LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 16
~ Talking to the Moon
In hopes you're on the other side talking to me too
Am I a fool who sits alone talking to the moon
Angelaufen wie eine pralle, in der Sonne gereifte Tomate stürmte Joe aus dem Raum hinaus. Dabei achtete sie weder darauf, wo sie hinlief, noch dass sie ihre Tasche nicht mehr dabei hatte und sich nicht in ihrem Atelier verkriechen konnte, weil der Schlüssel dazu natürlich in der Tasche war. Als sie schließlich wieder an der frischen Luft war, zögerte sie kurz.
Sie sah sich aufmerksam um und musste feststellen, dass sie auf der Rückseite des Art Departments rausgekommen war. Um sie herum schnauften und schnaubten Tiere, die in ihren Gehegen in der Sonne brüteten, und verströmten dabei den Geruch von aufgeheizten Pferden, Ziegen und allem möglichen anderen Getier. Augenblicklich viel der Schrecken, der Joe in die Glieder gefahren war, von ihr ab und ihr Atem beruhigte sich wieder. Wie an einer Leine herbeigezogen steuerte sie zielstrebig das erste Gatter an, hinter dem ein kleines, geschecktes Pony wartete.
Neugierig kam das Tier näher an den Zaun. Seine großen braunen Augen glitzerten im hellen Licht. Im Maul hatte es eine gute Portion Heu, die es genüsslich kaute.
Joe streckte ihre Hand nach dem kräftigen Ponykopf aus und begann es unter der Mähne zu kraulen. „Du hast es so gut“, sagte sie dabei leise, um es nicht zu erschrecken. „Wenn du in eine peinliche Situation gerätst, macht dir das gar nichts aus. Ich muss allerdings immer wieder in riesengroße Fettnäpfen reintreten.“
Nicht, dass es nicht schon unangenehm genug für sie gewesen wäre, diesem Dean auf offenem Gelände zu begegnen und bei ihm einen total verblödeten ersten Eindruck zu hinterlassen. Nein, er musste natürlich auch ausgerechnet der neue Fíli-Darsteller sein, der den ersetzte, für dessen Abgang sie persönlich verantwortlich war. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen musste sie nun auch noch das Kostüm für ihn anpassen, während er zu glauben schien, dass sie entweder stumm oder bescheuert oder beides war. Um diesen Eindruck noch zu verstärken war ihr auch nichts Besseres eingefallen, als Hals über Kopf den Raum zu verlassen.
Im Nachhinein hätte sie sich dafür ohrfeigen können, dass sie einfach so davongestürmt war. Das musste ja großartig ausgesehen haben! Aber ihr war leider nichts Besseres eingefallen. Sie konnte nur hoffen, dass ihr das nicht ewig nachhing.
Doch wem wollte sie schon etwas vormachen? Natürlich würde ich das ewig nachhängen! Pete würde sie garantiert bei der nächsten Gelegenheit damit aufziehen. Und dieser Dean sowieso. Denn wie zu befürchten war, würde sie ihm ja von nun an öfter hier begegnen. Wenn sie doch nur nicht so verdammt schüchtern wäre! Wenigstens hatte sie sich nicht übergeben. Das hätte wirklich noch gefehlt!
Und was sollte sie jetzt tun? Ihre Tasche samt ihrem Lebensinhalt lag noch in diesem Raum, der garantiert noch voller Menschen war. Sie konnte weder nach Hause fahren, noch zurückgehen. Vielleicht konnte sie einfach hier bleiben, bis es dunkel wurde. Dann würde sie zurückschleichen, ihre Sachen holen und den Tag einfach vergessen.
Diesem Plan kam jedoch jemand zuvor. Ganz in ihre düsteren Gedanken über ihr menschliches Versagen versunken merkte sie gar nicht, wie jemand von hinten an sie herantrat. Es war Dean und er hielt ihre Tasche in den Händen.
Als er sie aus dem Raum rennen sah, hatte er gleich ein ziemlich schlechtes Gewissen bekommen. Seine Antennen hatten ihm überdeutlich zu verstehen gegeben, dass das blonde Mädchen einfach nur schrecklich schüchtern war. Doch weil er vor den anderen als der Coole dastehen wollte – allen voran natürlich vor der Garderobentussi -, hatte er Joe aufs Korn genommen. Und das tat ihm nun schrecklich leid. So kannte er sich gar nicht.
„Entschuldige“, sagte er daher sehr leise, um sie nicht zu erschrecken. Aber natürlich ging sein Plan nicht auf. Die Designerin fuhr so stark zusammen, dass sie sich die Hand am Zaun aufschnitt, wirbelte zu ihm herum und bespritzte sich dabei mit ihrem eigenen Blut.
Bevor sie noch mehr Unheil anrichten konnte, legte er schnell die Tasche weg und griff nach ihrem Handgelenkt. „Warte“, sagte er, „ich habe ein Taschentuch.“
Er hatte mittlerweile den Fatsuit wieder abgelegt, um sich frei bewegen zu können. Und Pete war damit einverstanden gewesen, dass er Joe hinterherging, um sich zu entschuldigen. Er würde ihn sowieso erst heute Nachmittag benötigen. Daher blieb noch genügend Zeit für solche Sachen. Trotzdem war es in der Sonne so warm, dass er sofort wieder zu schwitzen begann. Das war ihm äußerst unangenehm und eigentlich wollte er sie gar nicht anfassen, weil er befürchtete, dass seine Hand eher einem kalten, toten Fisch glich und noch nach den Handprothesen roch.
Trotzdem zog er nun ein Taschentuch aus der Hosentasche und legte es ihr auf die inzwischen stärker blutende Wunde. Und sie ließ es bereitwillig geschehen. Vermutlich war sie viel zu eingeschüchtert, um zu protestieren. Noch immer trug sie den Ausdruck eines angeschossenen Rehs zur Schau.
„Oh nein“, jammerte sie schließlich, als sie einen Blick auf die Wunde geworfen hatte. „Wie soll ich denn so nähen?“ Ihr kamen sofort wieder die Tränen. Neue salzige Spuren zogen sich über ihre Wangen und wieder wäre sie am liebsten davon gelaufen. Nicht, weil es ihr peinlich war, dass er sie berührte. Das beruhigte sie auf eine seltsame Art und Weise.
Nein, es war ihr mehr als nur unangenehm, dass er sie schon wieder heulen sah. Was musste er denn von ihr denken? Er war bestimmt fünf Jahre älter als sie, doch weil sie so klein und zierlich war, wirkte sie meist noch nicht einmal volljährig auf die Leute. Ganz sicher dachte er, dass sie ein kleines, verheultes Mädchen war.
Und das, was er wohlmöglich Schlechtes über sie denken konnte, brachte sie nur noch mehr zum Weinen, bis sie das Gefühl hatte, kurz vor dem Zusammenbrechen zu stehen. Ihre Haut kribbelte an der Stelle, an der er sie berührte, fast unerträglich intensiv. Dieses Empfinden mischte sich mit dem Brennen ihrer Wunde und dem sich verletzt fühlen in ihrem Inneren und ließ daraus einen ziemlich ungünstigen Gefühlscocktail entstehen, der so nachdrücklich wurde, dass sie es nicht mehr aushielt. Mit einem Ruck entzog sie ihm ihre Hand und barg sie an ihrer Brust. Sein Taschentuch drücke sie dabei fest auf die Wunde.
Er trug noch immer die Perücke, die Gesichtsprothesen, die seine Nase und seine Stirn hervortreten ließen, und das Makeup. Deswegen sah er mit seiner normalen Jeans und dem Hemd ziemlich bescheuert aus. Wäre sie nicht so verwirrt gewesen, hätte sie sicher über ihn lächeln müssen. Doch gerade fand sie das Ganze nur beängstigend. Sie wollte davonlaufen, sich irgendwo verkriechen. Oder sofort auswandern und alles einfach hier zurücklassen.
Und vor allem wollte sie endlich aufhören zu weinen!
Vorsichtig trat er wieder einen Schritt auf sie zu. Dabei streckte er die Hand nach ihr aus wie nach einem scheuen Tier, das er zu beruhigen versuchte. „Es tut mir wirklich leid“, begann er, „was da drinnen passiert ist. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen. Das war ziemlich gemein von mir.“
Tiefe Furchen gruben sich in ihre Stirn, als er so mit ihr redete. Es kam ihr beinahe so vor, als würde er entweder mit einem kleinen, begriffsstutzigen Kind reden oder einem, der aus der Irrenanstalt geflohen war. Wenn sie nicht vor lauter Respekt die Zähne nicht auseinander bekommen hätte, hätte sie ihm vermutlich ein paar Takte dazu gesagt, dass sie durchaus erwachsen war und verstand, was er sagte. So jedoch konnte sie ihn nur weiter finster anstarren und hoffen, dass er von selber drauf kommen würde.
Den Gefallen tat er ihr aber leider nicht. Stattdessen versuchte er, nach ihren Händen zu angeln, die sie aber vorsorglich weiter an ihre Brust presste. Sie wollte auf gar keinen Fall riskieren, noch mehr verletzt zu werden. Sonst könnte sie sich ihre Arbeit hier abschminken. Und die war ohnehin schon stärker gefährdet, als ihr lieb war.
Schließlich gab er es auf, sich ihr nähern zu wollen, verschränkte die Arme vor der Brust, die für seine Größe sehr breit war, und sah sie abschätzend an. „Okay“, meinte er dann. „Wie wäre es, wenn ich jetzt wieder reingehe und drinnen auf dich warte? Und du kommst einfach nach, wenn du dich wieder gefasst hast.“
Unmerklich schüttelte sie den Kopf. Nein, ich will da nicht wieder rein!, schrie sie in Gedanken.
„Ich weiß, ich verstehe, wie es dir gehen muss.“ Seine Stimme war mit einem Mal viel sanfter geworden. Und als er sie nun ansah mit seinen blauen Augen war da auch keine Spur von Überheblichkeit mehr zu sehen. Es war, als blicke er ihr geradewegs in ihren Kopf rein und erriete ihre Gedanken.
Verdutzt ruckte ihr Kopf ein Stück nach hinten. Damit hatte sie irgendwie nicht gerechnet. Woher kam diese Verständlichkeit auf einmal?
Dean seufzte. Er konnte in ihrem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch. Er sah nicht nur ihre Verwirrung, sondern auch ihre Angst. Er konnte zwar nicht ergründen, woher das genau kam, aber dass er einen Teil dazu beigetragen hatte, dass sie immer noch weinte, war ihm durchaus klar. Und dafür schämte er sich auch gehörig! Was ziemlich eigenartig war, denn normalerweise war es ihm ziemlich egal, wenn er jemanden noch nicht kannte, was derjenige wohl über ihn denken konnte.
Hier musste er sich jedoch eingestehen, dass er ziemlichen Mist gebaut hatte, und das wollte er nun wieder gutmachen.
„Okay“, begann er neu, „ich denke, ich weiß, was dein Problem ist: ich habe dich vor allen dort drinnen bloßgestellt. Ich weiß noch nicht genau, womit ich das getan habe, aber wenn du es mir sagst, dann werde ich in Zukunft meine große Klappe halten. Einverstanden?“
Joe schüttelte den Kopf. Wie hätte sie jetzt auch nur ein Wort herausbringen können? Lieber hätte sie sich zu dem Pony ins Gehege gestellt und Heu gefuttert.
Er seufzte erneut. „Dann“, sagte er und zuckte hilflos mit den Schultern, „weiß ich auch nicht, was ich noch tun kann. Da ich aber darauf angewiesen bin, dass du mein Kostüm für heute Nachmittag umnähst, werde ich mich einfach wieder reinsetzen und auf dich warten. Und du kommst, wenn du dich danach fühlst.“ Er verkniff sich die Bemerkung, dass sie sich nur nicht zu lange Zeit lassen sollte, weil er ja auch irgendwann sicherlich vor die Kamera treten musste. Doch irgendetwas sagte ihm, dass es das nur noch schlimmer gemacht hätte. Also lächelte er ihr nur noch einmal zu und betrat wieder das Gebäude. Ihre Tasche ließ er dabei absichtlich auf dem Boden liegen.
Es dauerte eine Weile, bis Joe sich überhaupt wieder bewegen konnte. Diese ganze Situation war so absurd gewesen, dass es gar nicht passiert sein konnte. Doch als sie sich schließlich dazu durchringen konnte, zurück zu ihrer Tasche zu gehen, sich hinzuknien und das Leder zu berühren, musste sie feststellen, dass das Teil tatsächlich echt war und keine Einbildung. Also musste dieser Dean wirklich hier draußen gewesen sein. Und er hatte sich bei ihr entschuldigt.
Eigentlich hätte sie es mittlerweile gewohnt sein müssen, dass man sich bei ihr entschuldige, weil man sie vor den Kopf gestoßen hatte. Zumindest hier in den Studios waren ein paar Leute feinfühlig genug zu merken, wann sie sich bedroht fühlte. Doch ihre kleine Persönlichkeitsstörung verhinderte einfach, dass sie denken konnte, dass tatsächlich mal andere für irgendwelchen Mist verantwortlich waren. Denn sonst gaben sie und alle anderen doch auch immer ihr die Schuld an allem. Bisher hatten nur ihre Mutter und Denver sie in Schutz genommen. Dass nun gleich mehrere Männer damit anfingen oder schon damit angefangen hatten, verwirrte sie zutiefst. Das musste wirklich dringend aufhören!
Unschlüssig stand sie nun da, hielt ihre Tasche mit beiden Armen fest umschlungen und starrte den Eingang des Art Department an, als wäre er der Schlund eines Drachen, der sie verschlingen wollte. Konnte sie es riskieren, Dean einfach so stehen zu lassen?
Kurz zuckten ihre Beine Richtung Ausgang, doch dann dachte sie daran, was das bedeuten würde. Ihre Angst, von Richard gefeuert zu werden, weil sie die Arbeit, die er und Pete ihr aufgetragen hatten, nicht erledigte, war irgendwie größer als die Angst, noch einmal mit diesem Dean einen Raum teilen zu müssen. Also setzte sie sich ganz langsam in Bewegung. Drinnen angekommen atmete sie noch ein paar Mal tief durch, bevor sie die Klinke herunterdrückte.
Überrascht hielt sie inne, weil sie auf den ersten Blick niemanden sehen konnte. Erst, als sie ihre Tasche wieder abgelegt und nach ihren Utensilien gesucht hatte, die sie gleich benötigen würde, hörte sie aus dem Nebenraum ein Geräusch. Ein Wasserhahn wurde abgedreht und Dean betrat, sich die Hände trocknend, das Atelier. Als er sie sah, strahlte er über das ganze Gesicht. „Schön, dass du doch gekommen bist.“ Er warf das benutzte Handtuch in eine Ecke und setzte sich auf einen beliebigen Stuhl. Dabei achtete er nicht darauf, ob er ihr zu nahe kam, hielt aber unbewusst genau den richtigen Abstand zu ihr ein.
Joe nickte nur kurz und vertiefte sich wieder in ihr Nähzeug. Sorgsam fädelte sie den Faden in die vorgeschriebenen Ösen und zog ihn fest.
Und weil sie offenbar nicht vorhatte, überhaupt etwas zu sagen, er aber die unangenehme Stille nicht ertragen konnte, plapperte er einfach drauf los. „Wenn ich mir die Sachen hätte alleine umnähen müssen, dann hätte ich vermutlich mehr wie ein Zauberer ausgesehen, als wie ein Zwerg. Ich habe auch schon die Zeichnungen von Radagast gesehen. Sieht wirklich echt spitze aus! Hast du die gemacht oder bist du nur für die Zwerge verantwortlich?“
Erwartungsvoll sah er sie an, während sie sich ein Maßband geschnappt hatte, und nun darin inne hielt, auf ihn zuzugehen, um seine Maße zu nehmen. Etwas erschrocken sah sie ihn an, weil er ihr direkt eine Frage gestellt hatte. Er dachte jedoch gar nicht daran, sie dieses Mal davonkommen zu lassen. Etwa nach dreißig Sekunden Stille flackerte ihr erschrockener Blick. „Die“, quiekte sie, räusperte sich und setzte noch einmal an: „Die Elben.“
Mehr sagte sie nicht, doch das reichte ihm erst einmal. Anerkennend nickte er. „Cool, dann ist Elronds Kostüm also von dir. Das finde ich super. Aber besonders hat mir das von Galadriel gefallen. Das hab ich zufällig hinten im Lager hängen sehen. Der Mantel ist klasse. Ich bin wahnsinnig gespannt darauf, wie Cate Blanchett darin aussehen wird. Weißt du, ob sie schon zugesagt hat für den Dreh? Ich habe mitbekommen, dass die Bruchtal-Szenen bald gedreht werden sollen.“
So ging es eine Weile weiter, bis Joe damit fertig war, Deans Maße zu notieren. Mit seinem Gerede hatte er ihr unbeabsichtigt die Nervosität genommen. Jetzt wäre er eigentlich fertig gewesen, doch da er nichts zu tun hatte bis zum Nachmittag, beschloss er, dass er ihr ein wenig über die Schulter gucken wollte.
Am Anfang war ihr das ziemlich unangenehm, dass er sie beim Arbeiten beobachtete, doch schon bald hatte sie sich daran gewöhnt, dass er ihr schweigend zusah. Ab und zu, wenn ihm etwas einfiel, erzählte er das, was ihm gerade in den Sinn kam. „Hast du auch die Kostüme für Aidan gemacht? Ich hatte das Casting mit ihm und es war ziemlich angenehm. Wir haben uns auf Anhieb verstanden. Darüber bin ich auch sehr froh. Stell dir vor, wir würden uns nicht verstehen. Dann müssten wir diese ganze Bruderliebe-Geschichte faken. Das wäre ziemlich anstrengend.“ Er überlegte kurz, dann sagte er: „Und Richard kann ich mir auch sehr gut als meinen Onkel vorstellen. Hast du ihn schon kennengelernt?“
Dass er damit ihren Archy meinte, war ihr in dem Moment klar, als er ihn seinen Onkel bezeichnete. Und sie musste auch gleich wieder lächeln, als sie daran dachte, wie sie sein Kostüm gemacht und angepasst hatte. Doch sie sagte nichts.
Dean sah jedoch ihr Lächeln und zog daraus seine eigenen Schlüsse. Als sie endlich fertig war, durfte er die Sachen noch einmal anprobieren. Dazu musste er sich jedoch wieder den Fatsuit anziehen. Nachdem er zurückkam, hatte er wieder eine Kamera im Schlepptau. Dieses Mal jedoch war der Kameramann alleine ohne Pete. Dean allerdings nutzte die Gelegenheit, um ein paar Worte zu sagen.
Er sprach über das tolle Kostüm, wie gut es verarbeitet war und wie nett die Leute hier zu ihm waren. Dass er es kaum erwarten könne, endlich vor die Kamera zu treten und er sich sehr darüber freue, dass er doch noch eine Rolle hier in diesem Projekt hatte ergattern können, auch wenn es nicht die war, für die er eigentlich vorgesprochen hatte. Eine Assistentin aus der Kostümabteilung half ihm dabei in Fílis Mantel hinein. Sie strich den Stoff über seinen Schultern glatt, während Joe sich sorgfältig im Hintergrund hielt und peinlich genau darauf achtete, nicht in den Blickwinkel der Kamera zu geraten.
„Der Mantel sitzt super“, sagte die Assistentin. „Gute Arbeit!“ Dabei warf sie Joe einen Blick zu, der deutlich machen sollte, wie beeindruckt sie war, dass sie das in der kurzen Zeit so hinbekommen hatte, was Joe natürlich sofort erröten ließ. Besonders, weil sie die Frau gar nicht kannte.
„Klasse!“, rief Dean aus und klatschte in die Hände. „Dann können wir ja jetzt zum Set gehen.“ Man merkte ihm an, dass er sehr aufgeregt war. Doch so schnell ging es dann doch noch nicht, denn erst ging es für alle zum Mittagessen. Um sich an sein ganzes Kostüm zu gewöhnen, was das Gewicht anging und die Art, wie man sich darin bewegen musste, beschloss er auch kurzerhand, es einfach anzulassen. Erst hatte er Bedenken, dass er damit auffallen würde, doch als er die Kantine betrat, sah er seine Kollegen ebenfalls in ihren Kostümen rumlaufen. Kurzerhand nahm er dann auch einfach neben Aidan Platz, nachdem er sich sein Essen geholt hatte.
Gegenüber von ihm saß Graham, der sich sichtlich abmühte, mit seinen Handprothesen seine Suppe zu löffeln. Als er Dean Platznehmen sah, blickte er auf. „Hast du Joe nicht mitgebracht?“, fragte er und sah sich neugierig um.
„Sie hat mit einer Tupperschüssel gewunken, als ich sie gefragt habe“, antwortete er. „Vermutlich sollte das heißen, dass sie sich etwas mitgebracht hat.“ Und etwas leiser fügte er noch hinzu: „Viel reden tut sie ja nicht gerade.“
„Du kannst froh sein, wenn sie dich überhaupt anguckt“, lachte Aidan und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Die Kleine ist schon etwas Besonderes.“
Richard sah von seinem Essen auf, als er das hörte. Er saß zwei Plätze weiter neben Stephen, der sich seine roten Bombur-Zöpfe auf den Kopf hatte binden lassen, um besser essen zu können. Er hatte bisher die besten Techniken entwickelt, mit seinem ziemlich wuchtigen Kostüm umzugehen. Manchmal benutzte er sogar sein angeklebtes Kinn, um sein Blackberry darin abzulegen.
„Aidan“, knurrte Richard zur Antwort, was den Angesprochenen sofort dazu veranlasste, die Hände abwehrend in die Höhe zu halten. „Schon gut! Ich hab doch gar nichts gesagt“, sagte der Ire und aß weiter. Dabei murmelte er etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, während seine künstliche Nasenspitze dafür sorgte, dass er die Gabel mit den Nudeln nicht vernünftig in seinen Mund schieben konnte. Schließlich gab er entnervt auf und begann mit den Finger zu essen.
Dean schaute verwirrt zwischen Aidan und Richard hin und her, doch keiner der beiden schenkte ihm groß Beachtung. Daher wandte er sich an Graham „Was ist denn hier los? Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Der grimmige Schotte winkte ab. „Nein, nein. Es ist nur so, dass Richard sich offenbar auf die Fahne geschrieben hat, die kleine Joe vor Aidan ‚Herzensbrecher‘ Turner zu beschützen. Der hat nämlich ziemlich offensive Flirtversuche gestartet, die die Kleine in arge Bedrängnis gebracht haben.“
„Jetzt übertreibst du aber“, nuschelte Aidan, der leicht rot geworden war. Dann zeigte er mit einem fettverschmierten Finger auf Graham. „Außerdem nimmst du sie auch immer in Schutz!“ Es sollte wohl eher wie ein Vorwurf klingen, hörte sich in Deans Ohren aber ganz und gar nicht danach an. Deswegen legte er die Stirn in Falten und grinste. „Ich weiß jetzt nicht, für wen das unangenehmer sein soll: für dich, Aidan, oder für Graham.“
Das sorgte dafür, dass die anderen am Tisch sofort in schallendes Gelächter ausbrachen, und Jed schlug seinem Sitznachbarn Dean sogar anerkennend auf die Schulter. Damit war das Eis gebrochen und die Zwergengemeinschaft war wieder vollständig. Und während Joe still in ihrem Atelier saß und ihren kalten Reissalat müffelte, klingelten ihr die Ohren.