LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 31
~ Captain Sparrow’s Secret
Als die Flying Dutchman in die Fluten abtauchte und sie alleine zurück blieben, blickte Jack ein wenig wehmütig auf den Flecken Wasser, der das Schiff seines alten Freundes verschluckt hatte. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihm aus.
Sofort zuckte er zusammen. Allein die Tatsache, dass er überhaupt etwas fühlte, war schon zu viel. Schnell schob er diesen Gedanken bei Seite und fasste sich wieder, indem er sich schnell an Barbossa wandte und Befehle gab.
Doch Hector dachte gar nicht daran, sich von Jack etwas sagen zu lassen. Drohend baute er sich vor ihm auf. Seine gelben Augen blitzten gefährlich auf, als er eines zusammen kniff und sagte: „Du bist hier auf meinem Schiff, Jack. Hier gebe nur ich die Befehle.“
Beschwichtigend hob Jack die Hände in die Luft. „Schon gut!“ Dann drehte er sich zu Maria um, die ihn schon neugierig beobachtet hatte. Was konnte es nur damit auf sich haben, dass Atlacamani sie auf ihn aufmerksam gemacht hatte? Er besaß keine speziellen Fähigkeiten. Eigentlich besaß er nichts, außer den Kleidern am Leid, die er trug. Er hatte ja nicht einmal ein Schiff, womit er sie irgendwo hätte hinbringen können. Was also konnte sie von ihm wollen, was konnte sie von ihm brauchen? Seine Fähigkeit, sich durchzusetzen, konnte es jedenfalls nicht sein.
„Nun, Liebes“, sprach er sie an, während Barbossa Blackbeards Schwert aus der Scheide zog und die Queen Anne die Segel setzten ließ. Der Stoff bauschte sich in den Sturm direkt auf und das Schiff nahm volle Fahrt auf. „Was führt Euch denn wohl hierher? Und was hat es mit Eurer hübschen Kette auf sich?“ Zielsicher wanderten seine Finger an ihren Ausschnitt, wo die Goldmünze ruhig zwischen ihren Brüsten ruhte. Doch sie schlug seine Hand entschieden bei Seite.
„Denkt nicht einmal daran!“, rief sie aus und drehte sich von ihm weg. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, dass Montoya sich schon dazwischen werfen wollte, doch offenbar gewann die Seite in ihm, die sie immer noch als bruja betrachtete.
Jack ließ sich von ihr nicht so leicht abwimmeln. Geschickt tauchte er unter einem Tau durch und war wieder an ihrer Seite, bevor sie sich ihm ganz entzogen hatte. Er lehnte lässig an der Reling, während ihm der Wind entgegen blies, und tat so, als wäre es ein besonders sonniger Tag in der Karibik. Beiläufig sagte er: „Mir scheint, Ihr tragt ein Geheimnis mit Euch herum. Was könnte es wohl sein?“ Seine braunen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, wohingegen sein Mund sich zu einem Lächeln verzog. Die Kohle um seine Augen herum begann bereits durch die See zu verwischen, was ihm einen noch verwegeneren Ausdruck bescherte.
Maria spürte ein Kribbeln in ihrer Magengegend. Sie konnte nicht verhehlen, dass dieser Pirat eine unglaubliche Ausstrahlung besaß. Er war gefährlich, klug und ziemlich leichtsinnig, was eine unglaublich ungünstige Kombination darstellte. Doch genauso spürte sie diesen unbändigen Zorn, der nicht ihr zu gehören schien. Etwas von der Göttin schien sich in ihr festgebissen zu haben, was unsagbar wütend auf Jack Sparrow war. Was nur hatte es damit auf sich?
Er beobachtete sie noch immer. Sie konnte deutlich sehen, wie er sie ganz ungeniert musterte, einmal von oben bis unten und wieder zurück. Und immer wieder blieben seine Blicke auf ihrem Dekollete hängen. Sie wusste genau, dass es nichts mit ihrem üppigen Busen zu tun hatte. Jedenfalls nicht hauptsächlich. Ihn interessierte nicht, was in dem Kleid war, sondern was sie um den Hals trug. Und als er sich für einen winzigen Moment unbeobachtet glaubte, sah sie auch plötzlich in seinen Augen, wieso er sie so anstarrte. „Ihr kennt dieses Schmuckstück“, stellte sie nüchtern fest.
Aus seiner fast lethargischen Betrachtung gerissen schaute Jack auf und direkt in ihre Augen hinein. Für einen Moment vergaß er ganz, was sie gerade gesagt hatte, doch dann blinzelte sie und der Augenblick war vorbei. „Was?“, fragte er ehrlich verwirrt.
Sie griff nach der Münze und hielt sie ihm direkt vor sein hübsches Gesicht. „Dieses Gold“, sagte sie und betonte es extra, „Ihr kennt es, habt es schon einmal gesehen oder besessen. Habe ich nicht Recht?“
Von einer unheimlichen Erinnerung heimgesucht drehte er ihr den Rücken zu. Das Abenteuer, was ihn das erste Mal sein Schiff gekostet hatte, war keines, an das er gerne zurückdachte. Er wäre beinahe am Galgen gelandet und nur einem beherzten William Turner war es zu verdanken gewesen, dass er nicht als verfaulendes Skelett in der Bucht von Port Royal aufgeknüpft worden war. Seine Kehle schnürte sich immer noch ganz furchtbar zusammen, wenn er versuchte es zu verdrängen.
Unwillkürlich wanderten seine Hände zu seinem Hals und fühlten kurz nach, ob noch alles in Ordnung war. Dann drehte er sich wieder zu ihr um, als wäre nichts gewesen. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Ihr sprecht, Liebes.“ Er schenkte ihr ein nicht ernst gemeintes Grinsen und verschwand unter Deck.
Und weil sie auch keine Lust hatte, erneut bis auf die Knochen durchnässt zu werden, folgte sie ihm. Und weil sie gern wissen wollte, was ihn so sehr an dem Aztekengold beschäftigte. Wenn er es ihr stehlen wollte, sollte er nur sein Glück versuchen. Er würde es jedoch vermutlich nicht einmal zwei Meter aus ihrer Reichweite bringen können, ohne dass ihm entweder die Luft ausging oder er von der Kette erdrosselt wurde.
Dieses magische Amulett hatte seine eigene Kraft inne und niemand, außer ihr und Atlacamani wussten davon. Doch sie hatte auch nicht vor, das zu ändern. Und trotzdem quälte sie die Neugier. Vielleicht konnte sie ihn ja mit einem kleinen Angebot locken. Wenn sie nur wüsste, worauf er anspringen würde. Doch vielleicht konnte ihr ein Bluff helfen, das herauszufinden.
Langsam ging sie unter Deck auf ihn zu, als sie ihn bei dem Rumfässern gefunden hatte. Er hatte es sich auf einer Kiste gemütlich gemacht und nuckelte genüsslich an einer mit goldener Flüssigkeit gefüllten Flasche. Als er sie sah, setzte er sie mit einem Husten ab. Er wischte sich kurz über den Mund, dann hatte er sich wieder im Griff. Nonchalant reichte er ihr das bauchige Glasgefäß kurzerhand hinüber. „Auch ’nen Schluck?“
Ohne ihm eine Antwort zu geben griff sie danach und nahm einen tiefen Zug. Sie musste sich zwingen, nicht auch zu husten, da das scharfe Zeug in ihrer Kehle brannte, doch sie schaffte es irgendwie. Mit Tränen in den Augen sah sie ihn an. Als sie wieder sicher war, dass ihre Stimme ihr gehorchte, fragte sie: „Wenn Ihr das Schmuckstück haben wollte“, dabei griff sie sich wieder zwischen ihre Brüste und holte die Münze hervor, „müsst Ihr es mir nur sagen.“ Dabei beugte sie sich verführerisch nach vorne, was vermutlich ein bisschen lasziver ausfiel, als sie es eigentlich beabsichtig hatte. Der Alkohol schien ihr viel zu schnell zu Kopf zu steigen.
Jack, seines Zeichens ein geübter Trinker, sah sie nur mit einer hoch gezogenen Augenbraue von der Seite an. Er schielte in den prächtigen Ausschnitt, den sie ihm darbot, dann sah er ihr wieder ins Gesicht. Langsam senkte er sein Gesicht zu ihrem herab, bis sie spüren konnte, wie sein mit Rum geschwängerter Atem zärtlich über ihre Wange strich. „Und welches Schmuckstück könnte das wohl sein?“, flüsterte er. Dabei kam er ihr so nah, dass sie glaubte, seine Nase müsse gleich an ihre stoßen. Für einen Moment versank sie ganz in diesen wundervollen Augen, die sie verführerisch ansahen. Doch dann kochte plötzlich wieder dieser Zorn in ihr hoch.
Sie entwand sich ihm und brachte wieder ein bisschen Sicherheitsabstand zwischen sich. Dann stellte sie die Rumflasche mit einem Ruck auf dem Fass ab, welches in ihrer Nähe stand. „Mr. Sparrow“, setzte sie an, wurde aber sogleich von ihm unterbrochen.
„Captain“, sagte er nur, wobei er leicht gelangweilt klang.
Irritiert blinzelte sie ihn an. „Wie bitte?“
„Es heißt Captain Sparrow, wenn Ihr so freundlich wäret.“ Dabei machte er eine ausladende Geste mit seiner rechten Hand, griff wieder nach der Flasche und trank einen großzügigen Schluck daraus.
Sie schüttelte kurz den Kopf, um den leichten Nebel loszuwerden, der sich über ihren Verstand legte. Dabei konnte sie allerdings leider nicht ausmachen, ob es nun vom Alkohol, vom heftigen Seegang oder seinem Geruch kam, der sie einhüllte und ihre Zunge schwer werden ließ. Doch vermutlich war eine Kombination aus allen drei Dingen eine ziemlich ungünstige Sache. Sie zwang sich dazu, ihn zu fixieren, bohrte dabei ihre Fingernägel in ihre Handflächen, um durch den Schmerz wieder klar zu werden, und räusperte sich. „Captain Sparrow, ich weiß nicht, was Ihr für eine Vergangenheit habt, noch gedenke ich es herausfinden zu wollen. Doch Euer Blick, mit dem Ihr dieses kostbare Medaillon gemustert habt, sagte mir, dass Ihr so etwas schon einmal gesehen haben müsst. Und mich würde einfach nur interessieren, wo und wann.“
„Dann würde ich sagen, haben wir ein Problem, Liebes.“ Er setzte die Flasche genau an dieselbe Stelle, an der sie sie eben abgestellt hatte. „Denn ich gedenke nicht, Euch überhaupt irgendetwas zu sagen. Klar soweit?“ Als sie den Kopf schüttelte, fuhr er fort: „Ihr habt eine Frage an mich gerichtet, die ich aber nicht beantworten will. Und ich habe ein paar Fragen an Euch, die Ihr nicht gewillt seid, zu beantworten. Also befinden wir uns in einer sogenannten Pattsituation: keiner von uns beiden möchte nachgeben. Und so, wie ich Euch einschätze, seid Ihr mindestens genauso dickköpfig, wie… andere Leute, die ich kenne.“
Seine unsicher wirkenden Schritte lenkten ihn wieder auf sie zu. Maria wollte ihm ausweichen, doch er hatte sie in eine Ecke zwischen der Treppe nach oben und einem Querbalken gedrängt, sodass sie sich kaum noch bewegen konnte, als sie mit dem Rücken an das Holz stieß. Von oben konnte sie spüren, wie Gischt in den Frachtraum eindrang.
„Folglich müssen wir wohl oder übel einen kleinen Deal eingehen, der beide Seiten befriedigt.“ Bei dem letzten Wort war er ihr wieder so nahe, dass sie die Flecken auf seinem breiten Hut zählen konnte. Nur noch wenige Zentimeter trennten sie voneinander.
Am liebsten hätte sie ihn weggestoßen und wäre davon gerannt. Doch irgendetwas nagelte sie hier fest, ließ sie ihre Füße nicht mehr spüren, sodass sie sich nicht einmal hätte bewegen können, wenn wir Leben davon abgehangen hätte. Ihre Knie wurden weich und finden an zu zittern. Ihr Mund wurde trocken, ihre Handflächen feucht und in ihrem Kleid wurde es ihr plötzlich furchtbar eng.
„Was“, quiekte sie, räusperte sich und setzte erneut an: „Was schlagt Ihr also vor, Captain?“ Seinen Titel betonte sie dabei extra, was mit einem zufriedenen Lächeln quittierte. Das wiederum löste eine Schar von Schmetterlingen aus, die ihr augenblicklich durch den Magen wirbelten und drohten, ihr Essen wieder hochkommen zu lassen.
„Nun“, hauchte er genüsslich, „ich würde sagen, wir fangen mit etwas Einfachem an: Ihr sagt mir, woher Ihr wirklich stammt.“
Plötzlich rückte er wieder von ihr ab. Das gab ihr genug Freiraum zum Atmen, doch sie musste erschrocken feststellen, dass sie beinahe die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Also atmete sie japsend ein. Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, sagte sie: „Ich verstehe nicht ganz.“
Kurz musterte er sie noch einmal. „Ich sehe, dass Ihr ein feines Kleid tragt. Das sagt mir, dass Ihr zu einer der oberen Gesellschaftsschichten gehört. Doch Eure nachlässige Frisur zeigt mir, dass Ihr nicht viel Wert auf Äußerlichkeiten legt. Ich tippe also auf königliches Blut. Ganz abgesehen davon, dass Will Euch verraten hat.“
Kurz verfluchte sie die Captain der Flying Dutchman für sein loses Mundwerk, dann setzte sie wieder eine Maske der Gleichgültigkeit auf. Die Wut über Captain Turner hatte ihr geholfen, das seltsame Gefühl diesem Sparrow gegenüber zu überwinden, was auch immer es gewesen sein mochte. „Meine Herkunft ist nicht mein Geheimnis. Das ist es nicht, was Ihr wissen wollt.“ Sie schenkte ihm ein gönnerhaftes Lächeln.
„Was ist es dann, was ich wissen will?“
„Sagt mir, woher Ihr dieses Medaillon kennt, und ich verrate Euch mein Geheimnis.“ Dieses Mal war sie diejenige, die ihm zu nahe kam, sodass er zurückwich.
„Ein Geheimnis für ein Geheimnis“, sinnierte er. „Das klingt fair.“ Ihm war durchaus bewusst, dass es kein Zufall sein konnte, dass sein Kompass ihn zu ihr geführt hatte. Doch er war noch nicht bereit, sich tatsächlich einzugestehen, was das bedeuten konnte. Er war hier, um sich die Pearl zurückzuholen. Und um nichts anderes ging es hier!
Und trotzdem wollte sich diese Neugier, die in ihm brodelte, nicht bezwingen lassen. Doch für heute musste er sich noch zurückhalten. Deswegen schenkte er ihr noch ein letztes Lächeln, dann sagte er im Davongehen: „Nicht heute, Liebes. Wenn wir diesen Kampf überstehen, dann werden wir genug Zeit haben, unsere Geheimnisse auszutauschen.“
Und damit ließ er sie alleine mit ihren Gedanken. Ihre Finger spielten noch eine kleine Weile mit dem Kleinod um ihren Hals, dann machte sie sich auf die Suche nach einer Koje. Wenn sie in Tortuga tatsächlich einen Krieg auszutragen hatten, dann sollte sie zumindest dafür ausgeschlafen sein.