LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 34
~ Only Time
Who can say where the road goes,
Where the day flows?
Who can say why your heart sighs,
As your love flies?
Doch viel Zeit, um weiter über die anstehende Verabredung mit Dean nachzudenken, blieb Joe nicht. Denn ihr Boss Richard Taylor hatte es sich in den Kopf gesetzt, sie für das On-Set-Team der Kostümabteilung als Chefin mit auf die Außendrehs zu schicken. Sie hatte zwar schon wage geahnt, dass so etwas kommen würde, aber es dann am folgenden Montag zu erfahren, ließ ihr doch wieder den Magen in die Kniekehlen wandern.
Mit schweißnasser Stirn ließ sie sich auf den Stuhl vor sich sinken, der vor Richards Schreibtisch stand und den sie vorher mit einem leichten Kopfschütteln abgelehnt hatte. Jetzt war sie überaus dankbar für diese Sitzgelegenheit, denn so konnte sie tief durchatmen und ihren Puls wieder beruhigen.
Nicht, dass es ihr keinen Spaß gemacht hätte. Diese Aufgabe war eigentlich genau das Richtige für sie, denn dabei musste sie immer den Überblick behalten, musste eine gewissenhafte Liste über alle Kostüme führen, die mitgenommen wurden, und dabei alles dokumentieren. Für einen Kontrollfreak wie sie war das also theoretisch ein Traumjob.
Der Haken an der ganzen Sache war wie immer, dass sie sich als oberste Aufsicht mit den rund fünfzehn Mitarbeitern unter sich beschäftigen musste, die mit auf die Außendrehs gehen würden. Denen musste sie genauste Anweisungen geben, welches Kostüm wann gebraucht wurde, wie es genau auszusehen hatte, was noch geändert werden musste, und vieles mehr. Und wenn es etwas gab, was Johanna Taylor nicht konnte, dann Leuten Anweisungen geben, wie sie zu arbeiten hatten.
„Bist... Bist du dir sicher, dass...“, begann sie, brach dann aber wieder ab, weil ihr plötzlich schlecht wurde, wenn sie daran dachte, was da in ihrer Stellenbeschreibung stand.
Richard merkte, dass sie leicht grün um die Nase wurde, und kam schnell um den Schreibtisch herum, den er so gut wie nie benutzte, um sie ein bisschen zu beruhigen. Er legte ihr seine im Gegensatz zu ihren schmalen Schultern übergroßen Hände auf und streichelte sie. „Ganz ruhig“, sagte er langsam. „Tief einatmen und wieder ausatmen.“
Sie sah ihn von unten herauf an. Dabei wirkte sie wieder, wie ein angeschossenes Reh. Fast hätte das so etwas wie Mitleid in ihm geweckt, doch er hatte es lang und breit mit Pete besprochen. Sie brauchten jemanden dort, der sich auskannte, die Arbeiten von Bob und Ann im Kopf hatte, und der zur Not auch handeln konnte. Dass ihre Wahl auf Joe fiel, hatte aber auch noch andere Gründe.
Den beiden Männern war nicht verborgen geblieben, dass sich die junge Designerin in dem ganzen Jahr, das sie nun schon hier arbeitete, etwas verändert hatte. Eigentlich hatte Fran sie mit der Nase draufgestoßen, doch das ignorierte er jetzt einfach. Das einzige, was für ihn wichtig war, war, dass sich seine Mitarbeiter entwickelten. Joe war schon großartig mit ihren Arbeiten. Da gab es kaum noch etwas zu machen. Es sei denn natürlich, man würde sie bei Alan Lee und John Howe in die Lehre schicken. Aber bei ihr ging es vielmehr darum, dass sie ihre Fähigkeiten auch verkaufen konnte.
Nicht, dass er besonders glücklich damit war, über das Ende dieses Projektes nachzudenken, doch er wusste aus der Vergangenheit, dass dieser Augenblick kommen würde. Und wenn es soweit war und Joe sich nach etwas anderem umsehen wollte, musste sie wohl oder übel Vorstellungsgespräche und Präsentationen halten. Sie konnte nicht ewig ihre Arbeiten für sich sprechen lassen, denn irgendwann würde das nicht mehr ausreichen.
Das sagte er ihr nun eindringlich, achtete dabei aber sorgfältig darauf, sie nicht zu überfordern. Immerhin sollte sie heute noch arbeiten. Es standen noch einige Szenen im Düsterwald an.
„Ich bin mir ganz sicher, dass du das schaffst! Ich gebe dir sogar eine Assistentin zur Hand, wenn du das möchtest.“ Er lächelte sie dabei aufmunternd an, doch so wirklich glücklich sah sie nicht dabei aus. Also setzte er noch einen drauf: „Und du darfst sie dir auch gerne selbst aussuchen. Nur Ann darf es nicht sein.“ Er zwinkerte ihr zu, weil er offenbar ihre Gedanken erraten hatte.
Doch Joe hatte schon eine neue Idee, wen sie mitnehmen würde. Also sagte sie mehr oder weniger begeistert zu und machte sich dann auf ins Costume Department, wo sie Emily über einem Hobbitkostüm fand, das sie gerade bearbeitete. Es war aus giftgrünem Stoff und hatte seltsame Rüschen am Ausschnitt.
„Igitt, was ist das denn?“, rief Joe entsetzt aus und hob einen Teil des Rockes mit spitzen Fingern an.
Emily lachte und nahm ihrer Freundin den Stoff wieder ab, um ihn richtig auf dem Tisch platzieren zu können. „Das ist Lobelia Sackheim-Beutlin“, sagte sie kichernd. „Ist es nicht absolut grauenhaft? Sie will der bestgekleidete Hobbit in ganz Hobbingen sein, doch leider greift sie ständig daneben und sieht dann aus wie das hier.“
Auch Joe kicherte nun, ließ sich auf einem Stuhl neben Emily nieder und stützte die Ellbogen auf dem Tisch vor sich auf. „Wirklich grauenhaft.“ Sie hielt einen Moment inne, dann setzte sie an zu der Frage, wieso sie überhaupt hier war: „Willst du meine Assistentin sein?“
Der Blick, mit dem ihre Freundin sie nun ansah, kam eindeutig in ihre persönliche Top Ten der „Guck mal doof - danke, reicht!“-Liste. Und weil Emily überhaupt nichts sagte und auch keinen irgendwie gearteten Laut von sich gab, setzte Joe zu einer Erklärung an. Als sie fertig war, tippte ihre Schneiderfreundin sich mit einem Stift an die Stirn. „Du willst mich doch nur, weil ich weiß, was du sagen willst, und ich mit den Leuten reden kann, wenn du es nicht kannst“, sagte sie schließlich und wirkte dabei tatsächlich ein bisschen beleidigt.
Doch Joe lenkte schnell ein. „Nein“, sagte sie und sah ihrer Freundin dabei tief in die Augen, „ich will dich, weil du meine Freundin bist.“
Das rührte Emily irgendwie und ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, sodass sie ein paar Mal schlucken musste, bevor sie sagte: „Meinst du das ehrlich?“ Als Antwort gab Joe ihr nur einen Klaps auf den Oberarm und sah sie an, als hätte sie gefragt, ob heute Montag wäre.
Da das beschlossen war, verabschiedete die Designerin sich wieder und machte sie auf zum Set, wo heute wieder im Düsterwald gedreht werden würde. Es standen ein paar Kämpfe mit unsichtbaren Spinnen an, die sie sich gern ansehen wollte. Nicht, dass sie Spinnen besonders toll gefunden hätte, doch sie hatte davon gehört, dass sich die Stuntleute beschwert hatten, weil man sie in diese unsäglichen grünen Ganzkörperkondome gesteckt hatte, um sie später digital zu ersetzen. Das sorgte am Set regelmäßig für Sticheleien, die sie sich nicht entgehen lassen wollte.
Sie musste den Kopf über sich selbst schütteln, als sie das dachte. Wann war sie eigentlich so schadenfroh geworden? Das musste etwas damit zu tun haben, dass sie so viel Zeit mit den Männern hier verbrachte. Ihre Gewalttätigkeit schien schon auf sie abzufärben.
Vor der Stage musste sie allerdings warten, denn sie war heute ein bisschen spät dran und die Lampe leuchtete schon. Also durfte in diesem Moment keiner die Türe öffnen. Geduldig wartete sie, schlang dabei die Arme um ihren Oberkörper und versuchte sich gedanklich schon auf den Sommer vorzubereiten. Der stand bereits in den Startlöchern, doch wie immer hatte das Wetter in Neuseeland seine eigenen Regeln. Nichts war wirklich gewiss. Deswegen sah auch so gut wie keiner den Wetterkanal, weil es ohnehin anders kam, als man dachte. Wenn man für ein paar Tage aufs Land raus wollte, musste man Sachen einpacken wie für einen dreiwöchigen Urlaub.
Als sie endlich reingehen durfte, schlug ihr gleich wieder diese Hitze entgegen, die sich nur in einem geschlossenen Raum aufstauen konnte. Es war stickig und viel zu warm, sodass die Schauspieler bereits gehörig schwitzten. Graham, der Joe wie immer als erster bemerkt hatte, verzichtete daher auf eine Umarmung und winkte ihr nur schnell zu, bevor er ins Kühlzelt verschwand.
Sie ging ihm hinterher und stellte sich mit verschränkten Armen in die Tür. Dann sah sie den Jungs dabei zu, wie sie sich gegenseitig an die Kühlanlage anschlossen. Stephen Hunter war dabei immer als erstes dran, weil er die größte Last trug.
„Und, wie läuft es?“, fragte sie Graham, nachdem er sich erleichternd auf einen Stuhl setzte und das Gefühl genoss, das der Kühlanzug unter seinem Fatsuit erzeugte.
Doch er winkte nur atemlos ab. „Frag nicht“, seufzte er. „Peter ist heute echt gnadenlos. Wir wissen eigentlich gar nicht, was wir tun. Aber es soll natürlich möglichst gut aussehen.“
„Ich weiß gar nicht, was ihr habt“, sagte Jed und grinste dabei in die Runde. Auf seiner Stirn hatte sich kaum Schweiß gebildet und er sah aus, als könnte er noch einen Marathon hinlegen, während die anderen nur aufstöhnten und ihn versuchten zu ignorieren.
Um das Thema zu wechseln winkte Graham Joe näher zu sich heran. Er beugte sich weit vor, um ihr zu bedeuten, dass er sie heimlich etwas fragen wollte. Dann sagte er mit einem leichten Lächeln: „Ich habe gehört, Dean hat dich zu einem Date eingeladen?“ Dabei zwinkerte er ihr verschmitzt zu.
Sie errötete natürlich sofort wieder und zog den Kopf zwischen die Schultern. „Ja“, hauchte sie leise, „aber erst, wenn er aus Auckland zurück ist. Vorher wird eh keine Zeit sein. Ich begleite euch nämlich auf die Außendrehs.“
„Ach“, machte er, sah dabei aber positiv überrascht aus. „Das freut mich aber! Ich bin schon sehr gespannt, wo wir überall hinfahren werden. Bisher hab ich ja noch nicht viel von der tollen Landschaft hier gesehen. Wird sicher ein Spaß werden.“ Er lächelte in freudiger Erwartung. Dann wurden die Zwerge wieder zurückgerufen.
Erneut mussten sie ihre Waffen nehmen, die heute allerdings nur aus grünen Stöcken mit Polsterungen bestanden, und auf imaginäre Gegner einhauen, bis sie nicht mehr konnten. Peter stand am Rand des Geschehens und hatte ein Headset um, mit dem er Anweisungen durch die Lautsprecher brüllte: „Nun sind sie hinter euch! Guckt nach oben! Martin, neben dir, es will dich stechen!“
Auf Joe wirkte es wie ein heilloses Durcheinander, doch sie war sie sicher, dass die Leute bei Weta später daraus etwas ganz Großartiges machen würden. Und genau genommen war es ihr sogar lieber, dass sie die Spinnen nicht sehen konnte. Vermutlich hätte sie sonst nicht so gelassen hier gestanden und den Jungs dabei zugesehen, wie sie auf die Froschmenschen einprügelten.
Graham schien dabei besonders enthusiastisch zu sein. Er schwang seine Stöcke wie seine echten Waffen und Joe konnte genau sehen, dass die Stuntleute immer ein wenig weiter weg von ihm gingen als zum Beispiel bei Dean oder Richard. Das Ganze erinnerte sie an John Rhys-Davies, der damals als Gimli nicht nur so getan hatte, sondern die Jungs in den Uruk-hai-Kostümen tatsächlich vermöbelt hatte. Deswegen hatten sie alle große Angst vor ihm gehabt. Bei Graham sah es nun genauso aus.
Aber wer konnte es den Jungs schon verdenken? Wenn einem ein fast ein Meter neuzig großer schottischer Hüne in den Weg tritt, machte man vermutlich freiwillig Platz. Joe konnte es gar nicht richtig glauben, dass er zu ihr sonst immer so sanft war.
Die neusten Anweisungen des Regisseurs galten nun Aidan. Der junge Ire schien sich fast völlig zu verausgaben und Peter wollte ein paar Nahaufnahmen von ihm machen. Später am Tag sollten er und Evangeline noch ihre gemeinsame Kampfszene drehen, während die anderen sich ein bisschen erholen konnten. Doch als Peter die Kamera nach einem Take einfach weiterlaufen lassen wollte, erhob sich Aidan plötzlich und schritt aus dem Bild.
Verwirrt sah Joe ihm hinterher, während Peter ihn nur fragte, ob er nicht noch einen weiteren Take würde drehen können. Doch keine Antwort war offenbar auch eine Antwort und so rief er nur: „Cut! Danke, wir machen gleich weiter.“
Aidan unterdessen stiefelte auf Joe zu, sah ihr kurz in die Augen, dann ließ er sich auf die Knie fallen, kippte zur Seite und blieb liegen, wie er gefallen war. Seine Brust hob und senkte sich ziemlich schnell und sie konnte ihn schnaufen hören. Besorgt ging sie zu ihm und beugte sich über ihn. „Ist alles okay bei dir?“
Er stieß die Luft ein bisschen schärfer aus als vorher, was wohl bedeuten sollte, dass es ihm nicht gut ging. Doch antworten konnte er nicht. Sofort kam eine junge Frau angerannt, die eben noch neben Peter gestanden hatte. Sie war recht hübsch, hatte dunkle Augen und dunkle Haare, und wirkte noch sehr jung. Neben Aidans Kopf sank sie auf die Knie und streichelte ihm über die Wange. „Alles okay, Schatz?“
Joe stutzte. Seit wann hatte Aidan denn eine Freundin? „Äh“, machte sie irritiert, bevor sie sich selbst zurückhalten konnte, und starrte die junge Frau an. Die blickte auf und zog die Augenbrauen zusammen. „Und Sie sind?“
Das Ganze wirkte unhöflicher, als es wahrscheinlich gedacht war, doch in diesem Moment dachte die Dunkelhaarige nicht wirklich daran. Sie machte sich ernsthaft Sorgen um Aidan. Das konnte Joe auch in ihren Augen erkennen. Daher versuchte sie sich an einem Lächeln und hielt ihr ihre Hand hin. „Joe, Costume Department“, sagte sie, was quasi einer Art Lebenslauf gleichkam für sie. Jeder, der sie kannte, hätte vermutlich mit Standing Ovations reagiert. „Und du?“
Sie bot der jungen Frau einfach das „Du“ an, weil sie keinen Grund sah, es nicht zu tun. Das schien auch ein bisschen das Eis zu brechen, denn die Züge der Jüngeren glätteten sich augenblicklich. „Ich bin Janine“, antwortete sie und ergriff die dargebotene Hand. Dann wies sie mit dem Kinn Richtung Aidan. „Seine Freundin.“
Joe hob eine Augenbraue. „Oh“, sagte sie ehrlich überrascht, „seit wann das denn?“
„Richards und Martins Geburtstagsparty.“
Komisch, dachte Joe, da war ich doch auch da. Doch dann fiel ihr ein, dass sie die Kantine recht früh verlassen hatte dank Dean. Wer konnte schon sagen, was danach noch alles passiert war? Doch Aidan hatte nie etwas von einer Freundin erzählt. Wieso hatte er daraus so ein Geheimnis gemacht? War es ihm vielleicht unangenehm? Doch wieso ließ er dann zu, dass sie ihn vor allen hier Anwesenden umsorgte? Oder war das Ganze vielleicht noch nicht so klar gewesen vorher und er hatte noch nichts sagen wollen, um das Schicksal nicht herauszufordern?
Bevor sie die Unterhaltung jedoch vertiefen konnten, trat Peter zu den dreien hinzu. Auch er hatte die Stirn besorgt in Falten gelegt. „Geht‘s wieder, Junge?“ Doch Aidan schüttelte nur den Kopf. Er öffnete nicht einmal die Augen, sondern schnaufte einfach nur weiter. Also sagte Peter: „Gut, dann machen wir erst einmal eine Pause.“ Er drehte sich zum Rest der Gruppe um und verkündete es ihnen ebenfalls. Einheitliches, glückliches Aufstöhnen war die Antwort.
Joe nickte Janine noch einmal zu, dann ließ sie die beiden alleine und ging zu Richard, Graham und dem Rest hinüber, die ebenfalls ordentlich Luft pumpten. Dean hatte sich auf den Boden gesetzt und lehnte mit dem Rücken an einem der künstlichen Bäume, die recht spärlich hier standen, da das Meiste später digital hinzugefügt werden würde. Er ruckte kurz mit dem Kopf in Aidans Richtung. „Kann er wieder sprechen?“, fragte er, wobei er selbst zwischendurch in diesem kurzen Satz immer mal wieder heftig einatmen musste.
„Geht so“, antwortete Joe, dann setzte sie sich zu ihm. „Wusstest du, dass er ‘ne Freundin hat?“
„Mh-hm“, machte er zum Zeichen der Zustimmung und Richard ergänzte aus dem Off: „Seit einer Woche ungefähr. Sie ist das Au-pair von Orlando und seiner Familie. Verrückt, oder?“
„Wieso verrückt?“, fragte Graham und sprach damit aus, was Joe dachte.
„Na ja“, sagte er, um Zeit zu schinden und Luft zu holen, „stell dir vor, du bist Anfang Zwanzig, kommst nach Neuseeland, weil du eine Auslandserfahrung machen willst, und wirst das Au-pair-Mädchen von Orlando Bloom. Der, nebenbei bemerkt, an einer der größten Filmproduktionen dieses Jahrtausends beteiligt ist - schon wieder. Und zufällig wirst du dann auch noch die Freundin dieses - um es mit den Worten von Fran zu sagen - wirklich entzückenden jungen Mannes.“ Dabei klimperte er vielsagend mit den Wimpern, was Thorin irgendwie so gar nicht stand.
„Wow“, sagte Joe daher nur. „Und ich dachte schon, ich hätte Glück gehabt.“
Das brachte die drei Männer zum Lachen und Dean warf Joe einen Blick zu, der wohl sagen wollte, dass er sich auch glücklich schätzen konnte. Doch er hatte ja keine Ahnung, wieso Joe das gesagt hatte. Hätte einer von ihnen ihre ganze Vergangenheit gekannt, hätten sie nicht gelacht. Vor mittlerweile fast vier Jahren sah ihr Leben noch ganz anders aus. Und sie hätte Dean auch ganz sicher keines zweiten Blickes gewürdigt, denn ihr Herz hing damals immer noch an Nick. Vermutlich hätte es das bis vor einem Jahr auch immer noch getan. Doch nachdem sie nun schon fast seit vierzehn Monaten nichts mehr von ihm oder Denver gehört hatte, schienen sie ihr endlich aus dem Sinn zu gehen.
Bei Denver tat ihr das irgendwie leid, denn immerhin war sie ihre beste Freundin. Doch so langsam schien dieser Platz Emily zu gehören und Joe hatte keine Ahnung, ob sie das gut oder schlecht finden sollte. Was würde wohl passieren, wenn sie wieder nach Neuseeland zurück kamen? Vielleicht waren sie ja sogar schon wieder zurück in Auckland und sie wusste es nur nicht.
Den restlichen Tag verbrachte Joe mit Ann. Die beiden tüftelten an den Rüstungen für die finale Schlacht, denn die Leute von Weta würden bald mit den Arbeiten dafür beginnen müssen, wenn sie noch rechtzeitig fertig sein sollten. Doch Joe wirkte abwesend, was Ann auch ziemlich bald bemerkte, und sie schließlich nach Hause schickte.
Dort angekommen begab sich die junge Designerin auf direktem Wege in ihr Schlafzimmer und fuhr ihren Rechner hoch. Daneben lag ihr neues Smartphone, was sie und Emily am Wochenende gemeinsam gekauft hatten. Doch weiter als bis zum Einlegen der Simkarte war sie noch nicht gekommen.
Als der Mac gestartet hatte, öffnete sie ihr Mailprogramm, aber mehr als Werbung war dort nicht zu finden. Also beschloss sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie öffnete eine neue Mail und tippte die ersten beiden Buchstaben von Denvers Emailadresse ein. Automatisch füllte sie die Adresszeile. In den Betreff schrieb sie: „Neuste Technik!“ Doch der Rest wollte ihr nicht so leicht von der Hand gehen wie sonst. Normalerweise war es leicht, Denver zu schreiben, denn es war wie Tagebuch zu schreiben. Doch heute wollte ihr nichts Gescheites einfallen. Was sollte sie ihr denn erzählen?
Alles, dachte sie schlicht, doch das hätte vermutlich den Rahmen gesprengt. Außerdem scheute sie sich irgendwie davor, Deans Namen zu erwähnen, denn Denver würde es sicher in der Band erzählen und dann würde es auch Nick erfahren. Sie wusste zwar nicht, wieso sie ausgerechnet nicht von ihm wollte, dass er wusste, dass sie weiterlebte nach ihm, doch irgendetwas hielt sie davon ab. War sie denn wirklich schon über ihn hinweg?
Die Beziehung, die sie geführt hatten, war über mehrere Jahre gegangen. Seit der Schule waren sie ein Paar gewesen und er war nicht nur ihr erster Freund gewesen, den sie geküsst und mit dem sie Sex gehabt hatte, sondern bisher auch ihr letzter. Aber einen offiziellen Schlussstrich hatte es nie gegeben. Waren sie daher immer noch irgendwie zusammen und sie betrog ihn, wenn sie mit Dean ausging?
Lustlos tippte sie eine kurze Nachricht, in die sie ebenfalls ihre neue Handynummer schreib, und klickte auf Senden. Danach schaltete sie den Rechner wieder aus und legte sich aufs Bett. Ihre Gedanken kreisten wild in ihrem Kopf und sie hätte sich am liebsten einfach schlafen gelegt. Doch sobald sie die Augen schloss, tauchte Nicks Gesicht vor ihr auf mit seinen blauen Augen und den blonden, langen Locken, die ihm bis auf die Schultern fielen.
Schließlich gab sie es auf und stand wieder auf. Sie ging ins Bad, wo bereits zwei Kartons mit den Sachen von Emily gefüllt waren, die sie mit zu John nehmen würde. Joe faltete einen Weiteren auseinander und warf den Rest hinein, den sie nicht mehr benötigen würde, von dem sie aber wusste, dass Emily es mochte. Ihre spezielle Handcreme, die sie immer in der Apotheke kaufte, zum Beispiel. Davon hatte sie noch drei Tuben übrig, weil die Verkäuferin ihr mittlerweile immer eine gratis dazu gab, wenn sie zwei kaufte.
Als der Karton voll und schwer war, klappte sie den Deckel zu und schrieb mit einem schwarzen Edding drauf, was drin war. Wenn Emily nicht mehr da war, würde ihr eindeutig etwas fehlen, das wusste sie jetzt schon. Doch sie hoffte, dass es nicht so enden würde wie bei Denver, sondern dass sie weiterhin Freundinnen blieben und Kontakt halten würden. Auch wenn die Dreharbeiten schon längst beenden sein würden.