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Kapitel 7

~ In den Minen

 

Der Wächter vor den Toren hatte uns ziemliche Angst eingejagt, doch wir versuchten ruhig zu bleiben. Leider war dies nicht so einfach, in Anbetracht der ganzen Leichen, die unseren Weg bedeckten. Ihre Zahl schien unendlich, als ich dem Schein von Gandalfs Licht in die Dunkelheit folgte. Was würde uns wohl hier erwarten, wenn wir erst einmal tief im Bauche des Berges waren und der Ausgang noch fern war?

 

Gandalf ging voraus, denn nur er hatte Licht. So konnten wir versuchen, auf sicherem Boden zu kaufen, denn so wie die toten Körper aussahen, hatten die Zwerge schon vor langer Zeit aufgehört, sich um das Gestein zu sorgen. Wir mussten also vorsichtig sein, wohin wir unsere Schritte setzten.

 

„Seid wachsam“, sagte Gandalf, als er seine Schritte voran lenkte. „Es gibt in den Tiefen der Welt noch ältere und gemeinere Geschöpfe als Orks.“ Wir anderen folgten ihm, doch nicht ohne einen gewaltigen Kloß im Hals, der uns wohl auf dem gesamten Wege begleiten würde. „Still jetzt! Bis zur anderen Seite ist es ein Fußmarsch von vier Tagen. Lasst uns hoffen, dass unsere Gegenwart unbemerkt bleibt.“

 

Anfangs setzten wir jeden unserer Schritte vorsichtig und bedacht. Wir suchten erst mit den Augen und Füßen den Boden ab, um sicher zu gehen, dass der Weg auch sicher war Doch mit der Zeit wurden die Schritte sicherer und wir kamen schneller voran. Trotzdem verschwand die Furcht nicht, die in unseren Herzen lag. Zumindest lag sie tief in meinem und ich konnte mir schwer vorstellen, dass nicht auch die Anderen ein gewisses Unbehagen fühlten, als die Dunkelheit uns umschloss.

 

Gandalf führte uns sicher und wir vertrauten ihm blind, dass er uns auf richtigem Wege sicher nach draußen geleiten würde. Er zeigte uns viel und jedes Mal waren wir erstaunt, was Zwerge alles vollbringen können. Denn die Höhlen, durch die wir liefen, waren riesig. Es musste Jahrhunderte gedauert haben, bis sie so aussahen wie jetzt. Wie konnte man dies nur schaffen? Natürlich, wir Elben bauten Häuser auf Bäumen, aber das war nun wirklich keine große Sache. Die Zwerge aber schufen ganze Städte unter der Erde! Wie, bei Melkor, war dies nur möglich?

 

Brücken überzogen tiefe Schluchten, Treppen führten in schwindlige Höhen hinauf. Sobald Gandalf seinen Stab ein bisschen höher hob, glitzerte es überall. An jeder schwer erreichbaren Stelle waren Leitern aufgestellt und Eimer hingen an langen Seilen in Löcher hinein. Wie geschäftig die Zwerge wohl gewesen waren hier in ihrem Element aus Fels und Gestein? Denn selbst jede kleinste Öffnung, die als Tür diente, war rundum mit einem seltsam schönen Muster verziert. Oder Runen beschrieben, was sich dahin verbarg.

 

Wir stiegen eine Treppe hinab und wieder hinauf, bis wir zu einem großen Loch kamen, an dem die Zwerge wohl zuletzt gearbeitet hatten. Denn hier standen mehr Leitern als irgendwo sonst und Eimer in Hülle und Fülle hingen von den Wänden hinunter in die Grube. Gandalf blieb stehen und betastet die Wände, die durchbrochen wurden von Adern aus Licht.

 

„Der Reichtum Morias“, sagte der Zauberer, „beruht nicht auf Gold oder Edelsteinen.“ Ich trat näher an die Wand heran und versuchte zu erkennen, was den Fels dort durchzog. Fasziniert wanderten meine Augen auf und ab. „Sondern auf mithril.“ Ich machte große Augen, als ich das hörte. Waren diese Adern etwa pures mithril, jenes wertvolle und seltene Metall mit diesen außergewöhnlichen Fähigkeiten?

 

Ich drehte mich um und wollte Gandalf danach fragen, doch er stand nicht mehr neben mir. Ich erschrak leicht, als ich Legolas vor mir sah. Der Zauberer hatte sich an den Rand der Grube gestellt und hielt seinen Stab hoch, so dass dessen Licht sich in das Loch unter uns ergoss. Sofort kam das Licht tausendfach zurück und es blendete uns beinahe nach dieser langen Dunkelheit. Erstaunt rissen wir trotzdem die Augen auf und blickten hinunter.

 

Unter uns tat sich ein riesiges Bergwerk auf, mit allem was dazu gehörte. Das Metall warf das Licht des Stabes zurück und schickte es in die Tiefe. Doch das Werk war so groß, dass wir den Grund nicht ausmachen konnten, wenn es überhaupt einen gab. Der Anblick an sich war so gewaltig und zauberhaft, dass ich für einen kurzen Moment die Schönheit der Bäume und des Meeres vergaß. Dann wurde es wieder dunkel.

 

„Bilbo hatte einen Harnisch aus Mithrilringen, den Thorin ihm geschenkt hatte“, sagte Gandalf, als er seinen Weg wieder fortsetzte.

 

„Ah, ein königliches Geschenk“, stellte Gimli erstaunt aber nicht ohne Neid fest. Wahrscheinlich hätte jeder Zwerg so eines besitzen wollen.

 

„Ja!“ Gandalf sprach erfreut weiter. Vermutlich ahnte er wieder einmal etwas. „Ich habe es ihm niemals gesagt, aber er war mehr wert als das ganze Auenland.“ Man kam nicht umhin, das Grinsen im Gesicht des Zauberers zu überhören, als er diese Worte sprach. Später fragte ich mich, was es wohl für ein Gefühl für Frodo gewesen sein mochte, als er diese Worte hörte. Ja, was war es für ein Gefühl, etwas am Leibe zu tragen, was mehr wert war, als die Heimat, aus der man stammte?

 

~*~*~*~

 

Wir erklommen eine sehr steile Treppe am Anfang des dritten Tages. Ich kletterte zum Schluss hinauf, denn so konnte ich meine Kapuze ein wenig zurücknehmen, um einen besseren Blick auf meinen Weg zu haben. Ich wollte schließlich auch nicht hinunterfallen.

 

Als wir etwa auf der Mitte waren, rutschte Pippin auf einem alten Buch aus und stieß gegen Merry. Die beiden waren etwas zurückgefallen, weil sie nicht besonders gut waren im Klettern. Merry wollte seinen Freund halten, doch es gelang ihm nicht besonders. Er rutschte auch ein Stück tiefer. Doch ich war schon neben ihm, packte ihn an der Hüfte und verhalf ihm zu sicherem Stand. Erstaunt blickte er zur Seite, wer ihm geholfen hatte, und schaute geradewegs in mein Gesicht. Ich hatte die Kapuze noch ein Stück weiter zurückgenommen und so konnte er nun genau sehen, dass ich kein Waldläufer, sondern eine Elbe war. Erstaunt blickte er mich mit offenem Mund an. Ich jedoch zwinkerte ihm nur zu und legte einen Finger auf meine Lippen. Dann setzte ich meinen Weg nach oben fort.

 

Ein Seufzer entrang sich meiner Kehle und ich zog meine Kapuze wieder tiefer. Zu gefährlich war es, entdeckt zu werden. Besonders jetzt, in der Dunkelheit. So würde ich mir sicher kein Vertrauen erkaufen können bei den Gefährten.

 

Als wir am oben Absatz der Treppe angelangt waren, blieb Gandalf stehen. Sein Blick wanderte zur gegenüber liegenden Wand. Dort befanden sich drei große und völlig identische Tore. Verwirrt stemmte er die Hände in die Hüften und sagte: „An diese Stelle kann ich mich nicht erinnern.“

 

Wir anderen waren ganz froh über diese Rast. So hatten wir endlich mal Zeit, ein bisschen zu verschnaufen. Denn das ständige Auf und Ab wurde mit der Zeit immer beschwerlicher. Wir zündeten ein Feuer an und Sam kochte etwas für uns. Nach dem Mahl hing jeder seinen Gedanken nach. Aragorn zündete seine Pfeife an und ich tat es ihm gleich. Zwar schmeckte der Tabak widerlich, doch ich versuchte, meine Tarnung ein bisschen zu verbessern.

 

Merry und Pippin saßen am Feuer und diskutierten. „Haben wir uns verlaufen?“, fragte Pippin, doch Merry sagte ihm, dass er still sein sollte, denn Gandalf würde nachdenken.

 

Ich jedoch dachte nicht besonders viel nach. Ich hatte die Augen geschlossen und versuchte, meine Gedanken ein wenig in Ordnung zu bringen. Die Dunkelheit war nicht gut für mich. Sie erdrückte das Licht, was ich in mir trug, von den Valar geboren. Ich sehnte mich nach dem Licht der Sonne, des Mondes und besonders der Sterne hinaus. Deswegen rief ich ein Bild in mir wach und konzentrierte mich darauf. Aber das viel mir nicht so ganz leicht, denn etwas näherte sich uns.

 

„Das ist Gollum“, hörte ich Gandalf plötzlich sagen, wie eine Antwort auf meine ungestellte Frage. Ich öffnete die Augen und sah, dass Frodo bei ihm war. Vermutlich hatte der Ringträger das Geschöpf entdeckt. „Er folgt und schon seid drei Tagen.“

 

Frodo war entsetzt über diese Aussage, das sah man ihm deutlich an. „Er ist entkommen aus den Verliesen von Barad-dûr?“

 

„Entkommen oder freigelassen.“ Der Alte sprach leise, dass niemand ihn hören konnte. Doch ich war ihnen ziemlich nahe und konnte deshalb jedes Wort hören, was gesprochen wurde.

 

Ja, es wurden viele Fehler im Bezug auf Gollum gemacht in der Vergangenheit. Man hatte ihn schon gefangen nehmen können. Doch die Elben des Düsterwaldes verstanden sich nicht sehr gut darauf, einen Gefangenen wie ihn zu haben. So konnte er entkommen. Auch als Bilbo ihm gegenüber war, hätte er ihn töten können, doch er tat es nicht. So war er nun frei jagte weiter nach dem Ring, den er 500 Jahre sein Eigen nennen konnte. Ohne ihn war er bei Weitem nicht so übel dran wie Bilbo, der ihn nur wenige Jahre getragen hatte. Denn durch die lange Zeit, die der Ring im Besitz von Gollum war, hatte er ihn so verdorben, dass er vermutlich noch viele Jahre leben würde.

 

Elrond, Gandalf und ich hatten in Bruchtal eine Unterredung über ihn und wir alle konnten sagen, dass er wohl nicht umsonst aus Düsterwald und Barad-dûr entkommen war. Vermutlich würde er noch eine größere Rolle zu spielen haben, als wir alle es gerne hätten. Und doch sagte mir mein Herz, dass wir alle froh sein würden, wenn Gollum seine Rolle gespielt haben würde, ob sie nun zum Guten oder zum Bösen war. Denn das lag noch in schwarzer Zukunft.

 

Plötzlich ertönte Gandalfs Stimme durch die kleine Halle, in der wir uns befanden: „Ah! Das ist der Weg!“ Damit überraschte er uns, denn wir hatten schon beinahe nicht mehr damit gerechnet, dass es ihm einfallen würde. Und trotzdem waren wir froh, denn der Ausgang war nun wieder ein Stück näher gerückt.

 

„Gandalf erinnert sich wieder“, sagte Merry voller Freude.

 

„Nein, das nicht“, sagte der Zauberer und ging uns voran in einer der Tunnel und wir Anderen folgten ihm freudig. „Aber die Luft ist hier nicht ganz so unangenehm. Und im Zweifelsfalle, Meriadoc, sollte man immer seiner Nase folgen.“

 

Es überkam uns wirkliche Freude, als wir endlich unseren Weg fortsetzen konnten. Denn dieser Ort wurde uns langsam wirklich unheimlich. Jede gute Nachricht machte uns etwas glücklicher und die Dunkelheit konnte unser Gemüt nicht mehr so leicht beeinflussen.

 

Als wir die Treppe, die im Tunnel lag, hinter uns gelassen hatten, kamen wir in eine riesige Halle, oder zumindest vermutete ich das, denn die Säulen, die hier standen, waren so dick wie Mallosbäume. Um sie herum wanden sich seltsame Zeichen hinauf und hier und da lagen gewaltige Felsblöcke im Weg. Gandalf blieb erneut stehen und wir sammelten uns alle um ihn herum. „Lasst mich ein wenig mehr Licht riskieren“, sagte er und ließ seinen Stab hell aufleuchten.

 

Was sich uns nun für ein Anblick bot, war wirklich das Großartigste, was ich je von Zwergen gekannt hatte und noch kennen würde. Ich habe nie wieder etwas Vergleichbares gesehen, weder in Mittelerde, noch später wieder in Valinor, außer vielleicht noch die Höhlen von Helms Klamm. Und seid dem kamen mir unsere Bäume nicht mehr so außergewöhnlich vor.

 

„Seht! Das ist das große Reich und die Stadt Zwergenbinge!“ Und vor uns tat sich eine gewaltige Halle auf, dessen Decke so hoch war, dass man das Gefühl hatte, man müsse die Spitze des Berges schon erreicht haben beim Bau. Die Säulen streckten sich nach oben wie welche, die den Himmel zu tragen hätten. Und ihre Reihen waren so endlich lag, dass man das Ende der Halle wahrlich nur erahnen konnte. Wie lange würde es wohl dauern, bis wir diese gewaltige Strecke gewandert waren? Und wie lange hatte es erst gedauert, dies alles zu erschaffen? Die Zwerge mussten wirklich wahre Meister sein. Und Sam traf es mit den Worten „Ein wahrer Augenöffner, gar keine Frage“ so genau, dass es mir ein Lächeln entlockte.

 

Staunend setzten wir unseren Weg fort durch den Wald von Steinsäulen und immer wieder wanderten meine Augen fasziniert über die Arbeiten, die in ihnen eingemeißelt waren. Jede war gleich, und doch war jede auf ihre Art verschieden. Die Maserung des Steines war einzigartig an jeder einzelnen Stelle auf jeder Säule und es war eine Freude, dies alles zu sehen.

 

Gimlis entsetzter Ausruf ließ mich herumfahren. Ich sah ihn, wie er auf eine kleine Kammer zulief, vor dessen Tore sich Leichen häuften. Wir gingen ihm hinterher und fanden einen Steinsarg, auf den ein kleiner Lichtstrahl fiel. Vorsichtig, immer darauf bedacht, keine der Leichen in und um die Kammer zu schänden, indem wir ihre letzte Ruhe störten, gingen wir auf den Sarg zu. Gimli war davor in die Knie gegangen und weinte.

 

Gandalf beugte sich über die obere Platte und las, was darauf gemeißelt war: „’Hier ruht Balin, Fundins Sohn, Herr von Moria.’ Er ist also tot. Ich hatte es gefürchtet.“ Gimli weinte nun noch mehr um seinen Vetter. Doch Gandalf hatte ein altes Buch entdeckt, das ein Zwerg noch zwischen den verwesten Fingern hielt. Er gab Merry seinen Hut und seinen Stab und zog das Buch vorsichtig heraus. Dabei fielen einige Seiten heraus.

 

Während er das Buch öffnete und den Staub von den Seiten blies, sprach Gimli ein paar Worte für seinen Vetter: „Kilmin malur ni zaram kalil ra narag. Kheled-zâram ... Balin tazlifi.“ [1]

 

Ich wurde neugierig, denn ich hatte noch nie ein Buch von den Zwergen gesehen. Ich stellte mich hinter der Zauberer und versuchte, mitzulesen.

 

Während Gandalf die letzten Seiten suchte, um zu erfahren, was hier geschehen war, hörte ich Legolas sagen: „Wir dürfen hier nicht verweilen. Wir müssen weiter.“ Und damit hatte er Recht. Denn nicht nur ihm machte diese Atmosphäre ein wenig zu schaffen. Auch bei mir stellten sich wieder die Nackenhärchen auf. Vermutlich waren immer noch die Mörder der Zwerge in diesem Berg.

 

Endlich hatte Gandalf etwas gefunden, was uns weiterbringen würde. Er las uns vor: „’Sie haben die Brücke und die zweite Halle genommen. Wir haben das Tor versperrt, können es aber nicht lange halten. Die Erde bebt. Trommeln, Trommeln in der Tiefe. Wir können nicht hinaus. Ein Schatten bewegt sich aus der Dunkelheit. Wir können nicht hinaus. Sie kommen.’“

 

Kaum hatte Gandalf geendet, drang Lärm an unsere Ohren. Erschrocken drehten wir uns um und sahen, dass Pippin etwas in einen Brunnen geworfen hatte. Seine Versuche, unschuldig auszusehen, wurden zunichte gemacht, als die Leiche des Zwerges, der auf dem Brunnen saß, auch in die Tiefe gerissen wurde. Wir hielten den Atem an, bis das letzte Geräusch verstummt war. Angst breitete sich wieder aus.

 

„Närrischer Tuk!“, brüllte Gandalf plötzlich und schlug das Buch zu, was daraufhin wieder vor Staub rieselte. „Wirf dich nächstes Mal selbst hinein, dann sind wir dich und deine Dummheit los!“ Er griff sich seinen Hut und Stab wieder und drehte sich um.

 

Doch als er sich wieder zu uns umgedreht hatte, ertönte plötzlich ein anderes Geräusch aus dem Brunnen heraus. Sofort erstarrten wir alle und lauschten. Das Geräusch wurde lauter und lauter, bis wir es identifizieren konnten: Es waren die Trommeln, Trommeln in der Tiefe.

 

Doch die Trommeln blieben nicht lange allein. Schreie ertönten in den Tiefen des Berges, schreckliche Schreie, die man nur mit Orks gleichsetzen konnte. Jetzt würde es wohl zum Kampf kommen. Boromir lief zum Tor zurück und blickte sich um. Ich lief ihm hinterher, weil ich über bessere Augen verfügte und Legolas nicht den Anschein erweckte, als würde er seine Augen einsetzen wollen. Kaum stand er dort, hörte ich ein Zischen in der Luft. Ich sprang vor und zog Boromir zurück. Einen Wimpernschlag später steckten zwei Pfeile in der Tür, wo eben noch sein Kopf gewesen war. Er drehte sich zu mir um, doch ich zeigte nur nach vorne, in die Dunkelheit hinein.

 

Aus der Kammer hörte ich Aragorn rufen, dass die Hobbits sich hinter Gandalf halten sollten, so würde ihnen nicht geschehen. Wir, das große Volk, machten uns daran, die Türen zu verbauen. Boromir, Aragorn und ich stemmten uns mit unserem ganzen Gewicht gegen die Tür und verschlossen sie. Dabei sagte der Sohn Gondors, was ich ihm gezeigt hatte: „Sie haben einen Höhlentroll.“

 

Mit Äxten und Speeren versuchten wir, die Tür zu verschließen, danach nahmen wir Kampfhaltung ein. Legolas, Aragorn und ich spannten unsere Bögen, die anderen zogen ihre Schwerter. Dann warteten wir.

 

Als die Tür zu wackeln begann, weil sich die mageren Körper der Orks dagegen warfen, sprang Gimli auf den Sarg seines Vetters und stellte sich breitbeinig hin. Er zog seine Äxte und rief: „Sollen sie kommen! Es gibt immer noch einen Zwerg in Moria, der noch nicht zu Staub zerfallen ist!“

 

Als die Orks ein kleines Loch in die brüchige Tür geschlagen hatten, schoss Legolas den ersten Pfeil ab. Danach folgten Pfeile von Aragorn und mir. Dann brach die Tür. Die widerwärtigen Geschöpfe drangen humpelnd in die Kammer und kamen uns entgegen. Wir schossen noch ein paar Pfeile ab, als wir noch Abstand zu ihnen hatten, doch dann mussten auch wir unsere Schwerter ziehen.

 

Eigentlich war es für eine Elbe ungewöhnlich, ein Langschwert zu tragen. Und meines hatte auch noch die Form eines Langschwertes der Menschen. Doch es war mir von Orome geschenkt worden und so trug ich es mit Stolz. Genau wie meinen Bogen.

 

Als wir auf die Orks prallten, hatten wir nicht allzu große Probleme mit ihnen. Sie waren zwar geschickte Kämpfer, doch wir konnten uns besser bewegen. Ich versuchte sie von den Hobbits fern zu halten, doch als auch Gandalf sich in den Kampf warf, folgten die Halblinge ihm.

 

Aragorn schlug einem Ork den Kopf ab und dessen schwarzes Blut tropfte auf meinen Mantel. Ein widerlicher Gestank breitete sich aus, den man beinahe nicht ertragen konnte. Dann plötzlich erzitterte der Boden so ungeheuer, dass es einen fast von den Füßen warf. Das Tor und der Torbogen erzitterten, dann schlug der Troll durch die Wand in die Kammer. Seine Haut war grau und zerfurcht und sein Atem stank bestialisch, als er uns anbrüllte.

 

Legolas schoss einen Pfeil auf ihn ab, doch das machte ihn wütend. Er stürmte los und schwang seine Keule nach den Hobbits, weil er nicht gesehen hatte, woher der Pfeil kam. Oder weil er einfach nur zu dumm war, es zu begreifen. Als er Sam drohte, zu zertrampeln, zogen Boromir und Aragorn an der Kette, die der Troll um den Hals trug und bewegten ihn dazu, von Sam anzulassen. Doch er schleuderte Boromir dann mit der Kette gegen die Wand.

 

Gimli warf eine Axt nach ihm, doch auch das ließ ihn nicht zu Boden stürzen. Hier hatten wir einen mächtigen Gegner vor uns und es würde sicher nicht leicht werden, ihn zu besiegen. Selbst als Legolas auf seinen hässlichen Kopf klettern konnte und einen Pfeil darin versenken konnte, ging er nicht in die Knie.

 

Plötzlich hatte er es auf Frodo abgesehen. Der Hobbit versuchte noch, ihm durch Versteckspiel zu entkommen, doch der Troll war wohl etwas schlauer, als wir es ihm zugetraut hatten. Er ging auf ihn los und drängte ihn in eine Ecke. Er griff nach ihm, doch Frodo konnte sich aus dem Griff entwenden, indem er mit seinem Schwert nach dem Arm des Trolls schlug. Aber dieses hässliche Geschöpf wollte nicht aufgeben. Es wollte mit seiner Keule nach dem Ringträger schlagen, doch Aragorn bohrte ihm einen Speer in die Brust.

 

Leider war der Waldläufer nicht stark genug gewesen und der Troll schleuderte ihn weg. Ich lief zu ihm, doch er war bewusstlos. Selbst wachrütteln haft nichts. Ich musste den Troll ablenken.

 

Doch das war gar nicht mehr nötig. Denn der Troll konzentrierte sich wieder voll und ganz auf Frodo. Die Anderen hatten die Orks mittlerweile fast alle getötet, so sahen alle zu, als der Troll sich den Speer aus der Brust zog und Frodo damit attackierte. Er konnte ein paar Mal unter dem Speer hinwegtauchen, doch dann war er wieder in die Enge getrieben. Das nutzte der Troll aus und stach zu. Ich riss vor Entsetzen die Augen auf. Ein Schrei entrang sich meiner Kehle, dann stürzten sich Merry und Pippin auf den Troll.

 

Ich wollte zu Frodo rennen, doch ein Ork stellte sich mir in den Weg. Ich schlug ihm den Kopf ab, bekam aber von einem anderen einen Schlag auf den Kopf verpasst. Ich sah nicht mehr, wie der Troll durch Legolas’ letzten Pfeil fiel, ich spürte nur seinen dumpfen Aufschlag. Dann kehrten meine Sinne zurück. Ich sah, wie Aragorn Frodo umdrehte und wie Frodo atmete. Und wie er sein Kettenhemd aus mithril entblößte.

 

Doch die Orks, die wir hier besiegt hatten, waren nicht alle gewesen, die sich in den Höhlen mit uns befanden. Noch mehr ihrer Schreie hallten von den Steinwänden wider und ihre Schatten tanzten bereits an den Wänden. Deshalb rief Gandalf, so sehr wir uns auch über diesen kleinen Sieg freuten: „Zur Brücke von Khazad-dûm!“

 

Wir eilten aus der kleinen Kammer zurück in die große Halle. Die Orks waren uns dicht auf den Fersen und als wir schon ein Stück weit in der Halle waren, sahen wir plötzlich, wie sie von allen Seiten auf uns einströmten. Selbst von oben durch ein Loch in der Decke kamen sie gekrochen wie niedere Insekten und umzingelten uns. Wir saßen in der Falle, doch wir würden nicht so leicht aufgeben. Wir hielten unsere Waffen hoch und waren bereit zum Kampf.

 

Ein dumpfes Grollen lenkte unsere und die Aufmerksamkeit der Orks in eine andere Richtung. An einem Ende der Halle begann es plötzlich hell auszuleuchten, wie von einem großen Feuer. Ohne Ankündigung strömten die Orks plötzlich auseinander, schrieen und ihre Schatten verloren sich in der Dunkelheit. Gimli freute sich darüber, doch mir machte es Angst. Wovor flohen diese Geschöpfe?

 

Diese Frage stellte sich auch Boromir, als der Schein des Feuers immer näher kam. „Was ist das für eine neue Teufelei?“, fragte er, als die anderen es auch bemerkt hatten.

 

Gandalf schloss die Augen und horchte. Ich tat es ihm gleich, doch ich konnte mich nicht konzentrieren, zu sehr brannte das Feuer in meinem Geiste und blockierte ihn. Ich riss die Augen wieder auf und wartete, was der Zauberer zu sagen hatte. „Ein Balrog“, sagte er und ich musste mich zusammenreißen, dass ich nicht gleich vor Schreck den Verstand verlor. Solch einen Dämon hätte ich hier beim besten Willen nicht vermutet. Ich hatte sogar daran gezweifelt, dass es überhaupt noch welche gab.

 

„Ein Dämon aus der alten Welt“, sagte Gandalf. Furcht erfasste jetzt jeden von uns, sogar Gimli. „Ein Feind, gegen den ihr nichts ausrichten könnt. Lauft!“ Auf sein Zeichen hin liefen wir, ungeachtet des Weges, ob wir ins Straucheln oder Stolpern kamen, wir liefen immer weiter, durch eine Türe und eine Treppe hinunter. Boromir wäre beinahe in die Tiefe vor ihm gestürzt, denn die Treppe, die dort der Weg zur Brücke sein sollte, war eingestürzt. Legolas konnte ihn abfangen, doch jetzt mussten wir einen Umweg gehen.

 

Gandalf war mit seinen Kräften beinahe am Ende, wie es mir schien, denn er sagte: „Führe du sie weiter Aragorn. Die Brücke ist nahe. – Tu, was ich sage! Schwerter nützen hier nichts mehr.“ Wir liefen über eine andere Treppe und augenblicklich jagten Pfeile auf uns zu. Wir duckten uns und konnten ihnen entkommen. Das einzige Problem war das Loch in der Treppe vor uns. Nur mit Schwierigkeiten, ob man einen Zwerg werfen, wo man ihn retten durfte, ob man ihn am Bart ziehen durfte oder nicht, konnten wir es überqueren und auf die Brücke zulaufen. Ich konnte die frische Luft schon beinahe riechen.

 

Einer nach dem Anderen lief nun über die Brücke. Als ich als Letzte hinübergehen sollte, blieb ich jedoch stehen. Ich sah Gandalf noch nicht auf der anderen Seite. Ich blickte mich um und sah ihn neben mir stehen. Ich sah ihn an. „Was habt Ihr vor?“, fragte ich ihn voller Entsetzen, obwohl ich schon ahnte, was passieren würde.

 

„Gehe weiter und bleib nicht stehen. Schau nicht zurück“, sagte er, dann schob er mich weiter und drehte sich zu seinem Feind um, der schon bedenklich nahe war. Schweren Herzens, mit der Hoffnung, dass er wüsste, was er tue, lief ich ebenfalls über die Brücke und kam auf der anderen Seite an.

 

Dann trat der Balrog aus den Flammen. Er war riesig, bestand nur aus Hitze, hatte gewaltige Schwingen auf den Rücken und sein Kopf war gehörnt wie ein Teufel. Sein heißer Atem verbrannte alles. Doch Gandalf stellte sich ihm in den Weg. Er stellte sich mitten auf die schmale Brücke und blickte seinem Feind ins Gesicht. „Du kannst nicht vorbei!“, rief der Zauberer voller Mut. Der Dämon bäumte sich auf, entflammte seinen Körper, doch das beeindruckte ihn nicht. „Ich bin ein Diener des geheimen Feuers, Gebieter über die Flamme von Anor. Das dunkle Feuer wird dir nichts nützen, Flamme von Udûn!“

 

Gandalfs Stab leuchtete auf, die flammende Klinge des Dämons sauste auf ihn nieder, doch ein weißes Licht wehrte das Feuer ab. „Geh zurück zu den Schatten“, sagte Gandalf. Eigentlich hätten wir fliehen sollen, wie er es uns gesagt hatte, doch wir konnten nicht gehen, wo er in größter Not war. „Du kannst nicht vorbei!“, rief er erneut, dieses Mal noch lauter, und stieß seinen Stab auf die Brücke nieder, dass es einen hellen Lichtblitz gab. Der Dämon ließ sich davon nicht beeindrucken und trat auf ihn zu.

 

In diesem Moment gab die Brücke nach. Der Balrog stürzte in die Tiefe. Erleichtert atmeten wir alle aus. Doch dann schnellte die flammende Peitsche aus dem Abgrund hoch, packte Gandalf am Knöchel und riss ihn hinunter. Er konnte sich noch am Rande festklammern, doch jeder Versuch, wieder hochzukommen, war vergeblich. Frodo schrie nach ihm. Dann wurde es auf einmal ganz still und selbst die Hobbits konnten verstehen, welche Worte er nun an uns richtete, obwohl sie geflüstert waren: „Flieht, ihr Narren.“ Dann ließ er los.

 

Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist das helle Licht der Sonne, als wir wieder draußen waren. Noch immer hallten die Schreie Frodos in meinem Kopf wider und Tränen rannen über unsere Gesichter. Aber das Alles änderte nichts an der Tatsache, dass Gandalf der Graue nun tot war.

 

 

~~*~~*~~*~~*~~*~~

 

[1] Leider nicht übersetzbar, weil es das Khuzdul, die Zwergensprache, wohl nur imitieren soll. Es kommen nur die Wörter zaram (See), narag (schwarz) und Kheled-zâram (Spiegelsee) darin vor. Was das jedoch bedeuten soll, weiß man leider nicht.

© by LilórienSilme 2015

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