LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Teil 4
Wenig später saß er auf dem Sofa am niedrigen Couchtisch und löffelte einen Eintopf. Dabei schien es, als könnte er nicht schnell genug einen Löffel nach dem anderen in sich hineinstopfen. „Daf fmett guf. Waf ift daf?“, sagte er zwischen zwei Löffeln. Ihr war klar, dass es ihm schmeckte. Seit drei Tagen hatte er keine feste Nahrung mehr zu sich genommen. Vermutlich hätte er einen alten Turnschuh gegessen. Und wenn sie ihn etwas besser gekannt hätte, hätte sie das nicht mal gewundert.
Sie stellte ihm noch einen Teller mit selbstgebackenem Brot hin. „Opossumeintopf“, sagte sie. Er überlegte tatsächlich eine Sekunde lag, ob sie es ernst gemeint haben könnte. Doch als er den Bissen heruntergeschluckt hatte, wusste er, dass es ihm egal war. In seiner derzeitigen Verfassung hätte er alles gegessen. Kein Wunder, war es für ihn doch normalerweise schon eine Ewigkeit, drei Stunden nichts zu essen.
„Wenn du jetzt auch noch ein Bier hättest“, sagte er, als er drei Teller verdrückt und kugelrund und zufrieden auf dem Sofa lag, „dann wäre ich dir ewig dankbar.“ Sie erhob sich aus dem Sessel ihm gegenüber und nahm seinen Teller mit in die Küche. „Hab ich leider nicht, aber ich kann dir Tee anbieten.“
Er lehnte sich zurück. So gut hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Ein langer Rülpser unterstrich sein Wohlbehagen. „Wer bin ich? Die Queen?“
Angewidert blickte sie zu ihm hin. „Offensichtlich nicht. Die Queen wüsste, wie man sich zu benehmen hat.“
„Das weiß ich auch!“ Etwas schwerfällig erhob er sich. Auf sie wirkte er beinahe schwanger, so wie er sich bewegte. „Hier, ich helf dir auch beim Abwasch.“ Er nahm ihr den Teller aus der Hand, konnte aber dank seiner Verletzung noch nicht richtig zupacken. Scheppernd zersprang das Porzellan auf dem Steinboden und hinterließ kleine, in Eintopf getunkte Splitter. Eine Hand in der Hüfte und mit dem rechten Fuß auf dem Boden trommelnd sah sie ihn an. „Leg dich lieber hin, bevor du dir noch wehtust.“ Und um ihre Worte zu unterstreichen, schob sie ihn wieder in Richtung Sofa.
Als sie ihn nach unten drücken wollte, packte er sie mit seiner gesunden Hand am Handgelenk und zog sie mit zu sich runter. „Aber ich hab doch eine Krankenschwester, die auf mich aufpasst.“
„Lass mich los“, sagte sie und entwand sich seinem Griff. Enttäuscht sah er sie an. Obwohl sie eigentlich gar nicht sein Typ war, zu klein, zu kräftig, zu rothaarig, wirkte sie auf ihn eine seltsame Anziehungskraft aus. Außerdem hatte er schon lange mit keiner Frau mehr geschlafen. Dieser Job als Geisterjäger konnte einem wirklich manchmal den Spaß am Leben nehmen.
Sie ließ ihn dort alleine sitzen und ging zurück in die Küche. „Ich muss Sams Wunde neu verbinden“, sagte sie, als hätte sie eine Erklärung gebraucht. Auch sie war lange einsam gewesen. Wahrscheinlich länger, als er überhaupt am Leben war. Doch sie hatte gelernt, mit der Einsamkeit zu koexistieren. Es bestand eine Art Symbiose zwischen ihnen. Wenn sie alleine blieb, gab die Einsamkeit ihr Kraft. Die Gesellschaft von Menschen brachte nur Schmerzen und Enttäuschung mit sich, bis sie letztendlich zum Tode führten.
Dean erhob sich wieder. Er hatte diese Spielchen satt. Wenn sie die Unnahbare geben wollte, sollte sie es tun. Er hatte Besseres zu tun. „Ich geh Duschen und dann Schlafen. Wo ist das Bad?“
„Erste Tür links“, sagte sie knapp und wies mit dem Daumen über ihre Schulter die Treppe hinauf. So würde er sie wenigstens eine Weile nicht aus dem Konzept bringen und sie konnte in Ruhe den nächsten Verband vorbereiten. Als sie alles zusammen hatte, hört sie, wie oben der Wasserhahn aufgedreht wurde. Sie betrat den kleinen abgetrennten Raum im Erdgeschoss, den sie für derartige Besuche extra eingerichtet hatte. So musste sie die Verletzten nicht erst nach oben transportieren.
Sam lag noch immer dort, wo sie ihn drei Tage zuvor hingelegt hatte. Bisher war er noch nicht aufgewacht. Nur ein gelegentliches Flattern der Lider hatte ihr verraten, dass er auf dem Weg der Besserung war. Doch nur er alleine würde bestimmen, wann er so weit war, aufzuwachen.
Vorsichtig nahm sie den alten Verband ab. Diesen würde sie später verbrennen. So konnte das Gift niemandem mehr schaden. Anschließend wusch sie seinen Oberkörper mit ein bisschen Lavendelwasser ab. Es würde ihn etwas abkühlen, denn er hatte immer noch Fieber. Vorsichtig strich sie über die verwundete Stelle. Es hatte sich kein Eiter mehr gebildet. So weit, so gut.
Wie er dort dalag wirkte er so jung und unschuldig, obwohl seine Augen schon so viel Böses gesehen hatten. Doch er hatte sich etwas von seiner Kindlichkeit bewahrt, auch wenn er selbst davon keine Ahnung hatte. Fast rief er so etwas wie Muttergefühle in ihr wach. Doch leider war es ihr bisher nicht vergönnt, ein Kind zu haben. Dazu hatte sie nie den richtigen Mann gefunden. Er sollte kein Jäger sein, wie ihr Vater, der niemals zurückkehren würde. Doch dieser Wunsch würde sich erst erfüllen, wenn der Kampf endgültig vorbei war.
Nachdem sie Sam neu verbunden und wieder zugedeckt hatte, schloss sie leise die Türe hinter sich. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Dean wieder die Treppe heruntergekommen war, doch nun saß er wieder auf dem Sofa, starrte vor sich ins Leere. Leise setzte sie die Schüssel mit dem alten Verband auf dem Boden ab und trat hinter ihn, eine Hand beruhigend auf seiner rechten Schulter. „Wie geht es dir?“, flüsterte sie.
Verstohlen wischte er sich mit dem Handrücken über sein Gesicht. Sie sollte nicht wissen, dass er um seinen Bruder mehr Angst hatte, als er zuzugeben bereit war. „Beschissen“, war die Antwort.
Langsam kam sie um das Sofa herum und setzte sich neben ihn, die Hand immer noch auf seinem Arm. „Ich will jetzt nicht sagen ‚Ich weiß, wie du dich fühlst, Dean’. Ich weiß nur, wie es sich anfühlt, den einzigen Menschen, der noch Familie für einen ist, so vor sich liegen sieht. Doch was genau das für Gefühle in dir wachruft, weißt du vermutlich nicht mal selber.“
Wie recht sie doch hatte. Wenn sie es gesagt hätte, wäre er vermutlich ausgerastet. Doch offenbar hatte sie viel Erfahrung mit so einer Situation. Wer konnte schon sagen, wie viele Jäger in ihrem Haus gestorben waren und wie viele Familienmitglieder oder Freunde dabei hatten zusehen müssen. Wie viele davon waren ihre eigenen Freunde gewesen, die sie hatte beerdigen müssen? So viele wie bei ihm und Sam?
„Das einzige, was ich dir sagen kann, ist, dass du Geduld haben muss“, sagte sie. Sie nahm seine Hand in ihre und drückte sie. Dabei sah sie ihm tief in die Augen. „Hab Geduld mit Sam und mit dir. Und hab Geduld mit mir. Ich rette deinen Bruder, das verspreche ich dir. Dafür braucht es nur etwas Zeit.“
Sie hatte gar nicht gemerkt, wie nah sie ihm gekommen war, bis sich ihre Nasen beinahe berührten. Dann, ohne Vorwarnung, küsste er sie.
Es gab weder Feuerwerk, noch Funkenflug. Es war weder ein Kuss aus Liebe, noch aus Leidenschaft. Es war die schlichte Umarmung zweier Seelen, die Trost suchten, nicht mehr alleine sein wollten. Es war ihnen egal, wie lange es dauern würde, wenn sie nur für ein paar Stunden vergessen konnten, was außerhalb dieser Mauern auf sie wartete. Nur für ein paar Stunden wollten sie das alles hinter sich lassen.
Er drückte sie zurück in die Kissen, eine Hand in ihren feuerroten Locken vergraben. Der Geruch von Minze stieg ihm in die Nase, als sie den Mund leicht öffnete. Ihm gefiel wie sie roch. Seine Linke wanderte an ihrer Seite herab zu ihrer Hüfte. Kurz durchzuckte der Schmerz ihn wieder, doch er ignorierte ihn dieses Mal besser. Alles an ihr war weich und warm. Beinahe hatte er vergessen, wie sich der Körper einer Frau anfühlen musste.
Ohne, dass sie es geahnt hätten, dachte jeder das Gleiche. Sie wussten, dass es nicht für immer sein würde. Wenn sie Glück hatten, würde es so lange halten, bis Sam aus seinem Koma erwachte. Und doch hofften sie, dass dieser Augenblick nie enden würde. Er lag auf ihr, hielt sie fest, sodass sie nicht vom Sofa fallen konnte. Um sie herum ein Haus aus dem vorletzten Jahrhundert. Es hätte romantisch sein können, wenn sie Liebe füreinander empfunden hätten. Doch das taten sie nicht.
Genau genommen konnten sie sich nur leiden, nicht einmal besonders gut, dafür waren sie zu unterschiedlich. Und auch, wenn es für niemanden eine tiefer gehende Bedeutung hatte, half es beiden in diesen Minuten, Stunde, die sie ganz alleine mit sich verbrachten, einen Teil ihrer Vergangenheit zu akzeptieren. Es war, als gäbe die Verbindung dieser beiden Körper ihnen den Trost, den sie sich so lange schon ersehnt hatten.
Vorsichtig strich sie mit ihren kleinen Fingern über die Wunde an seiner Schulter, ließ sie abwärts über seinen durchtrainierten Rücken wandern. Ja, ein Jäger durfte nicht einrosten und Dean Winchester gehörte definitiv zu der besonders ausdauernden Sorte. Er war nicht gerade sanft zu ihr, doch sie revanchierte sich gleich bei ihm. Zuerst zögerlich, dann fordernd, grub sie ihre Fingernägel in seinen Rücken, bis er nicht mehr wusste, was ihn mehr schmerzte, seine Wunde oder ihre Leidenschaft.
Kurz betrachtete er sie, wie sie unter ihm lag. Ihre Haare bildeten einen roten Heiligenschein um ihren Kopf, doch in ihren Augen brannte es dämonisch grün. Für diesen Augenblick wusste er nicht, ob er sich ihr hingeben oder sie töten sollte. Zu widersprüchlich war das, was er empfand. Das Einzige, was er wollte, war vergessen. Und das war besser als Alkohol oder die Jagd nach Dämonen.
Später lagen sie auf dem Boden, ihre Kleider unter sich, die Füße auf dem Sofa hochgelegt. Gedankenverloren spielte er mit einer ihrer Locken, während sie beide an die Decke starrten. Keiner sagte ein Wort, denn für beide war dieser Moment des Friedens viel zu kostbar, um ihn mit Worten zu entehren. Für einen Wimperschlag fragte er sich, ob er jemals vielleicht in der Lage dazu war, sie zu lieben. Doch dann beschloss er, dass es nicht seine Art war, sich mit nur einer Frau zufrieden zu geben. Dafür sah er zu gut aus. Er konnte beinahe jede haben, warum ausgerechnet eine Frau, die so wenig seinem sonstigen Beuteschema entsprach, wir nur irgendetwas.
Auch sie hatte den Gedanken, ihn einfach für immer festzuhalten. Doch auch sie entschied sich dagegen. Sie war gute hundert Jahre älter als er und würde ihn um noch mehr als das Doppelte überleben. Ihre Aufgabe war es, zu Heilen. Seine war es, zu Töten. Sie sehnte sich nach einer Familie, er nicht. Sie waren so unterschiedlich, wie Tag und Nacht. Und jeder wusste, dass sich diese beiden nur in der Stunde der Dämmerung nahe kamen.
Eine leichte Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus. Sie griff nach ihrer Schürze und legte sie sich über. Dabei vermied sie es, ihn anzusehen. Sie hatte Angst davor, dass sich ihr Herz doch gegen ihren Verstand durchsetzen würde. Ein bisschen rückte sie von ihm ab, um seinen Duft nicht mehr in der Nase zu haben. Dann schloss sie die Augen, genoss den starken Arm um ihre Schulter und stellte sich vor, dass es jemand anderes war.
Sie mussten beide eingeschlafen sein, denn als sie erneut die Augen aufschlug, dämmerte es bereits. Etwas hatte sie geweckt, doch sie konnte nicht sagen, was es war. Daher blieb sie einfach noch eine Weile liegen.
Auch Dean wurde schließlich wach. Im ersten Moment fragte er sich, was zum Teufel er auf dem Boden machte. Doch als es ihm wieder einfiel, breitete sich sein süffisantes Grinsen, was er so gerne trug, auf seinem Gesicht aus. Gerade wollte er sich zu ihr umdrehen, als er im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Bevor er jedoch reagieren konnte, rief eine Stimme: „Oh Gott, Dean! Zieh dir gefälligst etwas an!“
Sofort waren die beiden auf den Beinen, versuchten sich, so gut es ging, zu bedecken und starrten denjenigen an, der gesprochen hatte.
„Sammy!“, stieß Dean atemlos hervor. Dann fing er sich wieder. „Offenbar geht’s dir schon wieder besser.“ Verstohlen wickelte er sich sein Hemd um die Hüfte. Sam drehte sich weg, als Bonnie sich ihre Sachen wieder anzog.
„Trotzdem würde ich mir nach diesem Anblick gerne die Augen ausbrennen“, sagte Sam und verschränkte die Arme vor der nackten Brust. Bonnie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das hatte sie auch noch nicht gehabt: zwei halbnackte, gutaussehende Jäger in ihrer kleinen Hütte.
Eine halbe Stunde später hatte sich die Situation etwas entspannt. Bonnie hatte Sams Wunde erneut verbunden und den beiden etwas zu Essen gemacht. Sie war daraufhin unter die Dusche gegangen. Nun saßen die beiden Brüder alleine auf dem Sofa. Dean sah Sam von der Seite her an. Offenbar war das Fieber gesunken, seine Wangen hatten auch wieder einen rosigen Hauch angenommen. „Geht’s dir gut?“, fragte er.
Sam blickte von seiner Schüssel Eintopf auf. Ihm schien er auch großartig zu schmecken. „Ja, hab mich nie besser gefühlt. Nach deinem Wohlbefinden brauch ich wohl gar nicht erst zu fragen. Dir geht es offenbar blendend.“
Dean setzte sich auf. „Ich war krank vor Sorge!“, rief er empört. „Du hast vier Tage im Koma gelegen.“ Sam lachte auf. „Dann will ich nicht wissen, was du machst, falls ich sterben sollte.“
Der Blick seines großen Bruders verdunkelte sich. „Das ist nicht witzig, Sammy.“ Doch der winkte ab. „Schon gut“, sagte er und widmete sich wieder seinem Teller. Nachdem er die Portion beinahe leergegessen hatte, hielt er inne. „Vier Tage? Was ist denn passiert?“ Also erzählte Dean es ihm, wie die Spinne auf ihn losgegangen war und ihn gestochen hatte und Bobby sie zu Bonnie gelotst hatte. „Sie hat erst meine Wunde versorgt und dann deine.“
„Offenbar hat sie auch noch etwas anderes bei dir versorgt“, sagte Sam. Er brachte den Teller in die Küche und stellte ihn auf die Spüle. Das Laufen bereitete ihm noch ein paar Schwierigkeiten, da sein linker seitlicher Bauchmuskel noch nicht zusammengewachsen war und das würde wahrscheinlich noch seine Zeit dauern. Aber nach dem Essen fühlte er sich schon wieder viel besser.
Dean stand auch auf, streckte sich ausgiebig. „Komm schon, Sammy, du bist doch nur eifersüchtig.“ Er verpasste seinem Bruder einen Schlag auf den Oberarm, doch der schnaubte nur herablassend. Das war ein Punkt, bei dem sie sich einfach nicht einigen konnten. Dean war derjenige, der alles vögeln konnte, was nicht bei Drei auf den Bäumen war, wohingegen er derjenige war, der lieber nur mit Frauen schlief, für die er auch Gefühlte hatte. Wahrscheinlich würden sie dabei nie auf einen grünen Zweig kommen.
Gerade wollte Sam zu einer längeren Erklärung über die weiblichen Gefühle ansetzen, als Deans Handy klingelte. „Hey Bobby!“, sagte er in den Hörer. „Ja, Sammy geht’s wieder gut. Die Hexe hat erstklassige Arbeit geleistet… Bist du sicher?“ Er warf Sam einen viel sagenden Blick zu. Ein neuer Auftrag wartete auf sie. „Gut, wir machen uns so schnell wie möglich auf den Weg.“ Er klappte sein Handy wieder zu. „Bobby hat eine Spur von Bela. Zieh dich an, wir müssen los.“
„Wartet“, rief Bonnie vom oberen Treppenabsatz herunter. Sie trug nur ein Handtuch um den Körper, ihre nassen Haare klebten an ihrem noch feuchten Rücken. „Bevor ihr geht, werde ich euch noch ein letztes Mal neu verbinden. Und ich gebe euch Kräuter mit, um die Wunden nachzubehandeln.“
Die Brüder sahen sich kurz an, wussten nicht so recht, was sie davon halten sollten. Eigentlich hatten sie vorgehabt, klamm heimlich zu verschwinden, denn sie hatten damit gerechnet, dass sie versuchen würde, sie festzuhalten, bis ihre Wunden vollständig geheilt waren. Dass sie sie nun so bereitwillig gehen ließ, überraschte sie beide entsprechend.
„Na gut“, sagte Dean mit einem Schulterzucken. „Aber viel Zeit haben wir nicht.“ Sie kam die Treppe herunter. „Du wirst dir so viel Zeit nehmen, wie ich dir gebe, Dean Winchester. Setzen!“ Ohne Widerworte nahmen die beiden Platz. Nur mit dem Handtuch bekleidet machte sie sich an die Arbeit, die Verbände zu erneuern. Als sie fertig war, verbrannte sie die Alten und packte ein paar Kräuter in ein Säckchen. Das reichte sie Sam. „Die Kräuter sind nicht nur gut für eure Wunden, sondern werden euch zusätzlich vor schlechtem Einfluss bewahren. Solltet ihr in sehr großen Schwierigkeiten sein, verbrennt sie. Der Rauch ist sehr unangenehm für Geister und Dämonen.“
Mittlerweile waren ihre Haare getrocknet und ihre Locken ringelten sich wieder über ihre Schultern. Er kannte sie noch nicht lange, aber irgendwie hatte Sam sie sofort ins Herz geschlossen. Er nahm sie kurz in den Arm. „Ich danke dir, Bonnie“, sagte er, dann packte er seine Sachen. „Jederzeit wieder, Sammy“, sagte sie und knuffte ihn in die Seite. Im Gegensatz zu ihm war sie noch ein gutes Stück kleiner, reichte ihm gerade bis zur Brust. Doch ihr Herz war vermutlich das größte, was er bisher kannte. Dann ließ er sie und seinen Bruder alleine. Er wusste, dass Dean sich niemals richtig von ihr verabschiedet hätte, wenn er dabei war.
Bonnie drehte sich zu Dean um, der etwas verloren im Wohnzimmer stand. Dass sein Bruder schon gegangen war, irritierte ihn ein wenig. Schließlich nahm er seinen Rucksack auf die Schulter und ging zur Tür. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, fuhr sie ihm über den Mund. „Mach mir jetzt keine Szene, Dean Winchester. Ich will keine Tränen.“
Verdutzt blickte er sie an. Er war es für gewöhnlich, der diese Sätze sagte. Sie jetzt aus dem Mund einer Frau zu hören, brachte ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht. „Ich wollte nicht… ich meine…“ Doch er brach ab.
Sie lächelte ihn an und sogar das grüne Feuer in ihren Augen schien für diesen Moment nur auf Sparflamme zu brennen. „Schon gut. Versprich mir nur eins.“ Seine Augenbrauen wanderten langsam zu seinem Haaransatz hoch, gewappnet für das, was nun kommen würde. Doch er täuschte sich schon wieder in ihr. „Wenn ihr diesen Ausgeburten der Hölle den Arsch aufreißt, passt gegenseitig auf euch auf. Ich möchte euch nie wieder in meinem Hospital sehen.“ Sie zwinkerte ihm zu und gab ihm noch einen Kuss. Dann schob sie ihn mit sanfter Gewalt zur Tür hinaus.
Ein paar Minuten später sah sie den Impala die Straße hinunterrasen. Sie konnte die Hells Bells noch hören, als sie bereits um die nächste Biegung verschwunden waren, dem Sonnenuntergang entgegen.