LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 36
~ Step by Step
And there's a road I have to follow
A place I have to go
But no one told me just how to get there
Die Woche ohne Joe war nicht viel anders als mit ihr, da sie meist nur still in der Ecke gestanden und alles beobachtet hatte. Trotzdem spürte Dean ihre Abwesenheit wie einen Splitter im Finger. Die Sache mit ihnen im Auto machte ihm immer noch zu schaffen und er überlegte fieberhaft, ob er tatsächlich mal bei ihr vorbeifahren sollte. Doch jedes Mal, wenn er vom Abschminken zurückkam und sich entscheiden musste, ob er nach Hause fuhr oder zu Joe, fiel seine Entscheidung zugunsten seiner eigenen Vier Wände aus.
Am Samstag schließlich, als die letzte Klappe fiel, machte er sich mit gemischten Gefühlen auf den Weg nach Auckland. Er verabschiedete sich ziemlich einsilbig von seinen Freunden und versprach sich natürlich sofort zu melden, wenn er angekommen war. Als er Aidan kurz die Hand gab, spürte er, dass sein Filmbruder ihm etwas gegeben hatte. Die braunen Augen blitzten schelmisch.
Batman wartete bereits auf dem Beifahrersitz auf ihn und wirkte seltsam aufgeregt. Für einen Hund genoss er die langen Autofahrten immer viel zu sehr. Doch er musste ja auch nur seine Nase aus dem Fenster halten und alle paar Stunden mal Laut geben, dass er sich gerne die Beine vertreten würde. Dean hingegen musste nun über sieben Stunden hinter dem Steuer sitzen und möglichst konzentriert bleiben.
Das fiel ihm nicht besonders leicht dieses Mal. Normalerweise genoss er solche Fahrten genauso sehr wie sein Hund. Heute allerdings war er die ganze Zeit damit beschäftigt, was zwischen ihm und Joe geschehen war. Oder was eben nicht geschehen war.
Bevor er den Motor startete, nahm er das Stück Papier aus seiner Hosentasche, das von Aidan stammte. Er faltete es auseinander und entdeckte eine Telefonnummer darauf. Darunter stand schlicht: „Ruf sie an!“
Dean musste grinsen. Wie hatte Aidan es nur geschafft, Joe ihre nagelneue Handynummer abzuluchsen? Diesem Mann konnte wirklich keine Frau widerstehen. Manchmal wünschte er sich, er hätte eine ähnliche Wirkung auf das weibliche Geschlecht. Doch dann dachte er wieder, dass er bisher schließlich auch keine hässlichen Freundinnen gehabt hatte. Außerdem interessierte ihn im Moment sowieso nur eine Frau.
Die erholte sich dank Emilys Fürsorge langsam von ihrer Krankheit und konnte am Sonntag, als Dean bereits in Auckland angekommen war, sogar schon wieder vor die Tür gehen. Der Hals machte ihr zwar immer noch einige Probleme, doch da sie sowieso nicht viel sprach, würde sie sich einfach einen dicken Schal umwickeln und weiter ihre Halstabletten lutschen.
So ausgestattet kam sie am Montag auch wieder in den Studios an, meldete sich bei Peter, dass sie wieder einsatzfähig war, und wurde von ihm gleich in die Verwaltung geschickt, wo sie sich ihre Liste abzuholen hatte. Diese war dazu da, um die Kostüme zu ordnen und zu listen, damit sie anschließend möglichst vollständig in Container verstaut werden konnten.
„Puh“, machte sie, als sie das Klemmbrett erhielt und sah, wie viel das war. Das würde einen Haufen Arbeit bedeuten. Hilary, die Listen-Beauftragte, sagte ihr auch gleich, wo sie die Container finden konnte, die sie benutzen sollte, und schickte sie zurück zum Art Department.
Dahinter, im Bereich, wo die Stallungen für die Tiere untergebracht waren, wurde Joe schließlich fündig. Mit gezücktem Stift schritt sie die Reihe der Behälter ab und notierte sich die Zahl. Später würde sie sich ausrechnen müssen, ob das auch tatsächlich alles reichte. Außerdem stand auf ihrer Checkliste, dass sie bitte überlegen sollte, wie viele LKW sie für den Transport benötigen würde.
Doch nun wollte sie erst wieder in ihr Büro gehen, um dort noch ein paar Entwürfe zu verbessern. Abends hatte sie sich mit Emily verabredet, die für sie kochen wollte. Darüber war Joe ziemlich erleichtert, weil sie der Tag doch noch ziemlich angestrengt hatte. So musste sie sich nur an den gedeckten Tisch setzen.
„Aidan und Richard haben dich beim Mittagessen vermisst“, sagte Emily, als sie beim Nachtisch angekommen waren.
„Ja“, sagte Joe leicht genervt, „ich weiß. Aidan wird nicht müde, mir das immer wieder per SMS zu versichern. Ich bereue schon ziemlich, dass ich mir dieses Teil gekauft habe.“
Emily kicherte, während John seine Belustigung gekonnt in seiner Serviette erstickte. „Ach, komm schon“, erwiderte ihre Freundin, „du kannst nicht ewig ohne Handy rumlaufen. Außerdem hast du jetzt Freunde, also Leute, die dich darauf auch anrufen und dir SMS schreiben wollen, um mit dir in Kontakt bleiben zu können.“
Joe schnaubte. „Super, das kann ich auch so machen, indem ich mich mit den Leuten treffe und mit ihnen von Angesicht zu Angesicht spreche. Und ja, ich weiß, dass Konversation nicht meine Stärke ist. Aber wenigstens schweige ich dann jemanden persönlich an und nicht über Spacebook oder so.“
Nun konnte John sich nicht mehr zurückhalten. „Das heißt Facebook“, warf er ein und brach danach gleich in tiefes Gelächter aus. Um den bösen Blicken der Designerin zu entgehen, erhob er sich und besorgte noch mehr Kaffee aus der Küche. Dies nutzte Emily aus, indem sie sich über den Tisch zu ihrer Freundin hin beugte und ziemlich verschwörerisch tat. „Und, weißt du schon, wann ihr euch trefft?“, fragte sie geheimnisvoll.
„Nein“, antwortete Joe und brachte es fertig, dabei ein wenig geknickt zu wirken. „Ich hab nichts mehr von Dean gehört, seit eurem Umzug. Was wohl auch zum Teil meine Schuld war“, musste sie zerknirscht zugeben.
„Vielleicht solltest du Aidan mal nach Deans Nummer fragen und ihn anrufen oder ihm schreiben. Dann hast du Gewissheit“, schlug Emily vor. Das war auch etwas, was Joe sich schon überlegt hatte, doch dazu hatte sie bisher noch nicht den Mut gefunden.
Dass Aidan ihre Nummer hatte, war irgendwie schon schlimm genug. Dabei hatten die Jungs es nett gemeint, als sie zu dritt bei ihr aufgetaucht waren, um sich persönlich zu erkundigen, wie es ihr ging. Graham war besonders besorgt gewesen, als er sich zu ihr aufs Bett gesetzt und ihr die Hand gehalten hatte, während Richard ihr ziemlich mütterlich einen Tee gekocht und ihn ihr ans Bett gebracht hatte.
Dabei war dem jungen Iren das neue Smartphone aufgefallen, was neben dem Mac auf Joes Schreibtisch gelegen hatte. Er hatte es natürlich gleich inspiziert und es schließlich gemeinsam mit Joe eingerichtet. Dabei musste er sich die Nummer abgeschrieben haben, denn als die Jungs ihr Schlafzimmer wieder verlassen hatten, was die Designerin ziemlich erleichtert hatte, hatte er ihr gleich eine SMS mit seiner Nummer geschrieben.
Mittlerweile hatte sie auch schon die Nummern von Graham, den beiden Richards, Emily, Peter und Fran, und irgendwie war sie sich sehr sicher, dass das noch lange nicht alles sein würde.
Die beiden Wochen, die Dean in Auckland beim Dreh seiner Serien The Almighty Johnsons verbrachte, verbrachte Joe unterdessen damit, die Kostüme aus dem Costume Department zu kategorisieren. Dabei machte sie Bilder von jedem einzelnen Ensemble, schrieb unter das Foto, was genau es für ein Kostüm war und zu wem es gehörte, vergab eine laufenden Nummer und heftete das alles sorgfältig in einen Ordner, der immer dicker wurde.
Am Ende schließlich ging sie damit zu Fran und Peter, die mit ihr den Drehplan für die Außendrehs durchgingen und bestimmten, welche Kostüme mitgenommen werden mussten. Dann musste sie nur noch die Ausstattungen ordnen, in Container verpacken und auf ihrer Liste abhaken.
Das hörte sich allerdings einfacher an, als es dann tatsächlich war, und irgendwie gingen die beiden Wochen schneller um, als sie gedacht hatte, da sie von morgens halb sieben bis spät abends nur auf den Beinen war. Wenn sie dann, wenn es schon dunkel war, nach Hause kam, fiel sie meist nur noch todmüde ins Bett. Dabei bemerkte sie gar nicht, dass ihr neues Handy keinen Saft mehr hatte und ausgeschaltet herumlag. Erst, als Aidan sie ziemlich aufgeregt darauf ansprach, dass seine Nachrichten nicht mehr durchgingen, klemmte sie es an den Stromkreislauf an.
Dean unterdessen hatte sich an seinem letzten Drehtag endlich von seinem Kollegen und Freund Jared Turner dazu überreden lassen, ihr eine SMS zu schreiben. „Du kannst nicht ewig so rumkrebsen“, hatte Jared gesagt und damit einen Nerv getroffen.
„Ja“, hatte Dean ertappt geantwortet und den Kopf hängen lassen, „du hast Recht.“
Daraufhin hatte er ziemlich einfallslos geschrieben: Hi Joe, hab deine Nr von Aido. Hoffe, das war ok? -DeanO, doch eine Antwort hatte er bisher nicht erhalten. Morgen würde er in aller Herrgottsfrühe losfahren und hoffentlich am frühen Nachmittag wieder in Wellington sein. Dann würde er vielleicht gleich abends zu ihr fahren, um das mit ihr endlich zu klären. Diese Ungewissheit machte ihn beinahe verrückt! Ganz zu schweigen vom dem schlechten Gewissen, das er immer noch hatte wegen dem verbockten Kussversuch.
Die ganze Rückfahrt grübelte er wieder darüber, was er wohl sagen könnte, bis Batman es schließlich nicht mehr aushielt. Lauthals bellend beschwerte er sich darüber, dass sie seit drei Stunden keine Pause mehr gemacht hatten, und sein Herrchen blickte schuldbewusst zu ihm rüber. „Entschuldige, Kumpel!“, sagte er und griff kurz rüber, um das helle, struppige Fell zu streicheln. „Wir halten bei der nächsten Gelegenheit an.“
Beim nächsten Parkplatz fuhr er raus und Batman war schon fast aus dem Auto, da hatte er den Motor noch gar nicht richtig abgestellt. Ausgelassen tollte der Kleine herum, während Dean ein paar Mal hin und her lief, bis er sich schließlich an den vorderen Kotflügel seines Autos lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. Irgendwann kam Batman zu ihm zurück, setzte sich vor ihn hin und sah ihn erwartungsvoll mit heraushängender Zunge an.
„Na, was meinst du, Kumpel“, sagte Dean und streichelte ihm kurz über den Kopf, „soll ich sie mal anrufen und fragen, ob sie heute Abend zu Hause ist?“
Ein lautes Bellen war die Antwort, die Dean allerdings nicht ganz deuten konnte. Daher verwarf er den Gedanken wieder. Doch er hatte sich noch nicht ganz hinter das Steuer seines Autos gesetzt, da entschied er sich kurzerhand um. Er kramte sein Handy heraus, scrollte das Telefonbuch durch, bis er auf ihrem Eintrag hängen blieb, und drückte aufWählen.
Nach dem fünften Klingeln wurde das Gespräch angenommen. Es raschelte kurz, dann hörte er Joes leise Stimme zögerlich fragen: „Ja, hallo?“
Sein Herz machte einen unerklärlichen Hüpfer und sprang ihm in die Kehle, was ihn dazu veranlasste, erst einmal kurz schlucken zu müssen, bevor er antworten konnte. Trotzdem hörte er sich irgendwie heiser in seinen eigenen Ohren an. „Hi Joe, hier ist Dean“, sagte er. „Ich wollte nur…“, doch er brach ab. Was wollte er denn eigentlich? Mit ihr klären, was die Situation im Auto zwischen ihnen zu bedeutet hatte? Sie nach der Verabredung fragen, ob sie überhaupt noch stattfinden würde? Oder einfach nur ihre Stimme hören?
Irgendwie benahm er sich wie der letzte Idiot, seitdem er sich selbst eingestanden hatte, dass er sie gern hatte. War das eigentlich normal? Hatte er sich früher auch schon so benommen, wenn er eine Frau toll fand?
Er blieb ihr eine Antwort schuldig. Stattdessen schwiegen sie sich eine Weile an, bis sie sich dazu durchringen konnte, etwas zu sagen. „Bist du schon zurück?“
Froh darüber, dass sie eine Frage gestellt hatte, die er beantworten konnte, sagte er: „Nein, noch nicht. Ich bin noch unterwegs. Wir, Bdawg und ich, machen nur grade eine kurze Pause.“ Zur Bestätigung bellte sein Hund neben ihm. „Ich denke, dass ich in ein bis zwei Stunden wieder in Wellington bin.“
„Und du kommst auch morgen wieder zum Dreh?“
Da heute Sonntag war, ging er davon aus, dass sie, wie er auch, frei gehabt hatte, um wenigstens einen Tag in der Woche etwas auszuspannen. Doch am kommenden Montag ging der Ernst des Lebens wieder los. Allerdings freute er sich darauf, wieder mit den Jungs zu drehen. Auch wenn es ihm immer wieder Spaß machte, in die Rolle des Anders zu schlüpfen.
„Ja, klar!“, sagte er daher begeistert. „Immerhin drehen wir diese Woche noch mal in den Orkstollen. Und es steht noch eine Kampfszene im Pinienwald an. Das wird sicher spannend!“
Sie konnte seine Freude richtig heraushören. Das steckte sie auch irgendwie an und sie musste lächeln, als sie daran dachte, wie er wohl genau in diesem Moment aussah mit dem freudigen Gesichtsausdruck und dem Funkeln in seinen Augen. Zufrieden mit sich und der Welt lehnte sie sich an den Türrahmen zu ihrem Schlafzimmer, was sie gerade hatte betreten wollen, um noch etwas an ihren Entwürfen am PC zu arbeiten. Jetzt schien die Arbeit in weite Ferne gerückt zu sein.
„Habe ich dir eigentlich erzählt“, hörte sie sich selber sagen, „dass ich euch auf die Außendrehs begleite?“
„Ja, das ist wirklich toll! Ich bin schon so gespannt, wo wir überall hinfahren werden. Es gibt so tolle Orte in Neuseeland. Aber wem erzähle ich das? Du hast sicher auch schon einige davon besucht.“
„Ehrlich gesagt noch nicht so viele“, gestand sie etwas bedrückt. In der Zeit nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie kaum Auckland verlassen dürfen. Und als sie volljährig geworden war, hatte sie andere Dinge im Kopf gehabt, als ihre eigene Heimat zu erkunden. Von den sagenumwobenen Orten, die sie bereits in Der Herr der Ringe bewundern konnte, hatte sie nicht mehr als die Version auf der Leinwand zu Gesicht bekommen.
Doch Dean störte das offenbar überhaupt nicht. „Das macht doch nichts! Dann erkunden wir die Gegenden gemeinsam. Wir nehmen Graham, Aidan und Richard einfach mit. Vermutlich können wir Stephen und Jed ohnehin nicht davon abhalten, allen ihre Lieblingsplätze zeigen zu wollen.“ Dabei lachte er ausgelassen und lehnte sich in seinem Autositz zurück.
Die Zeit verflog schnell, als sie so weiter miteinander sprachen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Zwischendurch warf er immer mal wieder einen Blick auf die Uhr, doch da Batman keine Anstalten machte unruhig zu werden, ignorierte er das Vorrücken der Zeiger einfacher.
Als sie schließlich doch auflegten, weil Joe darauf bestand, dass Dean endlich nach Hause fuhr und sie morgen weiter miteinander plauderten, musste sie über sich selbst den Kopf schütteln. Das letzte Mal, dass sie so ungezwungen mit jemandem gesprochen hatte, war lange her gewesen. Damals war sie gerade mal siebzehn Jahre alt gewesen und sie und Nick waren erst ein halbes Jahr ein Paar gewesen. Das war bisher die glücklichste Zeit in ihrem Leben gewesen. Was danach gefolgt war, hätte sie gern aus ihrem Gedächtnis getilgt.
Doch ihre Vergangenheit gehörte genauso zu ihr, wie ihre beiden Kater. Das hatte sie mit der Zeit lernen müssen. Es war wie eine Brücke, die über eine tiefe Schlucht führte, von der Geburt hin bis zum Tod. Und fehlte auch nur ein Stein, verdrängte man also auch nur den kleinsten Teil, den man erlebt hatte, aber gerne vergessen wollte, würde die Brücke bröckeln und einstürzen.
Man konnte zwar nicht sagen, dass sie ihren Frieden mit dem gemacht hatte, was geschehen war, aber sie hatte sich damit arrangiert. Jetzt musste sie nur noch Dean davon erzählen. Und das würde vermutlich der schwierigste Teil werden.
Als sie am Montag wieder zur Arbeit kam, leuchtete schon das Licht in den Make-up-Trailern. Sie verkniff es sich, dort direkt hereinzuplatzen, auch wenn sie darauf brannte, Dean wiederzusehen. Stattdessen ging sie erst in ihr Büro, um die Arbeiten für den Tag zu checken. Dann nahm sie ihr Klemmbrett, überprüfte noch einmal ihre Listen und machte sich ein Bild, was sie noch zu tun hatte. Dann ging sie zum Set, wo sie sich von einem der Kostüm-Mädels informieren ließ, was heute anstand.
Als die Jungs zum Set kamen, wirkten sie alle überrascht, dass Joe wieder da war. Aidan kam gleich angerannt und konnte sich nur schwer beherrschen, nicht an ihr hochzuhüpfen wie ein Hund. Das hätte garantiert ziemlich lächerlich gewirkt, weil er auch noch um einiges größer war als sie. Doch er freute sich zu sehr auf den Tag heute.
Von Richard und Graham bekam sie eine kurze Umarmung, dann standen sie und Dean sich gegenüber. Sofort glühten ihre Wangen wieder auf, weil sie an das letzte Mal denken, musste, als sie sich gesehen hatten. Auch ihm schien es etwas unangenehm zu sein, deswegen vermied er es, Körperkontakt mit ihr in Form einer Umarmung aufzunehmen, sondern sagte schlicht: „Hi!“
Ihn wieder als Fíli zu sehen war großartig. Für sie passte das Kostüm viel besser zu ihm als zu Robert. Deans Gesicht war weicher, der Bart schmiegte sich schöner an seine Gesichtszüge an und auch die Waffen schienen ihm besser in der Hand zu liegen.
Sie strahlte, als er sie anlächelte. „Hi“, erwiderte sie.
„Hast du am Freitag schon etwas vor?““, fragte er. „Wir könnten etwas trinken gehen. Oder auch essen. Wie du möchtest.“
Und weil sie nicht sicher war, was sie sagen sollte, weil sie sich trotz aller Vorbereitungszeit nicht annähernd gerüstet fühlte, nickte sie nur schüchtern.
Vom Rande des Sets aus beobachteten Richard und Graham das Schauspiel. Richard schaute dabei etwas skeptisch, während Graham offen grinste. „Das sieht doch gut aus, meinst du nicht auch?“, sagte der Schotte und stieß seinen Kollegen begeistert in die Seite. Doch der Brite nickte nur halbherzig. Es gefiel ihm zwar, wie Joe sich verändert hatte, doch er hatte immer noch das Gefühl, dass diese Geschichte nach hinten losgehen könnte. Und aus irgendeinem Grund wollte er die Designerin unbedingt davor bewahren, verletzt zu werden.
Wenn er logisch darüber nachdachte, dann musste er sich eingestehen, dass Dean vermutlich ziemlich verknallt in die Kleine war und ihr nicht wehtun würde. Doch wer konnte schon sagen, wie es in ein paar Monaten aussah? Niemand konnte die Zukunft vorhersagen.
Als er jedoch in das freudige Gesicht des Schotten neben sich blickte, gab er schließlich nach und rang sich ebenfalls ein Lächeln ab. Er konnte ohnehin nichts daran ändern, wenn es tatsächlich geschehen sollte. Alles, was er dann tun konnte, war, für Joe da zu sein, wenn sie ihn denn brauchen sollte. Der Rest würde von selbst kommen. Und überstürzen würde sie es wohl kaum. Dazu war sie viel zu ängstlich. Sie würde einen Schritt nach dem anderen gehen wollen und damit Deans Geduld auf eine harte Probe stellen.
Dieser Gedanke beruhigte ihn seltsamerweise und so machte er sich besser gelaunt als vorher auf den Weg zu seinem Platz in den Orkstollen.
***
Ein seltsames Gefühl von Leere macht sich in die breit, als du dem Großraumtaxi hinterher siehst, das deine einzigen Freunde zum Flughafen bringt. Eigentlich hast du sie ja begleiten wollen, doch dein Herz hätte diese Situation vermutlich nicht verkraftet. Es ist schon schwer genug, sie überhaupt weggehen zu lassen.
Deine beste Freundin sitzt am Fenster und winkt dir zum Abschied. Denver sieht sehr aufgeregt aus, was du gut verstehen kannst. Das ist ihre große Chance und du wünschst dir nichts mehr, als dass sie Erfolg haben werden. Und doch möchtest du, dass sie bei dir bleibt, dass sie dir über diese Zeit der Trennung hinweghilft und dir Gesellschaft leistet in deiner Einsamkeit.
Wenn du daran denkst, dass du jetzt niemanden mehr hast, der bei dir ist, wird dir ganz schlecht. Nicht nur, dass du und Nick nicht mehr richtig zusammen seid, nun ist auch der andere Mensch, der in deinem Leben so wichtig geworden ist in den letzten Jahren, weg. Die einzige Person, mit der du wirklich über alles reden konntest, sitzt in diesem Moment in einem Taxi, das sie zum Flughafen bringen wird. Und dann wirst du sie erst einmal eine ganze Weile nicht mehr sehen.
Traurig betrittst du das Haus, in dem du schon damals mit deiner Mutter gewohnt hast. Die Wände kommen dir seltsam kalt und abweisend vor. Die Stille drückt auf dein Trommelfell, als wolle sie es zum Reißen bringen. Völlig allein gelassen lässt du dich auf das Sofa fallen. Welchen Schritt sollst du nun als nächstes gehen? Wer sagt dir jetzt, was du zu tun hast? Wer passt auf dich auf?
In diesem Moment wird dir klar, dass du nun ganz auf dich allein gestellt bist. Von jetzt an musst du deine eigenen Entscheidungen treffen. Und dieser Gedanke macht dir große Angst. Kannst du das überhaupt?
Du legst dich hin, bettest deinen schweren Kopf auf deine Hände und starrst ins Leere. Nicht zum ersten Mal in deinem Leben wünschst du dir, dass deine Mutter noch am Leben wäre.