LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 2
~ Imladris
Lórien war so schön, wie ich es in Erinnerung hatte. Der Wald war nicht so schön wie die Gärten von Lórien oder Yavanna, aber für mich war er es. Denn es war doch meine Heimat.
Ich verbrachte sehr viel Zeit mit meiner Mutter. Ich erzählte ihr alles, was ich erlebt hatte und was mit Manwe und Varda berichtet hatten über das Schicksal von Mittelerde. Ich erzählte ihr auch, dass das Zeitalter der Elben mit dem dritten Zeitalter zu Ende gehen würde und wir den Menschen die Herrschaft über dieses Land überlassen müssten. Es würde ein König kommen, der die gespaltenen Reiche endlich wieder unter einem Banner vereinen würde. Sie fragte mich nach seinem Namen, doch den konnte und wollte ich ihr nicht nennen. Denn Varda hatte mir berichtet, dass es schon schlimm genug war, dass ich es wusste.
Ich verbrachte auch sehr viel Zeit mit Haldir. Wir kamen uns sehr nahe in den kommenden Jahren und ich begann ihn wieder zu lieben wie am Anfang meines Lebens. Ich war sehr überwältigt, als er mir erzählte, dass er die ganzen Jahre nur auf mich gewartet hatte und sich auf den Tag freute, wenn wir endlich Mann und Frau werden würden. Doch ich spürte, dass es noch eine andere Person geben würde, die zwischen uns stehen würde. Ob es von seiner Seite kommen würde oder von meiner, vermochte ich allerdings nicht zu sagen.
Etwa dreihundert Jahre nach meiner Rückkehr traf sich der Weiße Rat erneut. Meine Mutter hatte beschlossen, dass ich an dieser Versammlung teilnehmen sollte. Zu dieser Zeit ahnte ich noch nicht, dass meine Mutter die Hüterin von Nenya, dem weißen Elbenring, war und wer die anderen Beiden trug. Das hatten mir meine Visionen nie berichtet.
Bevor sich der Weiße Rat versammelte, lernte ich Gandalf den Grauen kennen. Seine Rolle in dem Ringkrieg lag schon vor mir offen und so sprach ich lange mit ihm. Er berichtete mir, da ich sein uneingeschränktes Vertrauen genoss, was er in Dol Guldur gesehen hatte.
„Sauron hält sich dort versteckt“, sagte er zu mir, als wir gemeinsam in meinem Garten in Lórien saßen. Er hatte sich eine Pfeife angezündet und blies den Rauch in kleinen und großen Ringen aus. „Wir müssen es dem Weißen Rat berichten, denn auch du hast es gesehen, nicht wahr?“
Ich war erstaunt darüber, wie viel er über mich wusste. Später erfuhr ich, dass er ein Maiar war und aus Valinor kam. Das machte ihn zu einer Art Vaterfigur für mich.
„Ja, ich habe es gesehen“, sagte ich und mein Blick wurde trübe. Denn in diesem Moment ereilte mich erneut eine Vision. Ich konnte den Geist von Sauron sehen, wie er durch die Hallen der Festung zog. Ich sah Bergwerke wie Heu und dass Zwangsarbeiter hier mit der Peitsche zum Arbeiten getrieben wurden. Ich schloss meine Augen, um diese schreckliche Vision zu vertreiben, doch sie zeichnete sich nur stärker ab. Schmerz durchzog mein Herz und Tränen rannen mir über die Wangen.
Als die Vision endlich von mir abließ, war Gandalf verschwunden und ich sah ihn erst wieder, als sich der Rat versammelte.
Hier machte ich zum ersten Mal die Bekanntschaft mit Saruman. Als er mir die Hand zur Begrüßung gab, konnte ich für einen kurzen Moment in sein Herz blicken. Doch das Einzige, was ich sah, war ein schwarzes Loch, das alle Liebe verschlang. Ich erzählte es meiner Mutter im Vertrauen, doch sie hielt mich an, es keinem, und insbesondere nicht Gandalf, zu verraten, da der Graue große Stücke auf den Weißen hielt.
Hundert Jahre nach diesem ersten Treffen wurde in einem neuen Treffen beschlossen, dass Dol Guldur belagert werden sollte. Doch Sauron hatte wohl seine Späher und konnte fliehen, bevor der erste Angriff erfolgte. Wohin er floh, war uns allen klar. Er würde zu seiner Festung Barad-dûr zurückkehren, ins schwarze Land Mordor. So sagte es der Spruch:
„Einen Ring für den dunklen Herrscher auf seinem dunklen Thron
Im Lande Mordor, wo die Schatten liegen“
Mir war sofort klar, dass er nun nicht mehr alleine war. Er musste einen Helfer haben in den hohen Rängen seiner Feinde. Dass es allerdings jemand war, dem wir größtes Vertrauen zusprachen, ahnte zu dieser Zeit noch niemand. Nicht einmal meine Visionen brachten mir Klärung über dieses Thema.
Im Jahre 2953 war das letzte Treffen des Weißen Rates. Wir hatten Saruman mit dem Auftrag betraut, in Erfahrung zu bringen, was mit dem Einen Ring geschehen war. Und dieser hatte Gandalf wiederum gebeten, ebenfalls Ausschau zu halten.
Beim Treffen berichtete Saruman uns, dass der Ring ins Meer geraten war und davon gespült wurde. So wäre er sicher und man müsste sich nicht mehr darum sorgen. Doch mein Herz sagte mir, dass er log. Erste Vermutungen, dass er Saurons Spion war, keimten in meinem Kopf, doch ich behielt es für mich. Es wäre niemandem damit geholfen, wenn ich den Weißen Rat nun auseinander trieb.
Nach dem letzten Treffen verbrachte ich wieder die Zeit mit meinem Verlobten. Ich erzählte ihm von meinen schrecklichen Visionen, doch er konnte mir nicht helfen. Er wollte auch nie wissen, was ich sah. Er begründete es immer wieder damit, dass diese Visionen nur für mich bestimmt waren. Und ich sollte nicht einmal zu ihm über sie sprechen. Das Schicksal von Mittelerde könnte sich dadurch schwerstmöglich verändern. Er hatte Angst, das konnte ich sehen. Doch ich war ängstlicher, denn ich trug eine schwere Bürde.
Dass es einen kleinen Mann gab, der die schwerste Bürde von allen zu tragen hatte, sagten mir meine Visionen zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Der Ring war verschwunden und niemand wusste, wo er sich in den letzten fünfhundert Jahren befunden hatte.
Im Jahre 2980 kam ein Waldläufer in unseren Wald. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Tochter meiner geliebten Schwester mit mir hier. Ihr Name war Arwen und sie war der Abendstern unseres Volkes. Mir ihr war Lúthiens Schönheit wieder auf die Welt gekommen und sie hatte die gleichen Augen wie meine Schwester. Ich liebte Arwen wie mein eigenes Kind und nahm ihre Erziehung deshalb persönlich in die Hand. Denn ich sah, dass auch sie eine wichtige Rolle zu spielen hatte. In ihren Händen liefen viele Fäden der Geschichte zusammen.
Als ich eines schönen Abends noch einmal durch die Gärten meiner Heimat wanderte, konnte ich Arwen und den Waldläufer zusammen auf dem Hügel Cerin Amroth stehen sehen. Mein Herz sagte mir, wer dieser Waldläufer war und es sagte mir auch, dass aus der Verbindung meiner Nichte und ihm etwas entstehen würde, was schon verloren war: Unsterbliche Liebe.
Am Anfang des Jahres 3018 ritt ich alleine nach Imladris. Hier sprach ich viel mit dem Mann meiner Schwester, Herr Elrond. Wir saßen oft gemeinsam in der großen Bibliothek zusammen und berichteten uns Geschichten aus den Altvorderen Tagen. Ich berichtete ihm auch, dass bald jemand von großer Bedeutung in seinem Haus Einzug halten würde und er sagte mir, dass er Aragorn seine Tochter niemals zur Frau geben würde.
„Kannst du nicht sehen, Schwager“, sagte ich eines Abends zu ihm, als wir beim Feuer saßen. „Dass sie sich so sehr lieben wie Beren und Lúthien? Sie würden deine Abweisung niemals akzeptieren.“
„Sie müssen es!“, sagte der Herr von Imladris mit lauter Stimme. „Meine Tochter soll nicht Lúthiens Schicksal erleiden. Sie wird nach Valinor gehen und dort ihre Liebe mitnehmen. Dort ist ihre Liebe unsterblich.“
„Aber sie wird nichts anderes als eine Erinnerung sein.“ Ich konnte seinen Kummer verstehen. Er liebte Arwen so sehr, denn sie war die einzige Erinnerung an Celebrían. Und doch wollte ich, dass meine Nichte glücklich wird. Aber dazu musste Aragorn König werden.
„Wenn er König wird über die vereinten Reiche Arnor und Gondor“, sagte er. „Dann werde ich ihm meine Tochter geben.“
„Ihr wisst, dass dies ein beinahe aussichtsloses Unterfangen ist?“ Ich wollte ihm nicht die Hoffung nehmen, an die er sich so verzweifelt klammerte. Denn ich wusste bereits, dass Aragorn diese Bedingung erfüllen würde. So sagte ich ihm, was er hören wollte.
„Natürlich weiß ich das!“ Er hatte seine Stimme wieder erhoben. Doch dieses Mal lag Freude darin.
Ich verbrachte die Monate in Imladris mit lesen. Ich informierte mich über die Jahre vor meiner Geburt und erfuhr sehr viel über den ersten Ringkrieg. Im Oktober schließlich verdichteten sich meine Visionen über vier kleine Männer. Jede Nacht erschienen sie mir im Traum und in einer Nacht, die des 6. Oktobers, verspürte ich sehr viel Schmerzen in meiner linken Schulter. Ich erwachte in Schweiß gebadet und konnte für diese Nacht nicht mehr schlafen.
Ich ging hinaus in den Garten und betrachtete den Himmel mit seinen vielen Sternen. Durch Vardas Gabe sah ich sie, wie sie mit ihrem Kleid aus Sternen auf ihrem Thron saß. Sie flüsterte mir etwas zu, doch ich konnte ihre Worte nicht hören. Angst breitete sich in mir aus und ich hatte Furch vor den kommenden Tagen.
Ich verbrachte die ganze restliche Nacht damit, Vardas Gesang zu lauschen. Erst der Duft des frisch gebackenen Brotes vertrieb die schlechte Erinnerung an den Traum. Ich wusste nicht, was er zu bedeuten hatte und doch wusste ich, dass etwas Schreckliches passieren würde. Ich folgte dem Duft und war die Erste in der großen Halle, in der ich immer mit Elrond und seinen Kindern das Essen einnahm.
Ein paar Tage später brach Arwen dann auf um nach den vier kleinen Männern zu suchen. Ich hatte ihr von meinen Träumen berichtet und Elrond wollte erst mich schicken, doch ich hatte Arwen auch von Aragorn berichtet, dass er die Kleinen begleitete. So hatte sie darauf bestanden, reiten zu dürfen.
Zehn Tage später, Gandalf hatte ebenfalls Imladris erreicht und war sehr erschöpft, erreichte Arwen schließlich die Furt. Sie wurde von den Nazgûl verfolgt und wusste so, was mir diese schrecklichen Schmerzen zugefügt hatte. Es war eine schwarze Klinge gewesen und es war einer der kleinen Männer gewesen, die diese Klinge getroffen hatte.
Sein Name war Frodo Beutlin und er hatte den Einen Ring bei sich. Er war sehr schwach und bereits auf dem Weg in die Geisterwelt. Elrond und ich versuchten alles, um ihn wieder zurück zu holen. Vier Tage lang saß ich an seinem Bett und wachte über seinen Schlaf.
Ich konnte in seine Träume sehen und erkannte, dass er derjenige sein würde, der unser aller Schicksal in den Händen hielt. Ich versuchte, Verbindung zu ihm aufzunehmen. Doch seine Krankheit verweigerte mir den Zugriff zu seinem Unterbewusstsein. Verzweifelt ging ich in der vierten Nacht wieder nach draußen in den Garten. Wieder sah ich Varda, wie sie mir etwas zuflüsterte. Doch auch dieses Mal konnte ich ihre Worte nicht vernehmen.
Am Morgen endlich rief mich Elrond zu sich. Frodo war auf dem besten Wege zu erwachen und der Herr von Imladris wollte, dass ich ihm erneut behilflich war. Als Frodo erwachte, fiel eine große Last von meinem Herzen. Endlich war er bei Bewusstsein und ich konnte ihm einige Informationen entlocken, die wichtig für uns sein würden.
Mit ihm waren drei gute Freunde und Verwandte gereist. Sein bester Freund war Samweis. Er war auch selten von seiner Bettseite gewichen und ich erkannte, dass auch Sam viele Fäden in der Hand hielt. Hatte Varda mir das mitteilen wollen? Ich vermochte es nicht zu sagen.
Aber mit den vier Hobbits waren noch andere Reisende angekommen. Der Sohn des Truchsess von Gondor, Boromir, war ebenfalls in der Nacht in Bruchtal angekommen. Und auch Legolas, der Sohn von Thranduil, dem König der Waldelben aus dem Düsterwald, brachte Neuigkeiten aus seinem Reich. Leider waren es nicht sehr erfreuliche Nachrichten.
„Das Geschöpf Gollum ist den Leuten meiner Garde entkommen“, berichtete der Prinz mir, Gandalf und Herrn Elrond. „Sie haben ihn in einer Nacht nicht bewachen können.“
„Was soll das heißen, Legolas?“, fragte Elrond leicht verärgert. „Habt Ihr ihn laufen lassen?“
„Nun, mein Herr, Ihr müsst wissen, dass wir Waldelben nicht lange Gefangene halten können“, sagte der Prinz und nahm Platz. „Gollum schrie nur in seinem Gefängnis und verlangte jeden Tag aufs Neue, dass er doch so gerne die Bäume sehen würde. Nach langem Überlegen gewährte mein Vater ihm diesen Wunsch.“
„Und so konnte er entkommen“, sagte ich mit trübem Blick. Ich sah, wie Gollum sich in den Wipfeln der Bäume aufhielt und nicht herunterkommen wollte. Allerdings sah ich auch, dass er jetzt dem Feind ich die Hände gefallen war.
„Wisst Ihr, was Ihr da für ein Unheil angerichtet habt?“, rief Elrond dem Prinzen entgegen. Ich versuchte meinen Schwanger zu beruhigen, doch er wollte nicht hören. „Ich werde einen Rat einberufen. Dort könnt Ihr dann ganz Mittelerde berichten, wie schlampig die Waldelben mit Gefangenen umgehen.“
Wütend verließ der Herr von Bruchtal den Raum. Gandalf folgte ihm und ließ mich und Legolas alleine zurück. Ich spürte etwas zwischen uns. Doch was es war, vermochte ich nicht zu sagen.
In der folgenden Nacht wandelte ich wieder in den Gärten umher. Vielleicht würde diese Nacht endlich Vardas Worte zu mir vordringen. Doch auch dieses Mal schwieg die Zukunft und ich musste mich dem Willen der Götter beugen. Nie würde ich vorher erfahren, was geschehen würde.