LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 8
~ Court Room Blues
Der Prozess für die Hardings verzögerte sich um ein paar weitere Tage, da Lelex auch nach erfolgreicher Lokalisation der inneren Blutungen immer noch nicht in der Lage war, vor Gericht zu erscheinen. Einen Antrag auf Befragung des Zeugen im Krankenhaus lehnte der Richter, aus Thomas völlig unerfindlichen Gründen, ab. Verärgert stand er im Krankenzimmer von Lelex und ging nun schon zum bestimmt hundertsten Mal die Unterlagen durch. Meg saß in einem Stuhl und sah ihm zu.
In den letzten Wochen hatten sie viel Zeit miteinander verbracht und sie hatte feststellen müssen, dass er ein ausgesprochen ehrgeiziger Mann war, im Gegensatz zu ihr, die sich nur mit Mühe und Not dazu hatte durchringen können, ein Studium zu beginnen. Trotzdem mochte sie ihn sehr und genoss es bei ihm zu sein.
Als das Ende des Prozesses endlich gekommen war, schien es, als falle der ganzen Familie eine schwere Last von den Schultern. Noch wussten sie nicht, wie es ausgehen würde, doch alleine der Gedanke daran, dass es bald vorbei war, ließ sie wieder ein bisschen freier atmen. Meg glaubte sowieso daran, dass Thomas seinen Job gut gemacht hatte und sie gewinnen würden.
Doch Thomas glaubte noch nicht daran. Der Anwalt des Angeklagten war ebenfalls sehr renommiert und schien dem Richter gut zu gefallen. Allerdings waren die Zeugen alle auf ihrer Seite. Es würde also ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden, so viel war sich Thomas sicher.
Meg setzte sich zu ihrem Bruder auf das Krankenbett und legte einen Arm um ihn. Die Wochen im Krankenhaus hatten ihn um Jahre altern lassen. Seine Haut war blass und beinahe durchscheinend geworden und er hatte sehr viel abgenommen. Mittlerweile jedoch hatte er gelegentlich wieder rosige Wangen und schien auch mehr Hunger zu haben. Sie kümmerte sich rührend darum, dass er auch genug zu sich nahm und sich gelegentlich bewegte. Jeden Tag ging sie mit ihm ein Stückchen weiter spazieren, sodass sich seine gequälten Muskeln langsam an die erneute Belastung gewöhnen konnten. Ins Fitnessstudio würde er aber eine ganze Weile nicht mehr gehen können.
„Was gibt es Neues von Vic?“, fragte Lex, als Thomas gerade aus dem Zimmer gegangen war um zu telefonieren. Vic war zu einem Teil der Familie geworden, als sie und Meg sich immer häufiger sahen. Sie hatten sich damals bei einem Chai Latte im Coffee-Shop kennengelernt und bald war sie jeden Abend bei den Hardings gewesen. Dadurch war Lex auch zum Teil ihr Bruder geworden.
Meg streichelte über seinen Handrücken, der übersät war mit blauen Flecken. „Sie hasst es dort“, sagte sie. „Die Arbeit macht ihr keinen richtigen Spaß. Sie meinte, sie liebt es zu Schreiben und nicht den Regisseur zu spielen. Außerdem gerät sie ständig mit einem der Schauspieler aneinander. Er soll ein richtiger Kotzbrocken sein. Hat sie beobachtet, als sie unter der Dusche stand. Und sie hat Angst vor dem Rückflug.“
Ihr Bruder lachte zum ersten Mal seit Wochen aus vollem Herzen. Er kannte Vittoria nun schon ein paar Jahre und konnte sich nur zu gut vorstellen, wie es ihr dort drüber erging. Auch Meg musste lachen, als er sagte: „Dann war dieses Jobangebot ja ein richtiger Volltreffer für sie. Würde mich nicht wundern, wenn sie kündigt, wenn sie wieder da ist, so wie ich sie kenne.“
„Ja, da hast du vermutlich Recht“, sagte sie, doch dann wurde sie wieder ernst. „Schaffst du es denn morgen zur Urteilsverkündigung?“ Sie sah ihren Bruder eindringlich an, versuchte zu ergründen, ob er ihr etwas vorspielte, oder ob er vielleicht wirklich schon wieder kräftig genug dafür war. Doch er sah ihr ohne Furcht in die Augen. „Ich schaff das schon, Meg. Eigentlich müsste ich mich um dich sorgen, kleine Schwester.“ Er nahm sie fest in den Arm und drückte sie an sich, bis sie aufstöhnte und sich freizukämpfen versuchte. Dann ließ er sie los und drückte ihr noch einen Kuss auf die Wange. Sie lächelte ihn an, drückte noch mal seine Hand, an der die Infusion hing, und ging dann nach endlich nach Hause.
Der Tag der Urteilsverkündung begann mit einem heftigen Gewitter. Der Wind peitschte den Regen waagerecht umher, sodass er durch jede Kleidung kroch und einen bis auf die Knochen klamm werden ließ. Zitternd schob Meg ihren Bruder mit dem Rollstuhl dem Gerichtsgebäude entgegen. Wenn es doch nur schon vorbei wäre, dachte sie, als sie vor den drohenden Toren stand. Sie konnte spüren, dass es Lex nicht gut ging. Es bekam ihm nicht, sich so anzustrengen. Doch er legte ihr seine Hand auf den Unterarm, als er ihre Besorgnis sah und zeigte ihr dadurch, dass sie sich keine Sorgen machen sollte.
Leichter gesagt, als getan, dachte sie, schob ihre Bedenken jedoch zur Seite. Nur noch heute und dann war es hoffentlich endlich vorbei. Sie schob ihn in den Gerichtssaal auf die Klägerbank zu und setzte sich dann nach hinten zu ihren Eltern. Thomas warf ihr ein beruhigendes Lächeln zu. Er sah wieder unverschämt gut aus in seinem perfekt sitzenden Anzug.
Entschieden schüttelte sie den Kopf. Das war nun wirklich nicht der richtige Augenblick um sich ablenken zu lassen. Sie konzentrierte sich auf den Richterstuhl und erhob sich mit allen anderen, als das Oberhaupt dieses Gerichtssaals den Raum betrat. Man hieß sie, sich alle wieder hinzusetzten, dann legte sie die Hände ineinander und begann ihre Finger zu kneten.
Es wurden Begrüßungsfloskeln gesprochen, jeder Anwalt hielt noch einmal eine Abschlussansprache. Meg besah sich den Angeklagten. Man hatte ihm Alkohol im Blut zum Zeitpunkt des Unfalles nachweisen können, doch sein Anwalt hatte die Beweise verschwinden lassen. Er gehörte einer reichen Familie an und sein Vater unterhielt wertvolle Kontakte in der gesamten Londoner Oberschicht. Als durchschnittliche Familie konnte man sich das natürlich nicht leisten, aber Thomas hatte ihnen immer wieder versichert, dass das Recht auf ihrer Seite wäre.
Als Meg jedoch sah, wie Kingston Craft grinste, wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie verlieren würden. Er hatte kleine gerötete Augen, eingefallene Wangen, trug aber einen Anzug aus reiner Seide. Vermutlich hatte er sich mit fünfzehn gegen seine reichen Eltern auflehnen wollen und war in die Drogenszene abgerutscht. Und jetzt, mit beinahe sechsundzwanzig Jahren, besuchte er regelmäßig eine Entzugsklinik.
Sie verabscheute solche Leute. Als sie mit Vittoria darüber gesprochen hatte, war ihre beste Freundin in Schimpfkanonaden ausgebrochen und hatte versprochen, diesen Kerl von ihrem Onkel finden und umlegen zu lassen, falls er davonkommen sollte. Meg hatte darüber gelacht, denn der Bruder von Vittorias Mutter wohnte tatsächlich auf Sizilien, doch nun dachte sie ernsthaft über diesen Vorschlag nach.
Ihre Mutter stieß sie in die Seite. Erschrocken sah sie sich um und bemerkte, dass alle anderen bereits wieder aufgestanden waren. Also erhob sie sich auch. Der Richter hatte sich ebenfalls erhoben und hielt nun eine Akte offen vor sich. Meg schluckte. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“, sagte er. Meg ergriff die Hand ihrer Mutter und drückte sie ganz fest. „Der Angeklagte wird zu zwölf Monaten auf Bewährung verurteilt.“
Ein Stöhnen, teilweise aus Erleichterung, teilweise aus Empörung, lief durch den Saal. Der Richter klopfte mit seinem Hammer und bat um Ruhe. Dann fuhr er fort: „Und er muss eine Strafe in Höhe von einhunderttausend Pfund an die Familie des Klägers zahlen, um die hohen Arztkosten begleichen zu können. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, die Verhandlung ist hiermit geschlossen.“ Ein letzter Klopfer mit dem Hammer, dann verließen Richter und Gerichtsdiener den Saal.
Entsetzt starrte Meg dem Richter hinterher. Sie musste von ihrer Mutter aus dem Saal gezerrt werden. Draußen begegnete sie dem Blick des Unglücksfahrers. Plötzlich schlug die Wut über ihr zusammen, wie eine Flutwelle, ließ sie darin ertrinken und sie sah rot. Sie ballte ihr Hände zu Fäusten und wollte auf Craft losgehen, doch Thomas packte sie von hinten. Aufgebracht fluchte, schlug und spuckte sie um sich, versuchte sich aus dem schraubstockartigen Griff zu lösen, der sie festhielt, schaffte es aber nicht. Craft wurde abgeführt, mit einem gönnerhaften Grinsen auf den Lippen.
Meg tobte, bis sie nicht mehr konnte. Sie erwischte Thomas bestimmt ein paar Mal heftig, doch er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er blickte ihre Eltern an, die mit Lex das Gebäude verließen, zeigte ihnen, dass er sich um sie kümmern würde. Wie eine Puppe nahm er sie hoch und trug sie weg, zu seinem Auto, einem schwarzen Jaguar XK 120, davor setzte er sie ab. Erschöpft brach sie zu seinen Füßen zusammen, schluchzte auf einmal heftig. Der Regen prasselte auf sie nieder und vermischte sich mit ihren Tränen auf ihrem Gesicht.
Sie hatte keine Kraft mehr. Sie fror schrecklich und war nass bis auf die Knochen. Doch sie war nicht einmal mehr in der Lage zu zittern. Wie ein Knochensack hockte sie zu seinen Füßen und weinte.
Ohne es zu merken, hatte Thomas sie schließlich doch noch in sein Auto setzen können und hatte sie nach Hause gefahren. Dort setzte er sie mit einer Wolldecke im Wohnzimmer vor den Fernseher, damit sie sich ablenken konnte. In der Zwischenzeit ließ er ein heißes Bad ein und kochte eine Kanne Tee. Dann steckte er sie in die Wanne, zog sich selbst aus und setzte sich dazu. Während er sie abrubbelte, flößte er ihr immer wieder den Tee ein, bis ihre Wangen rot glühten. So würde sie zumindest keine Erkältung bekommen.
Irgendwann, als das Wasser langsam kalt wurde, drehte sie sich zu ihm um und sah ihm in die Augen. Eine Weile saßen sie so da, sagten nichts, bewegten sich nicht. Dann sank sie in seine Arme, barg ihr Gesicht an seiner Schulter. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. Ihr warmer Atem streichelte über seine Haut und hinterließ eine Gänsehaut.
Er wand sich unter ihr hervor, hielt sie an den Oberarmen ein wenig auf Abstand, dass er sie besser sehen konnte. „Du musst dich nicht entschuldigen“, sagte er bestimmt. „Ich hab mich zu entschuldigen. Ich habe euch im Stich gelassen.“ Er senkte traurig den Blick, konnte es nicht mehr ertragen sie anzusehen. Doch hätte er sie angesehen, hätte er Mitleid und Zuneigung in ihrem Blick gelesen.
Sie wusste nicht mehr, was zwischen ihnen war oder was vorgefallen war, doch in diesem Moment wurde es ihr egal. Nichts war wichtig. Lelex war nicht wichtig, ihre Eltern waren nicht wichtig und ihre Wut war nicht wichtig. Nur noch er zählte, wie er sie in den Armen hielt, wie er für sie da war in dieser schweren Zeit. Und so küsste sie ihn, küsste ihn wie eine Ertrinkende, die sich an einen letzten Strohhalm klammert; wie ein Süchtiger, der sich an seinem letzten Glas, seiner letzten Zigarette, seiner letzten Nadel festhält; wie ein hilfloses Baby, das nach seiner Mutter greift.
Sanft hob er sie aus dem Wasser und trug sie ins Schlafzimmer. Dort legte er sich mit ihr nass, wie sie waren, aufs Bett, deckte sie beide zu und versankt mit ihr in der Trunkenheit dieses Augenblicks, der alles, was vorher schwarz oder weiß gewesen war, zu grau verwischte.
„Versprich mir, dass du bei mir bliebst“, hauchte sie zwischen seinen Küssen hervor und krallte sich in seinem nackten Rücken fest. Er zuckte kurz, als er den Schmerz spürte, doch dann sah er, wie sehr sie litt. Ein warmes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht und seine Augen strahlten sie an. Dann küsste er sie noch einmal und sagte: „Ich verspreche es.“
Als er am nächsten Morgen wieder neben ihr erwachte, spielte er kurz mit dem Gedanken, doch einfach zu verschwinden. Doch er verwarf es gleich wieder. Er hatte es ihr versprochen und er war ein Mann, der dazu stand, was er sagte. Also entschloss er sich dazu, Frühstück zu machen. Er würde erst heute Nachmittag im Büro erwartet, wenn überhaupt. Seinem Vater und seinem Onkel gehörte die Kanzlei und er war einer der Juniorpartner. Er konnte beinahe alles tun und lassen, was er wollte. Also bestand kein Grund zur Eile.
Sorgfältig durchsuchte er jeden Schrank in der Küche, bis er alles für eine leckere Mahlzeit zusammen hatte. Anschließend band er sich eine Schürze um, die er in einer der Schubladen gefunden hatte, und begann Rührei mit Würstchen und Speck zu braten. Als er alles soweit fertig hatte, deckte er den Tisch. Da sich oben bisher nichts gerührt hatte, beschloss er einen kleinen Streifzug durch das Haus zu machen. Das alte Gemäuer gefiel ihm und die Art, was sie daraus gemacht hatte, faszinierte ihn. Es wirkte gleichzeitig altmodisch und modern. Auf dem Kaminsims standen eine Reihe von Bilderrahmen und er fragte sich unweigerlich, wer diese Frau dort oben im Schlafzimmer eigentlich war.
Als er jedoch eines der Bilder genauer betrachtete, blieb ihm schier das Herz stehen. Neben einem Hochzeitsfoto von früher grinste ihm frech Vittoria entgegen. Fassungslos betrachtete er auch noch die restlichen Bilder und musste feststellen, dass die Frau, mit der er heute die Nacht verbracht hatte, wohl nicht diejenige war, der diese Bilder gehörten.
In dem Moment betrat Meg verschlafen das Wohnzimmer. Sie hatte sich in Vittorias Bademantel gemummelt und stand verschlafen und mit geröteten Augen in der Türe. „Guten Morgen“, sagte sie leise. Thomas fuhr herum, das Bild von Vittoria in der Hand. „Was hat das zu bedeuten?“, rief er und kam auf sie zugelaufen. Er hielt ihr das Bild unter die Nase und sah sie mit einem leicht irren Blick an. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, machte sich in ihm breit und ließ alle Empfindungen dahinter verschwinden.
Verwirrt blickte Meg ihn an. Sie verstand kein Wort und hatte irgendwie das Gefühl, sich in einem billigen Groschenroman zu befinden. Konnte es sein, dass es Vittorias Thomas war, den sie damals in der Bibliothek, dann im Coffee-Shop getroffen hatte und der zum Anwalt ihres Bruders geworden war? Gab es so große Zufälle? Und wenn ja, was hatte ihre beste Freundin einst dazu bewogen, diesen perfekten Mann zu verlassen?
Seufzend setzte sie sich an den Küchentisch. Sie hatte gehofft, dass nun endlich ein bisschen Ruhe in ihr Leben einkehren würde, jetzt da sie ihren Abschluss hatte. Aber da hatte sie sich wohl getäuscht. Mit einem Mal brach das Kartenhaus, was sie sich so sorgsam aufgebaut hatte, in sich zusammen. Würde sie es retten können? „Ich glaube, ich muss dir da etwas erklären“, sagte sie. Er nahm ihr gegenüber Platz und starrte sie weiter an, wie sie dasaß in ihrem Bademantel, den er so oft an Vittoria gesehen hatte. „Ach, glaubst du, ja? Ich weiß zwar nicht, wie du mir erklären willst, dass du in ihrem Haus in ihrem Bademantel an ihrem Tisch sitzt und ihr Essen isst. Außer mit der Tatsache, dass du sie umgebracht und hinten im Garten verscharrt hast. Wahrscheinlich hast du eher mich verfolgt, wie ich in die Bibliothek ging, das Buch genommen habe und du es unbedingt haben wolltest. Das ist… widerlich!“ Er spuckte ihr das letzte Wort entgegen.
Sie schlug ihre flachen Hände auf die Tischplatte, dass die Kaffeetassen nur so hüpften. „Jetzt hör aber auf!“, schrie sie ihm entgegen, ihre Augen bohrten sich fest in seine. „Das ist absolut lächerlich, was du da sagst. Vic ist meine beste Freundin. Sie ist in Neuseeland, um dort zu arbeiten. Und weil ich Ruhe für meinen Abschlussessay brauchte, habe ich sie gebeten, mir den Schlüssel zu geben. Das ist alles. Ich wusste nicht, wer du bist. Hätte ich es gewusst, hätte ich… Ach, ich weiß es doch auch nicht, verdammt! Es muss eben ein dummer Streich des Schicksals gewesen sein.“
Erstaunt sah er sie an. Ihre letzten Sätze hatten eher verletzlich als durchtrieben geklungen. „Was meinst du damit?“, fragte er zögerlich und legte das Bild bei Seite.
Sie seufzte erneut, legte die Hände in den Schoß und sah ihn mit einem traurigen Lächeln an. Was sie jetzt sagen würde, fiel ihr nicht leicht. Aber sie kannte das oberste Gebot unter besten Freundinnen und würde es bestimmt nicht brechen wollen. Auch wenn es für sie einen sehr hohen Preis zu zahlen gab. „Das heißt, dass wir uns nicht wiedersehen können.“
„Nicht wiedersehen können?“, fragte er. „Wieso nicht?“ Nachdem Vittoria ihn damals verlassen hatte, hatte er nicht mehr so viel für eine Frau empfunden, wie nun für Meg. Er wollte sie beschützen, ihr helfen, sie glücklich sehen. Die Zeit, die er mit ihr verbracht hatte in den letzten Wochen, hatte sie ihm so nahe gebracht, wie Vittoria es niemals hätte sein können. Dafür war sie immer viel zu distanziert gewesen. Aber Meg war so anders. Bei ihr fühlte es sich nicht wie eine eiserne Faust, sondern eher wie eine warme Umarmung an, die sein Herz umschloss.
Er wusste genau, wie kitschig das alles klang und wie gut es sich für eine Geschichte in einer Seifenoper gemacht hätte, aber seit er sie kennen gelernt hatte, war ihm erst richtig bewusst geworden, wie einsam er eigentlich war. Die Tatsache, dass er bis spät in die Nacht arbeitete, zeugte nicht gerade von einem großen Privatleben. Wenn er nicht aufpasste, wurde er noch wie sein Vater, den seine Mutter nur noch am Wochenende für ein paar Stunden für sich hatte.
Meg stand auf und ging zu ihm. „Es hat nichts mit uns zu tun“, sagte sie, schob seinen Arm bei Seite und setzte sich auf seinen Schoß. „Es ist wegen Vic. Es geht einfach nicht. Verstehst du das?“
Etwas grober, als er beabsichtigt hatte, schob er sie von sich runter und stand auf. „Gut“, sagte er und ballte die Hände zu Fäusten. „Wenn du es so willst, dann muss ich das akzeptieren. Aber du kannst mir nicht verbieten, an dich zu denken oder dich anzurufen. Ich habe zu lange auf jemanden gewartet, der mich nie erhören wird. Das hat jetzt ein Ende.“
Entschlossen stand er auf, ging nach oben und zog sich an. Als er wieder herunter kam, sah er sie, wie sie sein Frühstück in den Mülleimer beförderte und begann, die Teller zu spülen. Er blieb im Türrahmen zur Küche stehen und starrte auf ihren schmalen Rücken. „Erwarte aber nicht von mir, dass ich aufhöre, um dich zu kämpfen, Meg.“
Seine Worte trafen sie mitten ins Kreuz und sie musste sich auf die Zunge beißen, um ihm nicht zu zeigen, wie sehr sie das alles verletzte. Erst als er die Haustüre hinter sich zumachte und sie den Motor des Jaguars die Straße runterfahren hörte, gab sie sich ihren Gefühlen hin. Ihre Hände verkrampften sich um das Spülbecken und der Teller, den sie in der Hand hatte, glitt zu Boden. Eine einsame Träne mischte sich mit den Scherben.
Sie versuchte in der nächsten Zeit nicht an ihn zu denken. Doch nachts, wenn sie schlief, träumte sie immer wieder von ihm, wie er wieder und wieder die Türe hinter sich schloss und ging, und sie war jedes Mal kurz davor, seine Nummer zu wählen. Aber ihre Liebe zu Vittoria hielt sie jedes Mal wieder davon ab. Sie wusste jetzt, dass sie sich in ihn verliebt hatte, doch ihre beste Freundin um ihren Segen zu bitten, wagte sie nicht. Schon gar nicht am Telefon, wenn sie sich am anderen Ende der Welt befand. Wenn Vittoria zurückkam und ihre Gefühle für Thomas sich nicht geändert hatten, schwor sie sich, dass sie sie darauf ansprechen würde. Doch bis dahin würde sie es ertragen müssen.