LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 16
~ Saurons Plan
Nachdem Saruman durch die Hand seines treusten Dieners getötet worden und unsere einzige Chance auf brauchbare Informationen im Schmutzwasser von Isengart versunken war, herrschte eine getrübte Stimmung vor. Der Rückweg nach Edoras war seltsam. Zwar waren wir alle froh darüber, einen Feind ausgelöscht zu wissen und die Gefallenen gerächt zu haben, aber wir wusste auch, dass noch ein weiter Weg vor uns lag. Wir hatten erst die Hälfte geschafft, denn ein Feind schlummerte noch in seiner dunklen Burg. Und obwohl er noch nicht seine volle Stärke gezeigt hatte, zitterte jeder bei der Erwähnung seines Namens.
Den ganzen Rückweg über ritt ich neben Gandalf her und redete auf ihn ein. Irgendwie mussten wir herausfinden, was Saurons nächster Schritt war. Er hatte seinen Verbündeten eingebüßt, aber das würde ihn sicher nicht schwächen. Ich vermutete eher das Gegenteil. Schließlich konnte er schon lange nicht mehr darauf bauen, dass Saruman ihm Informationen aus unseren Reihen übergab. Dafür lag der Verrat schon zu weit in der Vergangenheit.
Jetzt war es an uns, unseren Feind einzuschätzen.
Was hatte er vor?
Wo würde er zuschlagen?
All das schwirrte in meinem Kopf umher und ich wusste keine Antwort. „Gandalf, wir müssen wissen, was sein nächster Schritt ist. Die Zwerge wird er nicht angreifen. Aber es gibt noch Lórien. Auch wenn es geschützt ist durch Nenya weiß ich nicht, ob der Zauber lange genug halten kann, um den Krieg zu gewinnen.“
„Ich glaube nicht, dass es die Elben sind, die ihn interessieren“, sagte der Zauberer nachdenklich. Ich wusste, was er damit sagen wollte. Doch ich war anderer Meinung. Schließlich waren wir Elben die Unsterblichen. Wir waren die Erstgeborenen. An uns müsste er zuerst vorbei.
Augenblicklich wusste ich, was der alte Mann meinte.
Zurück in der Stadt der Pferdeherren kam ich mir vor wie auf einem Volksfest. Alle waren froh darüber, die Schlacht überstanden zu haben, aber keiner dachte auch nur daran, dass der Krieg noch lange nicht zu Ende war. Aus diesem Grunde kam mir die Totenfeier zu Ehren der Opfer aus Helms Klamm etwas grotesk vor und ich wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte.
Zwar hatte ich seit langem wieder ein Kleid angezogen und es gegen die Reithosen eingetauscht, aber ich fühlte mich nicht mehr wohl darin. Meine Beine waren kalt und die langen, weiten Ärmel störten mich. Ich hatte mich zu Legolas und Gimli gesetzt, die sich etwas weiter hinten aufhielten. Ich hoffte darauf, das Schauspiel hier unbeobachtet zu überstehen. Ganz fortbleiben konnte ich leider nicht. Als Vertreterin der Elben aus Lothlorien wäre es einer Beleidigung gleichgekommen, die Siegesfeier zu verlassen. Politik wurde auch hier groß geschrieben.
Von hinten sah ich, wie Éowyn ihrem Onkel einen Becher mit Bier brachte. Er erhob sich von seinem Throne und die Menschen taten es ihm gleich. „Heute Nacht gedenken wir derer, die ihr Blut gegeben haben, dieses Land zu verteidigen. Heil den siegreichen Toten!“
Und seine Männer antworteten ihm: „Heil!“ Jeder nahm nun einen tiefen Schluck aus seinem Becher. Auch ich setzte den Rand an meine Lippen, aber ich brachte das bittere Gebräu nicht hinunter. Nur aus Solidarität nahm ich einen winzigen Schluck und rief dann nach einem Mädchen, sie solle mir Wein bringen.
Wie im Traum nahm ich den restlichen Abend wahr. Ohne darauf zu achten, wie viel ich trank, hatte ich dem Mädchen gesagt, es solle meinen Krug immer voll halten, dann würde ich ihm eine Münze zukommen lassen. Und daran hielt sie sich auch. Mein Becher war immer gefüllt und ich leerte ihn jedes Mal aufs Neue wieder. Versunken in melancholische Gedanken bekam ich weder mit, dass Legolas und Gimli sich einen Kampf um den Titel des Besten Trinker mit diesem widerwärtig bitteren Bier lieferten, noch dass es zwischen Aragorn und Éowyn offenbar etwas gab.
Ich wollte einfach nur vergessen, was in den letzten Tagen geschehen war. Und der Wein sollte mir dabei helfen. Nachdem ich schließlich mehrere Krüge geleert hatte, brauchte ich frische Luft. Ich trat vor die Halle und blickte in den Sternenhimmel. Sofort konnte ich Varda auf ihrem Throne sitzen sehen und Wut stieg in mir auf. „Warum hast du mich nicht gewarnt?“, schrie ich ihr entgegen. Zum Glück waren alle Bewohner in der Halle beim Fest. So konnte mich keiner für verrückt erklären, weil ich zu den Sternen sprach.
„Du hast ihn einfach sterben lassen! Wenn du es mir gesagt hättest, wäre ich nie dorthin gegangen. Aber du und dein großartiger Plan, mich gegen das Schicksal Mittelerdes einzutauschen, hat nun meinen Verlobten das Leben gekostet. Er ist tot!“ Verzweifelt sank ich auf die Knie und schlug mit den Fäusten auf den Boden. Dabei spürte ich wieder meinen gebrochenen Arm. „Er ist tot und es ist meine Schuld.“
Tränen tropften auf den Steinboden und bildeten dunkle Punkte darauf, in denen sich die Sterne spiegelten. Ich ertrug es einfach nicht mehr, ich zu sein. Alles lag an mir. Jeder baute darauf, dass ich es schaffen würde, diesen ganzen Tod zu verkraften. Man nahm mir einfach das, was mir am Wichtigsten war, und baute darauf, dass ich den Verstand nicht verlor. Doch wie sollte ich klar denken, wenn alles schwand, woran ich glaubte?
Da ich keine Antwort von den Sternen erhielt, machte ich mich auf den Weg zu meinem Lager. Als ich wieder in die Halle eintrat, schlug die feuchte, stickige Luft auf meinen Kopf ein wie ein Hammer. Ob das nun daran lag, dass ich seit Tagen weder gegessen noch geschlafen hatte, weiß ich nicht mehr zu sagen. Ich ging zu meinem Lager und ließ mich mit meinem schönen Kleid und meinen Stiefeln, vorne überkippen, ohne darauf zu achten, dass es sich bei meinem Lager nur um eine dünne Strohmatte auf hartem Steinboden handelte, und ich war eingeschlafen noch bevor meine Wange auf dem Kissen aufschlug.
Mein Schlaf jedoch war sehr unruhig. Wilde Träume, denen ich meist nicht folgen konnte, verwirrten meinen Geist, bis das Bild schließlich auf Haldirs leeren Augen stehen blieb. Ich schreckte hoch und musste mir sofort an den Kopf packen, denn es schwindelte mich und mein Kopf, wie auch meine Gedanken, waren schwer. Langsam stand ich auf und ging aus der Halle hinaus. Die Sterne waren noch nicht sehr weit gewandert, seit ich das letzte Mal in den Himmel geblickt hatte. Ich hatte also nicht sehr lange geschlafen.
Hier draußen, wie auch im Himmel, war niemand und ich begrüßte das. So konnte ich in Ruhe nachdenken, was mir allerdings noch etwas schwer fiel. Ich setzte mich an den Rand der Plattform, auf der die Goldene Halle stand. Unter meinen Füßen ging es beinahe zwanzig Meter in die Tiefe. Es hätte mich nur eine kurze Anstrengung gekostet und mein Körper wäre am Fuße des Berges zerbrochen. Es wäre kaum ein Muskelaufwand gewesen.
„Ihr könnt nicht schlafen?“ Eine Stimme riss mich gewaltsam aus meinen selbstzerstörerischen Gedanken und brachte mich etwas aus dem Gleichgewicht. Ich ließ die Stimme noch einmal in meinem Kopf widerhallen und erkannte Legolas. Trotzdem reagierte ich nicht auf seine Frage, denn ich wollte lieber alleine sein. Leider ließ er sich davon nicht abschütteln und trat hinter mich. Ich würde ihm wohl antworten müssen, wenn ich ihm das Wort abschneiden wollte.
„Meine Träume halten mich wach“, sagte ich und das war an sich schon eine recht merkwürdige Aussage, denn wenn man wach war, hatte man keine Träume und wenn man Träume hatte, war man nicht wach. Aber genau das war es, wie ich mich fühlte: weder wach noch schlafend.
Legolas nahm jetzt neben mir Platz und sah mich von der Seite her an. „Geht es Eurem Arm besser?“ Ich betrachtete meinen linken Unterarm, der in einem dicken Verband, mit einem Stock stabilisiert, steckte und auf meinem Schoß lag. Mittlerweile konnte ich zeitweise ein leichtes Stecken oder Ziehen bemerken, wenn ich ihn in eine bestimmte Richtung bewegte. Allerdings war ich mir nicht so ganz sicher, ob dies nun ein Fortschritt war, geschweige denn dass ich sagen konnte, dass es dem Arm besser ging. Aber ich nickte einfach, in der Hoffnung, er würde bald wieder verschwinden.
Er hob seinen Arm hoch zu meinem Gesicht und ich schreckte ein wenig zurück, weil ich diese Bewegung nicht erwartet hatte. Er hielt inne und ließ mich auf ihn zukommen. Ich drehte also meinen Kopf etwas in seine Richtung und er berührte mit dem Zeige- und Mittelfinger meine Wange. Zuerst hatte ich angenommen, dass er nasse oder vielleicht auch nur kalte Hände hatte, doch dann wurde mir klar, dass ich geweint hatte.
„Ihr müsst nicht mit mir sprechen, wenn Ihr das nicht wollt“, sagte er und ein unbeschreibliches Gefühl überkam mich so plötzlich, dass ich meinem Körper beinahe nachgegeben und mich in seine Arme geworfen hätte, um dort vielleicht Trost zu finden. Mehr als alles andere wollte ich mit jemandem reden, aber ich hatte doch keine Ahnung, ob er hören wollte, was ich zu sagen hatte. „Aber wenn Ihr Euch dennoch dazu entschließen solltet, werde ich Euch zuhören, das verspreche ich Euch, Herrin von Lothlorien.“
Ich spürte jetzt, dass neue Tränen sich ihrer Wege Bahnen brachen. „Ich bin mir noch nicht einmal sicher, was ich erzählen sollte“, schluchzte ich. Noch vor Beginn dieser Reise wäre ich wohl vor Scham im Boden versunken, hätte mir jemand gesagt, dass ich vor dem Prinzen des Düsterwaldes weinen würde. „Ich habe so viel erlebt in den letzten Monaten, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen sollte zu berichten. Ich bin so traurig über das ganze Leid und so verzweifelt, dass ich nichts dagegen tun kann, dass ich bereits anfange, selbstzerstörerische Gedanken zu haben. In meinem Herzen ist so viel Schmerz, dass ich nicht einmal meinen gebrochenen Arm spüre. Ich kann einfach nicht mehr…“ Ich brach ab. Er wusste nun schon mehr über mich, als jeder andere.
Seine Hand legte sich auf meine gesunde. „Ist schon gut. Ihr könnt mit mir reden.“ Ich riss mich los und war im nächsten Augenblick auch schon auf den Beinen. „Gar nichts ist gut!“, rief ich und lief in die Halle zurück. Dabei stieß ich mit Aragorn zusammen, tat aber mein Bestes, ihm mein Gesicht nicht zu zeigen. Es hatte genug Schaden angerichtet, Legolas meine Gefühle zu zeigen.
Irgendwo in der leeren Halle ließ ich mich gegen eine Säule sinken, glitt an ihr zu Boden und vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich wollte sterben. Ich hatte keinen Willen mehr zu leben und ich verfluchte mein Dasein.
Ein Druck baute sich plötzlich in meinem Geist auf und ich konnte spüren, wie ein anderes Bewusstsein zu mir vorzudringen versuchte. Ich glaubte, dass es Varda war. Entschlossen baute ich jedoch eine Mauer um mich auf und versuchte sie abzuwehren. Ich hatte mich entschieden, dass ich nicht mehr das Spielzeug der Valar sein wollte. Das war nicht mehr mein Schicksal. Dieser Teil meiner Aufgabe war mit Haldir gestorben. Sollte doch jemand anderes all das opfern, was er liebte.
Ein Schrei durchdrang meinen Geist und ich fuhr erschrocken auf. Etwas war geschehen, das konnte ich spüren. Der Schrei war nicht über meine Ohren in mein Bewusstsein gelangt, sondern vielmehr über mein Herz. Spannung und Angst lagen in der Luft. Augenblicklich erhob ich mich und lief los, darauf vertrauend, dass meine Füße den richtigen Weg wussten. Und sie trugen mich zum Nachtlager, wo Aragorn, Gandalf und die Hobbits ihre Betten aufgeschlagen hatten. Hinter der Türe hörte ich nur Merry leise Pippins Namen rufen. In meinem Kopf jedoch hörte ich eine tiefe Stimme wie Donner grollen, deren Worte ich aber nicht verstand. Es war, als würde sie wie durch einen Nebel zu mir dringen. Und als ich die Augen schloss, sah ich einen toten Baum in einem brennenden Steinhof stehen.
Aragorn schob mich grob zur Seite, als er an mir vorbei durch die Türe ging. Ich schwankte und griff blind in die Dunkelheit, denn ich wollte die Vision nicht vertreiben, bevor ich wusste, was sie mir zeigte. Eine Hand kam aus der Finsternis und ich packte sie. Ich öffnete die Augen und erkannte Legolas neben mir. Er wartete, bis ich mich alleine auf den Beinen halten konnte, und ließ mich dann mit einem leicht besorgten Blick wieder los. Ich blickte ihm nach durch die nun geöffnete Tür und sah, wie Aragorn noch einem brennen Ball griff, den Pippin zwischen den Händen hatte. Erst als der Ball zu Boden rollte, erkannte ich den Palantír. Ein Blick in den Sehenden Stein zeigte mir das Lidlose Auge des Feindes, wie es mich anstarrte. Sauron schien in meinen Geist eindringen zu wollen, aber durch die Trauer über Haldirs Tod war mein Geist verschlossen worden. So ließ der Herr des Dunklen Landes wieder von mir ab und sein Geist kehrte in seine Festung Barad-dûr zurück.
Mir kam ein merkwürdiger Gedanke: war Haldirs Tod am Ende meine Rettung gewesen? Nachdem er starb hatte ich unbewusst jegliche geistige Bindung nach Außen abgebrochen, weil ich mich isolieren, mich dem Willen der Götter nicht mehr beugen wollte. Wäre er nicht gefallen, hätte meine Freude vermutlich keine Grenzen gekannt und ich hätte meinen Geist für alles geöffnet. War dies der Grund, warum er hatte sterben müssen? Galt es er oder ich und hatte man mein Leben am Ende für wichtiger befunden?
Gandalfs Worte ließen mich wieder aufhorchen. Ich sah Angst in Pippins Augen, als der alte Zauberer ihm sagte, dass Sauron seinen Plan gerade eben offenbart hatte. Und mir war nun auch klar, was das für ein Plan war: der Dunkle Herr hatte vor, die Weiße Stadt der Menschen anzugreifen. Er wollte die Menschen auslöschen, denn sie waren für ihn die größte Bedrohung. Die Elben zogen in den Westen, überließen Mittelerde ihrem Schicksal. Den Zwergen war es egal, was mit der Welt oberhalb geschah. Und von den Hobbits, diesem tapferen kleinen Volk, hatte er sicherlich vorher noch nicht einmal gehört. Schließlich waren sie auch keine Krieger.
Nur die Menschen waren noch gefährlich. Wenn die Elben verschwunden waren, würden sie unseren Platz einnehmen und die Herren dieses Landes werden. Und das musste Sauron verhindern. Doch er würde sich nicht mit Gondor zufrieden geben, hatte er Minas Tirith dem Erdboden gleich gemacht. Seine Horden würden auch vor Rohan nicht Halt machen.
Doch als Aragorn am nächsten Tag mit dem König Théoden sprach, wurde er bissig. Gandalf war mit Pippin nach Minas Tirith aufgebrochen, um die Menschen zu warnen und dort dem Zorne Saurons zu begegnen. Wir anderen waren in Edoras geblieben und warteten auf den Krieg. Denn nach der Abfuhr, die sich Aragorn eingehandelt hatte, würden die Orks wohl zu und kommen müssen. Der König wollte die Stadt um keinen Preis verlassen.
Natürlich war das der reine Wahnsinn! Wenn Gondor fiel, würde Rohan sich nicht halten können. Sie waren noch so geschwächt von der Schlacht in Helms Klamm, dass ihre einzige Überlebenschance eine Allianz mit dem Truchsess der Weißen Stadt war. Doch Théoden war so geblendet von der Trauer über seine gefallenen Krieger, dass er sich zu verstecken suchte. Wenn er sich hier verschanzte, würde Sauron ihn in seinem Bau ausräuchern, wie ein Fuchsjunges ohne Mutter.
Die Tage in Edoras wurden für mich zur Qual. Der einzige Sinn bestand für mich darin, vor Legolas davonzulaufen. Am Anfang konnte ich mich noch im Stall bei Alagos verstecken, doch als er dies herausgefunden hatte, wurde es schwer für mich, einen ruhigen Ort zu finden. Ich fühlte mich so schrecklich verletzlich, dass es eigentlich nicht verwunderlich war, dass ich auf Éowyn traf. In ihren Augen sah ich die gleiche Traurigkeit, auch wenn in ihren noch ein Funkeln war, sobald sie Aragorn ansah. Ob er wusste, dass sie ihn liebte? Zu gönnen wäre es ihnen, denn Glück sollte jeder haben. Doch was war mit Arwen, meiner Nichte? Hatten sie und Aragorn sich nicht ewige Liebe geschworen und war nicht der Abendstern auf seiner Brust das Zeichen dafür?
„Zeigt mir, wie Ihr das macht!“ Die Stimme der Schildmaid holte mich in die Wirklichkeit zurück. Als ich merkte, wohin ihr Blick ging, erkannte ich, dass ich gedankenverloren mit einem Schwert gespielt hatte, das wir gerade gesäubert hatten. Wahrscheinlich waren mir durch das jahrelange Training die Bewegungen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie wie Reflexe wurden. Weil ich nicht vor Langeweile sterben wollte und außerdem eine Ausrede brauchte, falls Legolas noch einmal mit mir sprechen wollte, ließ ich mich auf das Training ein. Und meine Schülerin zeigte sich sehr talentiert im Umgang mit dem Schwert. Die beiden Tage, die wir miteinander kämpften, machten mir klar, dass wohl ein großer Krieger an ihr verloren gegangen war. Und ich vermutete, dass auch ihr das klar war und sie die Männer beneidete, weil diese in den Kampf ziehen und Ruhm ernten konnten. Meine Versuche, ihr klar zu machen, dass der Tod nichts Ehrenhaftes war, perlten an ihr ab, wie Regen auf einem Schild.
Gegen Ende unserer Zeit war ich unaufmerksam geworden. Die Kämpfe mit Éowyn machten mir zwar Spaß, lenkten meine Gedanken auch in eine andere Richtung, aber sie schwächten meinen Körper. Ich glaubte, der Prinz würde es nun Gutsein lassen. Doch ich irrte. „Geht Ihr mir aus dem Weg?“ Seine blauen Augen bohrten sich in meine. „Ich habe Euch nicht kränken wollen, aber gebt mir wenigstens die Gelegenheit, mich zu entschuldigen.“
Ich ließ die Schultern hängen und meine innere Abwehr fiel in sich zusammen. Eigentlich hatte er nichts Unrechtes getan. An mir lag es, dass die Situation ausgeartet war. Genau genommen war sie das nicht einmal. Daher straffte ich mich wieder, versuchte ein ehrliches Lächeln auf meine Lippen zu zaubern und hob meinen Blick. „Nein, ich muss mich bei Euch entschuldigen. Mein Benehmen war ungeziehm. Bitte, nehmt Ihr meine Entschuldigung an, Prinz Legolas, Sohn des Thranduil, des Königs unter Buchen und Eichen?“
Es erstaunte ihn, dass ich mich nun entschuldigt hatte, das entnahm ich seinem Blick. Doch er hatte sich schnell wieder gefasst, lächelte und nahm meine Hand. Er wirkte dabei so unwiderstehlich, dass ich für einen kurzen Moment vergaß, warum ich hier war. „Da, wo ich herkomme, hat eine Dame sich nicht zu entschuldigen. Lasst uns noch einmal von vorne beginnen und diesen unruhigen Abend vergessen. Was sagt Ihr?“
Diesen Vorschlag konnte ich einfach nicht ablehnen. Ich reichte ihm auch meine andere Hand und drückte seine, froh darüber, diese Sache aus der Welt geschaffen zu haben. Beide sahen wir uns tief in die Augen und plötzlich schien in meinem Inneren eine Flamme aufzulodern. Erst Aragorns aufgeregte Stimme konnte mich von Legolas’ blauen Augen losreißen. „Die Leuchtfeuer von Minas Tirith! Die Leuchtfeuer brennen! Gondor ruft um Hilfe.“