatte ihr diese Vorlage geliefert. Irgendwie gefiel ihm ihr freches Mundwerk, obwohl er doch normalerweise Frauen bevorzugte, die gerade mal das Alphabet aufsagen konnten.
Er nahm noch einen Schluck von dem ausgezeichneten Kaffee. So langsam kam sein Kreislauf wieder in Schwung. „Und was ist mit Sammy?“
„Der ist auch noch Jungfrau.“ Auch sie nippte an ihrem Becher, ließ dabei ihren Garten nicht aus den Augen. Bevor er jedoch zu einem blöden Spruch ansetzen konnte, fuhr sie fort. „Ich hab ihn ins Nebenzimmer gebracht, als er etwas stabiler war. Das Gift ist beinahe vollständig aus seinem Körper verschwunden. Wenn er erst wieder aufwacht, ist er über den Berg.“
„Und wie lange kann das noch dauern?“ Sie konnte wirkliche Besorgnis in seiner Stimme hören. Das hätte sie einem harten Kerl wie ihm gar nicht zugetraut. Gefühle waren für ihn sicher normalerweise ein Fremdwort. Außer wenn es um seinen kleinen Bruder ging. Er musste Sam wirklich lieben. „Vielleicht eine Stunde, vielleicht einen Tag. Das hängt ganz von ihm selber ab, wie stark er ist.“
Kämpfe, Sammy, dachte Dean. Er hatte keinen Zweifel daran, dass sein kleiner Bruder wieder gesund werden würde. Er hatte nur Angst davor, dass es zu lange dauern könnte. Wer wusste schon, wann sie das nächste Mal eine Spur von Bela finden würden. Sie mussten den Colt um jeden Preis wiederhaben. Und das möglichst schnell. Doch bevor Sam nicht aufwachte, waren sie zumindest erst mal ziemlich sicher hier. „Du hast mir immer noch nicht deine Lebensgeschichte erzählt“, sagte er und stieß sie dabei sanft am Oberarm an.
Sie lächelte. „Die willst du wirklich hören?“ Er lehnte sich auf der Holzbank so weit zurück, wie seine Schulter es zuließ, und machte es sich bequem. „Na klar! Das interessiert mich brennend. Naja, eigentlich nicht, aber mit irgendwas muss ich mir ja die Zeit vertreiben, wenn es hier schon kein Pay TV gibt.“
Sie schnaubte, trank noch einen Schluck Kaffee. „Wie du willst. Meine Familie stammt ursprünglich aus Europa. Schwarzwald, falls dir das etwas sagt. Irgendwann kamen auch sie in die neue Welt, um hier zu leben. Denn dort, wo sie herkamen, machten sich die Hexenjäger langsam breit. Leider hatten wir das Pech, an der Ostküste zu bleiben und in die Hexenprozesse von Salem zu geraten. Meine Großmutter verschrieb daraufhin ihre Seele einem sehr hochrangigen Dämon, um dem Tod auf dem Scheiterhaufen zu entkommen. Dummerweise wurde sie zwei Jahre später bei einer Hexenprobe ertränkt.
Meine Mutter, das einzige Kind meiner Großmutter, schwor daher den Schatten ab und floh in den Westen. Um weiteren Prozessen zu entgehen, betete sie zur Großen Mutter, die sie auch glücklicherweise erhörte.“ Dean hob die Hand. Bisher hatte er ziemlich gelangweilt ausgesehen, doch jetzt schien er doch Gefallen an der Geschichte zu haben. „Die Große Mutter?“, fragte er. „Wer soll das sein? Ophra?“
Bonnie lächelte. „In der ägyptischen Kultur kennt man sie unter dem Namen Isis. Christen ist sie als Maria bekannt. Sie verkörpert das Sinnbild der Mutter Erde. Mutter Natur, wenn du so willst.“
Skeptisch zog er die Augenbrauen nach oben. „Soll das heißen, dass du deine Seele an die Natur verkauft hast? Ziemlich mieser Deal, wenn du mich fragst.“
Sie drehte sich zu ihm um und zog ihr rechtes Bein unter sich. „Ich habe meine Seele weder verschrieben noch verkauft. Sie gehört ganz alleine mir.“ Sie konnte sehen, dass er sie nicht verstand. Wahrscheinlich war das Bild einer Hexe für ihn schon so festgefahren, dass er es nicht begreifen konnte, dass es auch etwas anderes gab. „Nur weil andere Hexen ihre Seele dem Teufel oder sonst wem verschreiben, heißt das noch lange nicht, dass das alle so machen müssen. Ich habe meine Fertigkeiten durch jahrelange Übungen erhalten. Dafür kann ich aber auch keine Wunder vollbringen oder Wünsche erfüllen. Ich kann heilen und mit den Toten sprechen.“
„Für mich ist das schon freaky genug“, sagte er. Er rutschte auf der Bank herum, fand aber keine bequemere Position. Also legte er seinen linken Arm auf die Rückenlehne, so konnte er die angeschlagenen Muskeln etwas entlasten. „Und wie ging es weiter mit deiner Mutter?“
Das Mädchen seufzte. Ihr Blick glitt in die Ferne, dorthin, so sich die Sonne immer weiter dem Horizont entgegen schob. „Sie lebte eine Weile hier in der Gegend, immer auf der Flucht vor anderen Hexen, die sie um ihre Fähigkeiten und ihre Seele, die ihr alleine gehörte, beneideten. Ebenso waren Dämonen hinter ihr her, die sie entweder dazu verführen wollten, doch einen Pakt mit ihnen einzugehen, oder sie dazu bringen wollten, ihre Götter an sie zu verraten. Doch sie blieb hart, baute sich ein kleines Häuschen und lebte dort ein paar Jahre.
Mit der Zeit sprach es sich herum, dass sie sich bestens auf Heilungen jeder Art verstand und es kamen immer häufiger Jäger zu ihr. Einer davon war mein Vater. Er baute ihr dieses Haus, ganz nach ihren Wünschen, verstärkte die Wände mit Eisen und Salz und legte ihr den Kräutergarten an.
Als sie schwanger wurde, fasste mein Vater den selbstmörderischen Plan, die Welt von allen Dämonen und bösen Geistern zu befreien, um seinem Kind eine unbeschwerte Kindheit zu schenken. Doch er kehrte nie wieder zurück. Wer ihn getötet hat und wann, haben meine Mutter und ich nie erfahren. Sie zog mich alleine groß. Und als sie mich alles gelehrt hatte, was sie wusste, starb sie. Seit dem lebe ich alleine hier. Von den gelegentlichen Besuchen der Ghostbusters mal abgesehen.“
Eine Weile schwiegen sie sich an, starrten beide vor sich hin, und fragten sich, was gewesen wäre, wenn…
Dann stutzte er. Gedanklich ging er die Jahre bis zu den Hexenprozessen zurück und ihm fielen ein paar Ungereimtheiten auf. „Du hast gesagt, dass deine Großmutter in Salem dabei war. Das war aber 1692. Meines Wissens nach geht eine Generation über 30 Jahre, nicht über 300.“
Gerade, als er entsetzt aufspringen und „Hexe“ rufen wollte, packte sie ihn am Arm und drückte ihn zurück auf die Bank. Sie hielt seine Hände mit einer Kraft fest, die er nicht erwartet hätte. Er begann zu ahnen, wie sie Sammy ins Nebenzimmer und ihn nach oben hatte befördern können.
„Die Große Mutter beschenkte meine Mutter und ihre Nachkommen mit einem langen Leben. So sollten wir weise und gerecht werden.“ Dean schnaubte. Er glaubte kein Wort von alldem. „Sieht man mir meine einhundertzweiunddreißig Jahre etwa nicht an?“, sagte sie zwinkernd.
Mit weit aufgerissenen Augen und einem offenen Mund starrte er sie an. „Doch… nein“, stotterte er. „Ich meine, ich steh auf ältere Frauen.“
Sie ließ seine Hände wieder los. „Dean Winchester, du bist ein triebgesteuerter Idiot. Denkst du eigentlich auch mal an was anderes, als an Sex?“ Einen Moment lang wusste er nicht, was er sagen sollte, und das kam selten genug vor. Doch dann fiel ihm tatsächlich etwas ein, was er in diesem Moment mehr wollte, als Sex. „Hm, ich könnte ne Kleinigkeit zu Essen vertragen.“