LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 2
~ Fail House Rock
Etwa zur selben Zeit in einem anderen Stadtteil von London segelte ein Teller durch die Luft und zersprang mit einem lauten Knall an der Wand. Begleitet wurde er von wüsten Beschimpfungen und Flüchen. Eine schlanke Rothaarige funkelte ihre Gegenüber mit ihren blauen Augen wütend an. Ihre zarte Hand griff erneut nach einem Teller. „Du bist ein egoistisches Schwein!“, rief sie.
Ihr Gegenüber hob abwehrend die Hände. „Ich bin egoistisch? Glaubst du nicht eher, dass das auf dich zutrifft?“ Sie stampfte außer sich mit dem Fuß auf und warf den Teller nach ihm. Dummerweise verfehlte sie ihn, traf stattdessen ein Familienportrait, was donnernd auf der Kommode darunter landete.
„Ich? Du denkst doch nur an deinen dämlichen Abschluss!“ Ihre Stimme hatte sich in eine beinahe nur für Hunde hörbare Tonlage geschraubt. „Alles andere ist dir unwichtig. Wir haben seit Wochen nichts mehr gemeinsam unternommen, haben uns bei unseren Freunden kaum noch sehen lassen, nur weil du unbedingt lernen musst für deinen Abschluss.“ Dabei spuckte sie das letzte Wort aus, als wäre ihr die Galle hochgekommen. Es kam ihm beinahe vor, als warfen ihre Augen Blitze nach ihm.
Er versuchte beruhigend auf sie einzureden, doch es half alles nichts. „Benjamin Thomas“, donnerte sie, als er sie an den Oberarmen packen wollte. Wie er es hasste, wenn sie ihn so nannte. Augenblicklich keimte die Wut auch jetzt in ihm hoch. Seit Wochen schuftete er, saß Tag und Nacht über seinen Büchern, nur weil er endlich seinen Abschluss machen und richtiges Geld verdienen wollte, für sie beide, und sie drehte ihm nun diesen Strick daraus. Dabei tat er das alles doch nur für sie, und für seinen Erfolg.
Enttäuscht und wütend sah er sie an. Sie war nur ein paar Zentimeter kleiner als er, hatte wahnsinnig lange Beine und eine atemberaubende Figur. Damit hatte sie bereits einen Vertrag bei einer Modellagentur ergattern können, und obwohl sie eigentlich diejenige war, die ihn in dieser harten Zeit im Stich gelassen hatte, wälzte sie nun die ganze Schuld auf ihn ab. „Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst, Cass.“
Überheblichkeit spiegelte sich nun auf ihrem Gesicht wider. „Du kannst mich nicht rauswerfen, Ben. Ich gehe freiwillig.“
In dem Moment erschien seine Mutter in der Tür zum Esszimmer. Sie war in der Küche beschäftigt gewesen, doch als sie den Lärm gehört hatte, war sie hierher gekommen. Noch immer trug sie die Schürze um die Hüften. „Was ist denn hier los?“, fragte sie und ihr Blick glitt von ihrem Sohn über seine Freundin hin zu den zerbrochenen Tellern.
Cassandra drehte sich um. „Tricia, es tut mir leid“, sagte sie und nahm die Hände, die noch mit Essensresten beschmutzt waren, in ihre. „Ich kann heute nicht zum Essen bleiben.“
Ben schnaubte. „Dabei kann man dich schon mit einer Kerze durchleuchten.“ Doch zum Glück konnten die beiden Frauen es nicht hören. Eigentlich war er nie jemand gewesen, der Konfrontationen aus dem Weg ging, doch er hatte wenig Lust, das Porzellan seiner Mutter zu ersetzen. Schon jetzt hatte Cass genug angerichtet.
Sie warf noch einen letzten, tödlichen Blick zurück, dann rauschte Cassandra davon. Ihre roten Haare wirbelten hinter ihr her. Was für ein Abgang, dachte er leicht belustigt. Als er jedoch das Gesicht seiner Mutter sah, verging ihm das Grinsen. Sie stemmte die Hände in ihre Hüften und blickte ihn an wie einen Jungen, der gerade einem anderen das Schulbrot abgenommen hatte. „Was ist hier los?“
Er zuckte mit den Schultern und scharrte mit der Schuhspitze in dem Scherbenhaufen herum. „Offenbar hat sie mich gerade verlassen.“ Er hörte noch, wie sein kleiner Bruder seiner nun Exfreundin hinterher rief, da überfiel ihn seine Mutter auch schon mit Vorwürfen. Sie hatte Cassandra sehr gemocht und hatte gehofft, dass ihr Sohn sie bald heiraten würde. Doch mit seinem Ehrgeiz es allen zu zeigen, hatte er sie nun vergrault. Der Wunsch auf Enkelkinder rückte wieder in weite Ferne.
Im Flur vor der Haustür hatte Jack die Freundin seines Bruders abgefangen. Als er gehört hatte, dass sie gehen wollte, hatte er keine andere Chance mehr gesehen. Dass seine Mutter seinen Bruder nun verhörte, kam ihm gerade recht. So würde es wenigstens niemand mitbekommen.
Er packte Cassandra sanft am Oberarm und hielt sie zurück. „Bitte warte, Cass“, sagte er leise, in der Hoffnung, sie hatte sich etwas beruhigt und würde nicht gleich wieder aufbrausen und sie verraten.
Doch zu seiner großen Erleichterung drehte sie sich langsam zu ihm um, mit diesem Blick in den Augen, den er so sehr liebte. „Was willst du, Jack?“
Er sah sie von unten an. Leider war er ein paar Zentimeter kleiner als sie, doch das hatte sie noch nie gestört. „Das weißt du genau.“ Zärtlich strich er ihr eine Strähne von ihren wunderschönen roten Haaren aus ihrem bezaubernden Gesicht. Für ihn war sie die perfekte Frau. Die Tatsache, dass sie seit Jahren die feste Freundin seines Bruders war, hatte ihn noch nie interessiert.
Erschrocken sah sie sich um, als er sie berührte, fing seine Hand ab. „Hör auf!“, zischte sie. „Wenn uns jemand sieht.“ Er drückte sich enger an sie heran, versuchte sie zu küssen, doch sie schob ihn weg. „Jetzt ist es doch sowieso egal. Vielleicht können wir jetzt endlich zusammen sein.“
Tricia blickte ihren Sohn erwartungsvoll an. Sie hoffte auf eine Erklärung zu dem ganzen Theater, was hier eben veranstaltet worden war und ihr schönes Abendessen gesprengt hatte. Eigentlich hatte sie ja darauf gehofft, dass sich ihr Ältester endlich mit seiner langjährigen Freundin verloben würde. Seit ihre Jungs groß geworden waren, vermisste sie das Trappeln von Kinderfüßen und die Geräuschkulisse, die die beiden immer recht hoch gehalten hatten. Es wäre so schön gewesen, endlich ein Enkelkind im Arm halten zu können.
Ben hatte sich an den nun nicht mehr so reichlich gedeckten Tisch gesetzt und spielte mit einer Gabel. Dabei begegnete er dem Blick seiner Mutter. Genervt stieß er einen Seufzer aus und zuckte die Schultern. „Was willst du jetzt von mir hören?“, fragte er. Er wies mit der Gabel in Richtung Haustüre, die er im Übrigen noch nicht hatte zufallen hören. „Sie kommt offenbar nicht damit klar, dass sie nur die zweite Geige in meinem Leben spielt. Immer muss sie im Mittelpunkt stehen.“
Seine Mutter kam um den Tisch herum. Tadelnd sah sie ihm in die Augen. „Und was bitte ist so falsch daran, dass sich die Frau wünscht, bei ihrem Mann an erster Stelle zu kommen? So ist das nun mal in einer Ehe.“
Klirrend fiel die Gabel auf einen Teller und machte eine kleine Kerbe in den Rand. „Moment mal!“, rief er und sprang auf. „Wir sind weder verheiratet, noch verlobt. Sie hat überhaupt keine Ansprüche an mich. Ich bin zu nichts verpflichtet. Und wenn sie denkt, dass sie was Besseres verdient hat, dann kann ich da nun mal nichts dran ändern.“
Nun schien seine Mutter richtig wütend zu werden. Sie stemmte die Hände in die Hüften und bedachte ihn mit einem Blick, der vermutlich Steine erweicht hätte. „Glaubst du nicht, dass du dich für sie ein wenig zurücknehmen könntest? Du sitzt sowieso viel zu oft über deinen Büchern.“
„Mom!“, rief er empört aus. Unglaublicherweise fand er sich mitten in einer Unterhaltung über eheliche Pflichten wieder. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Hatte seine Mutter etwa gedacht, dass er Cassandra heiraten würden? Dass die beiden sich mochten, hatte er schon immer gewusst, aber dass es so schlimm war, damit hatte er nicht gerechnet. Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er Cass seinen Eltern vorgestellt hatte. Tricia hatte das junge Mädchen sofort in ihr Herz geschlossen und sie als die Tochter, die sie niemals hatte, betitelt. Damals schon hätte ihm klar sein müssen, dass sie es nie zulassen würde, dass er sich so einfach von ihr trennte. Oder sie sich von ihm.
Bevor er allerdings ausfällig werden konnte, drehte er sich mit geballten Fäusten um und stürmte aus dem Zimmer. Wütend stampfte er durch den Flur. Er konnte es einfach nicht fassen. Schon immer war er irgendwie das Papa-Kind in dieser Familie gewesen, wohingegen Jack eher das Mama-Kind war. Jack war der Verständnisvolle, der Weiche, der die Frauen mit seiner ruhigen Art anzog und ihnen ein Gefühl von Sicherheit gab.
Er war immer der Draufgänger gewesen. Er hatte die Mädchen mit seinen wilden Aktionen, dem Ungehorsam und seiner großen Klappe auf sich aufmerksam gemacht und dadurch schon mit dreizehn seinen ersten Kuss bekommen. Jack dagegen hatte noch nie eine Freundin gehabt.
Eigentlich gab es keinen Grund, sich über die Situation so aufzuregen. Er konnte nur nicht verstehen, dass Cass ihn so unter Druck setzte, ihm die Pistole auf die Brust hielt, und er dafür den Kopf hinhalten musste bei seiner Mutter. Wäre Vater doch nur hier gewesen, dachte er. Er hätte Mutter sicher den Kopf gewaschen. Aber Thomas war auf Geschäftsreise. Eine einzige Geschäftsreise im Jahr und sie musste ausgerechnet dieses Wochenende sein.
Nun wollte er sich erst einmal beruhigen. Er wollte sich ein Bad einlassen und in Ruhe nachdenken. Und morgen würde diese ganze verfahrene Situation schon wieder ganz anders aussehen.
Aus dem Augenwinkel nahm er eine Gestalt war, die sich im Schatten herumdrückte. Sie gab seltsame Geräusche von sich. Als er näher kam, teilte sie sich plötzlich, dann erkannte er sie. Entsetzt blieb er stehen.
Cassandra kam mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, machte eine beruhigende Geste. „Ben“, sagte sie, „ich kann dir alles erklären.“ Er schüttelte sie ab, bedachte sie und seinen Bruder mit einem von Ekel erfüllten Blick. Jetzt wurde ihm alles klar. Sie hatte sich nicht von ihm getrennt, weil sie sich vernachlässigt fühlte. Sie hatte nur nach einem Grund gesucht, ihn zu verlassen, wie an den Haaren herbeigezogen er auch sein mochte. Die Frage war jetzt nur, ob er sie dafür ehren sollte, dass sie ihm diese Situation hatte ersparen wollen, oder ob er beide von jetzt an hassen sollte.
Bei dem Versuch seine Gefühle für diese merkwürdig absurde Situation zu ergründen, stellte er fest, dass er gar nichts fühlte. Seltsamerweise war es ihm egal. Er liebte sie nicht mehr und er gönnte es Jack, dass er endlich eine Frau gefunden hatte. Auch wenn es bis vor ein paar Minuten noch seine Frau gewesen war.
Ein ehrlich gemeintes Lächeln zeichnete sich nun auf seinem Gesicht ab. „Nein, ist schon gut, Cass“, sagte er und nahm ihre Hände runter. „Ich wünsche euch beiden nur das Beste.“ Er ließ sie auf dem Treppenabsatz stehen und ging nach oben. Verwirrt blickten sie ihm hinterher. Hatte er das etwa ernst gemeint?
Jack sah sie an. „Ich denke, ich sollte man mit ihm sprechen“, sagte er. Sie nickte nur, küsste ihn ein letztes Mal und verschwand dann. Mit vielem hatte sie gerechnet. Dass er ausflippen und rumschreien würde, sie vielleicht sogar beschimpfte, aber nicht damit, dass er gar nicht reagierte. Kannte sie ihn wohlmöglich doch nicht so gut, wie sie dachte? Es war ein merkwürdiges Gefühl. Sie hatte so fest mit einem Wutausbruch gerechnet, dass sie sich nun völlig leer fühlte. Als hätte er sie vor den Kopf gestoßen.
Auf dem Weg nach Hause kam sie sich plötzlich schrecklich gedemütigt vor. Er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er sie beide gesehen hatte. Als wäre sie ihm gar nichts mehr wert. Doch wie konnte das sein? Sie waren doch so lange schon zusammen gewesen, hätten vielleicht sogar in ein paar Monaten geheiratet. Und jetzt ließ er sie einfach so gehen. Er hatte sogar noch die Frechheit, ihr und seinem Bruder alles Gute zu wünschen.
Wütend setzte sie sich zu Hause vor ihren Computer und rief ihr Outlook auf. Sie würde ihm eine Mail schicken, die sich gewaschen hatte. So leicht würde er ihr nicht davon kommen.
In seinem Zimmer angekommen hatte Ben sich auf sein Bett gelegt und starrte nun an die Decke. Er dachte über sein merkwürdiges Verhalten von vorhin nach. Wahrscheinlich hatte er es schon eine ganze Weile geahnt, dass mit Cass etwas nicht stimmte und sich deswegen so in sein Studium gestürzt. Nur hatte es ihm leider nichts genützt. Seine Noten waren kurz vor der Abschlussprüfung ziemlich weit abgesunken und stellten ihn jetzt vor ein neues Problem. Konzentrierte er sich von nun an noch mehr auf seinen Abschluss, um die miesen Zensuren wieder auszugleichen, oder ging er zu diesem Casting, was sein Agent ihm vorgeschlagen hatte?
Außerdem hatte man ihm bald ein großes Projekt angekündigt, ihm allerdings noch kein Drehbuch zukommen lassen. Worum es gehen sollte, wusste er grob, schließlich hatte er die Bücher gelesen. Aber er war nicht bereit, sich auf etwas Unfertiges einzulassen. Erst würde er auf das Skript warten.
Er sah seine Bücher an, die offen auf seinem Schreibtisch lagen und ihn zu rufen schienen. Doch irgendwie konnte er sich nicht dazu durchringen, eines in die Hand zu nehmen. Sein Magen knurrte und ihm fiel auf, dass er gar nichts gegessen hatte. Die ganze Situation hatte ihn so durcheinander gebracht, dass er gar nicht mehr gewusst hatte, was eigentlich vor sich ging.
Gerade wollte er wieder nach unten gehen, als es an seine Türe klopfte. Sein Bruder kam rein und setzte sich zu ihm aufs Bett. „Spar dir dein Mitleid“, sagte Ben, als er den Gesichtsausdruck seines Bruders erkannte.
Jack rückte näher an ihn heran, griff nach seiner Hand, doch er entzog sie ihm. „Was ist denn nur los mit dir, Bruderherz? Du bist doch sonst nicht so.“
Ben schnaubte. „Bisher kam es auch noch nicht vor, dass mein kleiner Bruder sich meine Freundin geschnappt hat.“ Jack hatte geahnt, dass er so etwas sagen würde, und doch traf es ihn wie ein harter Schlag in den Magen. Eine eisige Hand packte sein Herz. Ihm wurde schmerzlich bewusst, wie sehr er seinen Bruder verletzt haben musste. Darüber hatte er gar nicht nachgedacht.
Doch bevor er etwas sagen konnte, schnitt Ben ihm das Wort ab. „Schon gut“, sagte er und drehte sich weg. „Es ist gar nicht deine Schuld, Jacky. Es ist meine Schuld. Ich habe sie nicht mehr geliebt und deswegen kaum noch Zeit mit ihr verbracht. Es ärgert mich auch nicht wirklich, denn ich weiß, dass es mein Ego war, das Mist gebaut hat. Aber irgendwie ist genau das der Punkt: ich habe das Gefühl, dass in letzter Zeit nur noch alles schief geht, was ich anpacke. Meine Noten gehen in den Keller, obwohl ich vorher einer der Besten war. Ich bin nicht fähig eine Beziehung zu führen. Mom ist sauer auf mich, weil ich Cass nicht heiraten will.“
Ein Lächeln huschte über Jacks Gesicht. Es war nicht so, dass er schadenfroh gewesen wäre, aber es gefiel ihm durchaus ein wenig, dass sein perfekter Bruder auch mal Probleme hatte. „Du hast was vergessen“, sagte er daher. Ben sah ihn verwirrt an. „Du hast dein Auto zu Schrott gefahren.“ Ben schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Wie hatte er das nur vergessen können?
Kurze Zeit später warf er seinen Bruder hinaus und setzte sich schließlich doch noch, immer noch hungrig, an seine Bücher. Er lernte, bis seine nun etwas versöhnlich gestimmte Mutter ihm einen Teller mit Abendessen hochbrachte.
Zwei Wochen später hatte er dann endlich alle Klausuren hinter sich. Geschäftig widmete er sich nun dem ihm zugestellten Drehbuch und kam sogar recht zuversichtlich von dem Casting wieder. Sehr genau an der Buchvorlage war es zwar nicht gehalten worden, aber es gefiel ihm trotzdem sehr gut. Nun hatte er fast drei Wochen frei und konnte sich etwas entspannen.
Endlich kam er wieder dazu, seine Mails zu lesen. Da er sich schon gedacht hatte, dass sein Postfach überquoll, hatte er sich eine Tasse Milch und ein paar selbst gebackene Kekse seiner Mutter gestohlen und sich damit vor seinen Computer gesetzt. Die meisten Nachrichten konnte er direkt in seinen Spam-Ordner verschieben, doch ein paar mussten durchaus gelesen werden. Beinahe am Ende entdeckte er Cassandras Namen. Sie hatten sein zwei Wochen nicht mehr miteinander gesprochen und er hatte nichts mehr von ihr gehört. Wenn Jack sich mit ihr traf, war er so umsichtig, zu ihr zu fahren, oder sich mit ihr in der Stadt zu verabreden. Jetzt zu sehen, dass sie ihm geschrieben hatte, versetzte ihm doch einen kleinen Schlag. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals.
Vorsichtig klickte er die Mail an, als könnte sie jeden Moment explodieren. Doch sie öffnete sich nur. Er atmete noch einmal tief durch, dann begann er zu lesen.
Als er fertig war, hatte sich seine rechte Hand um die Maus verkrampft. Ungläubig und mit weit aufgerissenen Augen und Mund starrte er auf den Bildschirm. Das, was er gerade gelesen hatte, war einfach eine Frechheit. Erst hinterging sie ihn, indem sie sich heimlich mit seinem Bruder traf. Und nun wollte sie Jack hintergehen, indem sie sich heimlich mit ihm treffen wollte.
Wenn er genau darüber nachdachte, vermisste er sie schon ein wenig, jetzt, wo er wieder mehr Zeit hatte. Doch er hielt nicht viel davon, wieder mit jemandem zusammen zu kommen, von dem man sich erst vor kurzem getrennt hatte. Schließlich hatte es einen Grund für die Trennung gegeben. Natürlich waren Menschen auch in der Lage sich zu ändern, aber dafür brauchte es mehr als nur zwei Wochen.
Auch er hatte sich geändert. In der Schule war er nie besonders gut oder besonders beliebt gewesen. Er war immer nur Durchschnitt, der sich auf seine zwei besten Freunde zwar verlassen konnte, vom Rest der Schule aber nie wirklich beachtet wurde. Zwar flogen die Mädchen auf ihn, doch die waren meist von einer anderen Schule gewesen und hatten ihn nicht ernst genommen, da sie größtenteils älter waren als er. Daher hatte er sich geschworen, es nach der Schule allen zu zeigen. Er wollte nicht mehr länger nur Mittelmaß sein, sondern auch mal der Beste.
Dazu musste er allerdings erst einmal von der Stelle kommen. Denn jedes Anhalten auf seinem Lebensweg war für ihn ein Rückschritt zu dem, was er nicht mehr sein wollte. Und wenn er sich weiterhin mit Cassandra einließ, würde er nie nach vorne kommen. Er beschloss also, seinem Bruder das Feld zu überlassen. Sollte er sich eine Weile mit den Frauen rumschlagen. Er hatte erst mal genug von ihnen. Seine Karriere war ihm wichtiger.
Mit einem Klick löschte er Cassandras Mail und schaltete den Computer aus.