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Kapitel 7

 

~ Wound Dog

 

Für die nächsten Tage standen Drehs alleine mit Ben an. Andrew hatte Vittoria nur schwer dazu überreden können, daran teilzunehmen. Doch er bestand darauf, dass sie dabei war. Später sollten in die Szenen mit Kaspian noch animierte Tiere eingefügt werden und dazu, sagte Andrew, brauche er sie, damit sie Ben helfen könne, sich die Tiere besser vorzustellen.

 

Vittoria fand das Ganze ziemlich lächerlich. Was war schon dabei, sein eine Maus mit einem Degen oder einen Dachs vorzustellen? Sie würde sicherlich nicht im Farn auf die Knie gehen und die Maus spielen. Falls Andrew so etwas im Sinn haben sollte, konnte er sich das gleich abschminken, sagte sie sich und erschien missmutig wie eh und je am Set.

 

Die Hauptperson an diesem Tag scharrte nervös mit den Füßen. Es war bereits dämmrig geworden, denn die Szene sollte mitten in der Nacht spielen. Deswegen würden sie vermutlich auch mehrere Tage brauchen, bis alles im Kasten war, obwohl das Drehbuch nicht sehr lang war. Als er an das Skript dachte, dachte er auch unweigerlich an Vittoria. Gestern hatte sie sich wieder einmal unmöglich benommen und ihn vor allen Leuten bloßgestellt. Nachdem sie ihn einen verwöhnten Muttersohn genannt hatte, war er beinahe soweit gewesen, ihr vor versammelter Mannschaft eine Ohrfeige zu verpassen. Da er aber nicht scharf darauf war rauszufliegen, war er wütend in seinen Wohnwagen gestürmt und nicht wieder herausgekommen.

 

Auch heute schien es, als hätte sich ihre Laune nicht gebessert. Mit einem langen Gesicht und vor der Brust verschränkten Armen saß sie in ihrem Stuhl und starrte düster vor sich hin. Manchmal hatte er das Gefühl, dass es für sie eine Strafe war, hier zu sein. Warum hatte sie dann überhaupt zugesagt?

 

Als Andrew zur Klappe rief, bat er Vittoria einen Moment auf Seite. Sie sprachen leise miteinander, aber Ben konnte sehen, dass sie nicht begeistert von dem war, was er von ihr wollte. So sehr er sich auch bemühte, sie im Team zu integrieren, jedes Mal schien es, als mache er es nur noch schlimmer. Und tatsächlich wünschte sie sich mit jeder weiteren Bitte des Regisseurs weiter weg von alle dem.

 

„Das geht entschieden zu weit!“, keifte sie ihn an und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Es reicht schon, dass du mich hierher geschliffen hast. Musst du mich jetzt auch noch demütigen?“

 

Andrew seufzte tief. Er hatte Gegenwehr erwartet. Wieso auch war er auf diese Schnapsidee gekommen? Mal abgesehen davon, dass er ihr einen Gefallen damit tun wollte, ihr die Kreation ihrer Lieblingsfigur Riepischiep zu überlassen. „Vittoria, bitte, tu mir den Gefallen. Außerdem ist es sicherlich nicht so schlimm, wie du es dir vielleicht jetzt vorstellst. Du könntest mir damit wirklich einen großen Gefallen tun.“

 

„Wieso tust du es nicht selber?“, sagte sie und senkte ihre Stimme, als sie merkte, dass sie schon angestarrt wurden. Andrew wollte jedoch nicht nachgeben und sah sie mit großen Augen an. Wenn er gekonnt hätte, hätte er gewinselt. Doch auf diese Ebene wollte er sich nun wirklich nicht herablassen. Eigentlich tat er ihr einen Gefallen. Wie oft kam es vor, dass der Autor so in das Team integriert wurde. Normalerweise erschien er eigentlich gar nicht zu den Dreharbeiten.

 

Auch Vittoria wusste, dass sie ihm etwas schuldete. Obwohl sie nie darum gebeten hatte, bevorzugt behandelt zu werden. Doch sie würde es Andrew in keinem Fall ausschlagen können, wenn man sie zukünftig nicht als Diva betiteln wollte. Wahrscheinlich tat das manch einer schon jetzt. Ergeben seufzte sie schließlich und ließ die Arme sinken. „Was soll ich tun?“ Andrew grinste sie an.

 

Wenig später stand sie bis zu den Knien im Farn und starrte Ben, der ihr gegenüber stand, finster an. Dieser beachtete sie jedoch gar nicht, sondern ging im Kopf noch einmal seinen Text durch. Sie würden nur eine knappe halbe Stunde haben, bevor es zu dunkel wurde. Und auf künstliches Licht konnten sie sich in diesem Fall nicht verlasen. Das hätte in einem Wald weit abseits von jeglichem elektrischen Licht mehr als unwirklich gewirkt.

 

Vittoria betrachtete ihn nun etwas genauer. Da er darauf nicht reagierte, wie er es sonst tat, nämlich mit einem garstigen Blick und blöden Sprüchen, konnte sie ihn sich nun zum ersten genauer ansehen. Er hatte ein nettes Gesicht, was allerdings durch die Extensions etwas zu länglich wirkte. Die künstlich verlängerten Haare wirkten im Allgemeinen etwas zu weibisch, wie sie fand. Doch er konnte es tragen.

 

Was sie allerdings am meisten faszinierte waren seine Augen. Schon immer hatte sie Männer mit braunen Augen anziehend gefunden und er bildete da keine Ausnahme. Doch so nett sein Äußeres auch war, so nervtötend fand sie seine Art. Für sein Alter wirkte er unglaublich verbissen, als wollte er mit aller Macht erwachsen wirken. Und diese ständigen Streitereien, die sich teilweise anhörten, als würden Kleinkinder sie führen, verstärkten dieses Bild von ihm noch. Sie hatte das Recht zickig zu sein. Sie war eine Frau. Wenn ein Mann sich so benahm, wirkte das nur lächerlich.

 

Andrew klatschte in die Hände und holte sie damit aus ihren Gedanken heraus. „So, das Licht ist nun perfekt, wir können anfangen. Alles auf die Plätze!“, brüllte er und schon huschte sein Regieassistent durch die Reihen der Umstehenden und zischte jedem zu, dass er still sein und sein Handy ausschalten sollte. Hatte sie ihr Handy eigentlich mitgenommen? Meg wollte sie doch anrufen.

 

Sie verschob den Gedanken auf später und versuchte sich auf die Situation einzulassen. Das fiel ihr allerdings alles andere als leicht, weil sie immer das Gefühl hatte, mit gefilmt zu werden, was ihr überhaupt nicht gefiel. Sie hatte das Theater immer geliebt, wollte trotzdem nie selber auf der Bühne stehen. Sie hasste es, wenn alle sie anstarrten, wenn alle Scheinwerfer auf sie gerichtet waren. Schon früher als kleines Kind hatte sie sich nie filmen lassen wollen. Auch auf Fotos hatte sie sich immer versteckt. Auf der weiterführenden Schule war es ihr Ziel gewesen, unsichtbar zu sein. Und schon alleine der Tatsache wegen, dass die paar Leute hier am Set sie anstarrten, hätte sie sich liebend gerne klein wie eine Maus gemacht und wäre im Erdboden versunken.

 

„Seid ihr bereit, Ben und Vic?“ Andrew sah die beiden eindringlich an. Sie schluckte, nickte dann, achtete nicht auf Ben. Dieser reckte den Daumen in die Höhe. „Alles klar. Hintergrund“, sprach er in ein Walkie Talkie und sie konnte hören, wie sich zwischen den Bäumen etwas rührte. Dann sah er wieder sie an. „Fertig. Ruhe am Set! Und Action!“

 

Ben begann zwischen den Bäumen auf sie zuzurennen. Hinter ihm konnte sie sehen, wie sich die Statisten hinter ihm hermachten und dabei einen ungeheuerlichen Lärm erzeugten. Mit der Ruhe war es spätestens jetzt vorbei.

 

Auf Andrews Zeichen hin war er losgelaufen. Seine Intention war es, vor den Wachen seines bösen Onkels zu fliehen, die ihn töten würden, sobald sie ihn zu fassen bekamen. Er musste nur ein Stück rennen, doch selbst das bereitete ihm auf dem unebenen Waldboden im Dämmerlicht schon Probleme. Er musste immer wieder über die Schulter schauen und einen möglichst gehetzten Blick aufsetzten, was ihm auch nicht weiter schwerfiel. Doch als er gerade wieder einmal nach hinten sah, verfing sich sein rechter Fuß in einer Wurzel und er flog mit dem Gesicht voraus im hohen Bogen hin, Vittoria genau vor die Füße.

 

Diese hatte sich die Hände vor den Mund geschlagen, als sie gesehen hatte, dass er stürzte. Doch als sie sah, dass kein Blut aus seiner Nase floss, stieg sie über ihn hinweg und wollte das Set schon verlassen. Andrew rief dem Kameramann „Schnitt“ zu und eilte zu Ben. Im Vorbeigehen packte er Vittoria am Arm und zerrte sie wieder zurück. Schnell kniete er sich neben seinen Schauspieler und besah sich das Malheur. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er besorgt und fasste Ben ins Gesicht.

 

Der biss sich auf die Zunge und versuchte zu lächeln. „Nichts passiert“, presste er zwischen den Zähnen hervor, doch seine aufgeplatzte Lippe sagte etwas anderes. „Na, schon gut“, sagte Andrew und klopfte ihm vorsichtig auf die Schulter. „Wir brechen dann für heute ab. Vic, du kümmerst dich um ihn.“

 

Beiden entglitten gleichzeitig die Gesichtszüge. Wäre Ben nicht ohnehin schon blass gewesen, wäre er es jetzt geworden. Vittoria hingegen lief rot an, wagte jedoch nicht zu widersprechen. Während das restliche Team zusammenpackte, halft sie dem Gestürzten vorsichtig auf die Beine und stützte ihn zurück zur Maske. Dort setzte sie ihn in einen Stuhl. Die Visagistin war bereits gegangen, also war der Wohnwagen leer.

 

„Du brauchst dich nicht um mich zu kümmern, wenn du was Besseres vorhast“, sagte Ben und zog sich die unbequemen Stiefel aus. Sein Kopf hämmerte von dem Sturz und seine Lippe brannte. Er schmeckte Blut. Vittoria ignorierte seine Bemerkung und begann in den Kisten nach Desinfektionsspray und Pflastern zu suchen. Sie musste es ihm ja nicht auf die Nase binden, dass sie lieber in einem Haufen Feuerameisen gesessen hätte, als seine blutende Lippe zu versorgen. Männer stellten sich sowieso immer schrecklich mädchenhaft an, wenn es um so etwas ging.

 

Endlich hatte sie gefunden, wonach sie gesucht hatte. Sie sprühte etwas von dem Spray auf einen Wattebausch und kam auf ihn zu. Er betrachtete sie skeptisch, während sie vor ihm in die Knie ging und ihre Hand zu seinem Gesicht hob. Als das scharfe Mittel seine frische Wunde berührte, zog er zischend die Luft zwischen den Zähnen ein, sagte jedoch nichts.

 

Ihr Gesicht kam seinem immer näher, denn die Wunde war nicht groß, blutete aber, wie jede Kopfwunde, stark. Bald war die Watte vollgesaugt und sie musste eine neue nehmen. Langsam blutete es weniger und sie konnte es besser sehen. Wenn er Pech hatte, würde er morgen einen schönen blauen Fleck haben. „Jetzt passt deine dicke Lippe wenigstens zu deinem großen Mundwerk“, sagte sie.

 

Wütend riss er ihr die neue Watte aus der Hand, drehte sich zum Spiegel um und versuchte selber die Wunde zu säubern. Wenn man sich die Lippe am Waldboden aufschlug, war es eher selten, dass kein Dreck hineinkam. „Wenn du Ärger willst, such dir jemand anderen. Ich bin nicht in der Stimmung, mich zu prügeln“, fauchte er und nahm ihr auch das Spray ab. Ohne richtig darüber nachzudenken, was er tat, sprühte er sich etwas von dem Zeug auf die Lippe. Er fluchte, als er etwas in die Augen bekam und sprang auf. Dabei stieß er mit dem Fuß gegen eine schwere Kiste und schlug sich den Zeh an.

 

Er fluchte noch lauter, hüpfte nun auf einem Bein und mit einem Auge durch den Wohnwagen und schimpfte auf sich, auf die Wurzel, die Kiste, auf einfach alles. Vittoria sah sich das Schauspiel ein paar Sekunden an, dann hatte sie genug. Sie packte ihn am Oberarm und zerrte ihn zurück in den Stuhl. „Entweder lässt du dir nun von mir helfen, oder ich erinnere mich daran, dass meine Wanne zu Hause mit einem Schaumbad auf mich wartet.“

 

Widerwillig nickte er, das rechte Auge zugekniffen und tränend. Er kam sich unglaublich dumm vor. Wieso befand er sich jetzt in dieser Situation, in der er sich von ihr helfen lassen musste? Genervt schob er ihre Hand weg. Er musste aus diesem Kostüm raus. Vorsichtig löste er die Spangen an seiner Kleidung und schlüpfte hinaus. Auch das weiße, übergroße Unterhemd zog er aus, bis er nur noch in Hose und Socken vor ihr stand. Belustig sah sie ihn an. „Du kannst dich auch gleich ganz ausziehen. Dann sind wir wenigstens wieder quitt“, sagte sie und deutete auf seine mittelalterlichen Beinkleider.

 

Völlig entnervt warf er die Hände in die Luft. „Wann hörst du endlich damit auf?“

 

Sie sah ihn an, als habe er sie gerade gefragt, welche Farbe der Himmel habe. „Niemals?“, sagte sie und nahm sich noch ein Stück Watte. „Setz dich, ich bin gleich fertig.“ Dass er sauer war, war nicht zu übersehen. Allerdings konnte er seine Enttäuschung gut verstecken, denn er hatte gehofft, mit diesem Theater endlich den Streit über Bord geworfen zu haben. Doch offensichtlich war sie sehr nachtragend und pochte immer noch auf einer Entschuldigung. Aber die würde er ihr nicht geben. Zuerst würde sie sich für die Beule an seinem Kopf entschuldigen müssen, bevor er auch überhaupt nur darüber nachdachte, sich ebenfalls zu entschuldigen.

 

Wieder nahm er im Stuhl platz und sie rückte näher an ihn heran. Sie beugte sich vor, bis ihre Nasenspitze beinahe an sein Kinn stieß. Ihr Atem streichelte über seinen Hals und seine Schlüsselbeine und die kleinen Härchen dort richteten sich auf. Eine wohlige Gänsehaut überzog ihn.

 

Um besseren Halt zu haben stützte sie sich mit der linken Hand auf seinem Knie ab. Sie spürte, wie er ein bisschen zurückzuckte, sich dann aber nicht mehr bewegte. Wenn das jemand sehen würde, dachte sie, würde man das garantiert falsch verstehen.

 

Ihre ganze Konzentration galt der kleinen Wunde auf seiner Unterlippe, und so bemerkte sie auch gar nicht, dass er sie die ganze Zeit über anstarrte, als sähe er sie zum ersten Mal.

 

„So“, hauchte sie, blies leicht auf seine Lippe, drückte ein winziges Pflaster darauf und erhob sich. „Das war’s!“ Sie klatschte in die Hände und er kehrte in die Realität zurück. Den Müll warf sie in den Papierkorb. „Deine Lippe sieht aus wie neu. Wenn du heute Nacht im Schlaf nicht drauf rumkaust, kannst du morgen wieder drehen, Prinzesschen. Gute Nacht.“ Sie drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort durch die Tür, ließ ihn verdutzt in seinem Stuhl zurück.

 

Am nächsten Abend ging alles wieder auf Anfang zurück. Andrew sah sich die Wunde an Bens Lippe an, musste aber feststellen, dass die Maskenbildnerin die blauen Flecke gut versteckt hatte. Er wollte ihn spielen lassen und so stellten sich alle auf, auch Vittoria, die immer noch missmutig darüber war. Die Klappe fiel und die Soldaten im Hintergrund begannen auf ihn zuzulaufen.

 

Der erste Versuch lief ganz passabel ab. Auch wenn Vittoria nicht wirklich viel Einsatz zeigte, so zeigte Ben umso mehr Enthusiasmus, als wolle er ihre Unbeteiligtheit wieder wettmachen. Und obwohl es für das erste Mal ganz gut war, reichte Andrew das noch nicht. Er mochte es nicht, wenn man sich auf etwas zu sehr verließ. Deswegen stellte er alle auf Anfang und ließ die Klappe erneut klatschen.

 

Ein Klingelton unterbrach den zweiten Versuch fast genau zum Ende hin. Alle sahen sich um, bis ihre Blicke schließlich auf Vittoria hängen blieben. Sie begriff erst gar nicht, dass es ihr Telefon war, doch als alle sie anstarrten griff sie schnell in ihre Hosentasche und zog es heraus. „Pronto“, sagte sie und wandte sich ab. Entsetzt sah Ben sie an, zeigte auf sie und warf Andrew eindeutige Blicke zu.

 

„Meg?“, fragte Vittoria in den Hörer hinein. „Was ist denn passiert? Ist alles in Ordnung? Calmati. Smetti di fare piangere!“ Es folgten schnelle Worte auf Italienisch, die er nicht verstehen konnte, doch ihr Gesicht zeigte eindeutige Besorgnis. Tiefe Falten bildeten sich auf ihrer Stirn und ihr Mund verzog sich zu einer traurigen Grimasse. Vermutlich war zu Hause etwas passiert.

 

Als Vittoria das Telefonat annahm und keine Anstalten machte, sich wieder dem Dreh zuzuwenden, brach Andrew ab. Sie hatten eine Szene immerhin geschafft. Das Material würde er sich gleich ansehen und morgen dann hoffentlich endlich etwas Vernünftiges zustande bringen. So konnte das nicht weitergehen. Wenn jedes Mal etwas passierte, würde sich der Drehplan nach hinten verzögern und er würde seine Termine nicht halten können. Fluchend packte er seine Sachen zusammen.

 

Doch der nächste Drehtag verlief nicht besser. Vittoria hatte von ihrer besten Freundin Meg gehört, dass deren Bruder im Krankenhaus lag, weil er angefahren worden war. Natürlich war die Autorin deswegen mit ihren Gedanken ganz woanders und verpasste ständig ihren Einsatz. Als es jedoch endlich einmal zu klappen schien, brach sie die Szene mitten drin ab.

 

Wütend sprang Andrew aus seinem Stuhl. „Was ist denn jetzt schon wieder los?!“, brüllte er und kam auf die beiden zugestampft. Ben lag am Boden zwischen dem Farn, Vittoria stand über ihm und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. „Er hat mich angesehen!“, rief sie zu ihm rüber.

 

Andrew warf die Hände in die Luft. „Großer Gott!“, fluchte er leise. Als er bei ihnen war, rang er nach Worten. Er musste sich zusammenreißen, dass er sie nicht gleich schüttelte, bis sie wieder zur Vernunft kam. Langsam ging ihm dieses Gezicke auf den Geist. Hätte er sie doch nur nie dazu überredet, warf er sich selber vor, scheute aber gleich wieder vor seinen eigenen Gedanken zurück. Er hatte es selber so gewollt und auch wenn es mittlerweile zwischen ihr und Ben nur noch Streit gab, stand er trotzdem noch zu seiner Entscheidung. Er atmete ein paar Mal tief durch, dann sah er sie an. „Und was genau ist jetzt das Problem?“

 

„Er hat mich angesehen“, wiederholte sie, als gäbe es nichts Normaleres auf der Welt. Er packte sich an die Stirn, sah Ben, der immer noch am Boden lag, an und danach wieder sie. „Vic, es ist ein Schauspiel“, betonte er. „Ihr müsst miteinander agieren.“

 

Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn an, als wäre er drei Jahre alt und hätte gerade versucht, etwas aus der Keksdose zu stehlen. „Müssen wir eben nicht“, sagte sie. „Ich bin eine Maus. Zwar eine außergewöhnlich große, aber eben nur eine Maus. Wenn ich über ihm stehe, hat er mir nicht in die Augen zu gucken, sondern muss dorthin gucken, wo seiner Meinung nach die Augen der Maus sind, die ihm auf der Brust steht. Oder etwa nicht?“

 

Genervt massierte er sich die Schläfen, als Ben sich einmischte. „Musst du dann gleich den Take unterbrechen?“, sagte er vom Boden aus. „Du hättest mich auch nett drauf hinweisen können, anstatt hier alle durch die Gegend zu scheuchen wie eine Irre. So läuft das hier nicht. Jetzt können wir alles noch mal machen.“ Er wollte schon wieder aufstehen, aber Andrew bedeutete ihm liegen zu bleiben.

 

„Das Material bis hierhin ist gut“, sagte er und wandte sich wieder ab. „Wir machen einfach da weiter, wo wir gerade aufgehört haben.“ Dann drehte er sich noch einmal um und zeigte mit dem Finger erst auf Ben, dann eindringlicher auf Vittoria. „Und dieses Mal will ich keine Unterbrechungen mehr, verstanden? Von keinem von euch!“

 

Irgendwie schafften es beide, jeder auf seine eigene Art, ihn zum Kochen zu bringen. Er wusste nicht wieso, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass er für das, was er in seinen letzten Leben alles verbrochen hatte, nun mit diesen beiden Quälgeistern geschlagen war. Sie waren wie Hund und Katze zueinander. Und er hasste es, wenn so etwas genau unter seiner Nase stattfand. Er musste einen Weg finden, um die beiden endlich miteinander zu versöhnen. Doch vermutlich würde eher der Himmel in Flammen aufgehen und die Hölle zufrieren, als dass Ben Barnes ein normales Wort mit Vittoria Marconi wechselte.

 

Andrew seufzte tief, als er sich wieder in seinen Stuhl sinken ließ. Hoffentlich würde zumindest für diesen Tag kein Missgeschick mehr passieren.

© by LilórienSilme 2015

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