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Kapitel 12

~ Unter Fangorns Blättern

 

Ich hatte mir die Reise auf dem Rücken Landrovals, Gwaihirs Bruder, viel angenehmer vorgestellt. Doch das ständige Auf und Ab machte meinem Magen ganz schön zu schaffen. Ich hatte kaum Augen für den einzigartigen Ausblick, der sich mir von hier oben bot, wohingegen Gandalf den Flug zu genießen schien. Sein Mantel wehte im Wind und ich hätte mich keine Sekunde gewundert, hätte er nun auch noch seine Pfeife entzündet.

 

Wir flogen über die Ebene, die sich zwischen dem Nimrodel, der Lórien durchfloss, und dem Fluss Limklar, der aus dem Fangornwald herauskam, erstreckte und ich konnte im Licht der untergehenden Sonne den Anduin wie ein Band aus Rubinen funkeln sehen. Meine Gedanken waren jedoch weniger bei dem Edelstein, als bei Blut. Ich fragte mich, wie viel Blut der Frieden wohl kosten würde und ob er überhaupt mit Blut bezahlt werden konnte oder ob er jemals herrschen würde.

 

Als wir endlich landeten, war ich glücklich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich lief ein wenig herum, um festzustellen, dass meine Beine nichts von ihrer Sicherheit verloren hatten auf dem langen Flug. Gandalf und ich bedanken uns bei unseren Reittieren und ließen sie dann davonfliegen. Wir jedoch machten erst einmal ein kleines Feuerchen, wobei wir allerdings nur Zweige verwendeten, die auf dem Boden lagen.

 

Während wir uns wärmten, richtete ich meinen Blick nach oben in die Baumkronen und fragte mich, was dieser Wald wohl schon alles erlebt hatte. Zweifellos war er alt, vielleicht sogar älter als ich selbst, und es gab viele Erinnerungen hier, die nicht alle gut waren, denn ich konnte spüren, dass sich die Bäume miteinander unterhielten, während wir am Feuer saßen. Sie waren sicherlich nicht davon begeistert, mitten unter ihnen ein Feuer im Wald zu sehen.

 

Der Tag verging und der Abend brach herein, doch Der Zauberer machte keine Anstalten, sich zu erheben. Wir sprachen auch nicht viel miteinander und deswegen wurde ich immer unruhiger. Worauf warteten wir hier? Hatte es etwas mit dem Krieg zu tun, den ich im Wasser der Spiegels gesehen hatte? Warteten wir darauf, dass wir an dem Krieg teilnehmen konnten? Wusste Gandalf überhaupt etwas darüber?

 

Bevor ich jedoch fragen konnte, konnte ich ein Knacken von Ästen weit entfernt hören, das aber immer schneller zu uns kam. Es wurde begleitet von einem Stampfen, das wie von großen Füßen kam. Mein Begleiter erhob sich langsam und löschte das Feuer. „Nur zur Sicherheit“, sagte er und nahm wieder seinen Platz ein. Nervös beobachtete ich die Bäume, die in die Richtung standen, aus der die Geräusche kamen und ich begann mich zu fragen, ob es nicht vielleicht besser wäre zu verschwinden. Doch plötzlich schob sich etwas durch die Bäume und ich dachte zu erst, es sei ein Baum von dem riesenhaften Wesen entwurzelt worden, aber dann wurde mir bewusst, dass ich vor einem Ent stand. Ehrfürchtig verneigte ich mich vor diesem alten Wesen, dessen Lebensjahre die meinen sicherlich um ein Vielfaches übertrafen.

 

Ich hatte in meinem langen Leben noch kein solches Wesen gesehen. Es sah aus wie ein Baum, seine Gliedmaßen waren ungleich und sein Gesicht war seltsam geformt durch die Furchen der Jahre. Doch in seinen Augen lag Weisheit und die Trauer vieler Jahre. Ich fragte mich, was ihn wohl so traurig gemacht hatte, aber ich wagte nicht, meine Stimme zu erheben.

 

Der Ent ließ sich auf einen großen Felsen nieder und er und Gandalf begannen ein Gespräch. Sie hatten sich wohl lange nicht mehr gesehen und erzählten bis spät in die Nacht hinein. Irgendwann jedoch erstarben ihre Stimmen und Baumbart, wie der Ent sich vorgestellt hatte, begann ein Lied zu singen. Während er sang, legte ich mich auf den Rücken und richtete meinen Blick in den Himmel. Über mir erstrahlten die Sterne.

 

Das gleichmäßige Singen führte mich in eine Art Trance und ich konnte sehen, was außerhalb des Waldes geschah. Mein Geist löste sich von meinem Körper und schien über das Land zu fliegen. Zu erst nahm ich wahr, was an den Grenzen von Fangorn geschah. Ich konnte eine Herde von Orks sehen, die die Bäume fällten, um Brennholz zu holen.

 

Dann flog mein Blick weiter und ich erkannte, zwei Tagesreisen von den Orks entfernt, Aragorn, Gimli und Legolas. Ihre Schritte waren schnell und sie rasteten nicht in der Nacht. In ihren Gesichtern konnte ich Entschlossenheit und auch ein wenig Furcht erkennen, doch sie waren unerschrocken auf der Fährte der dunklen Kreaturen. Warum sie sie verfolgten, wurde mir allerdings nicht klar.

 

Das war jedoch nicht das, was ich sehen wollte. Ich versuchte meinen Blick etwas weiter nach Norden zu lenken, denn dort hoffte ich, meinen Verlobten zu erblicken. Ich sah Bruchtal, doch Haldir konnte ich nicht finden. Die Spuren der Pferde waren noch frisch, aber so schnell ich auch ihnen folgte, ich konnte ihre Verursacher nirgends ausmachen. Verzweifelt blickte ich auf das Nebelgebirge und hoffte inständig, dort keine Spur meines Verlobten erblicken zu können. Ich verwendete meine gesamte Energie darauf, seinen Geist zu spüren, aber es war vergebens. Die Welt war leer.

 

Ich begann zu weinen, denn ich fürchtete, dass er einer Falle zum Opfer gefallen war und ich hatte von hier aus keine Möglichkeit, ihm zu helfen. Plötzlich jedoch konnte ich etwas Vertrautes fühlen. Ich lenkte meinen Geist in diese Richtung; beinahe hörte ich die Hufschläge der Pferde und sah die tiefen Spuren, die sie im Schnee hinterließen. Mein Geist flog auf sie zu, näher und immer deutlicher nahm ich diese Vertrautheit war. Gleich würde ich ihn erreicht haben –

 

Etwas zerrte an meinem Geist und ohne, dass ich es wollte, erwachte ich aus der Trance und blickte in die helle Morgensonne, die durch die Blätter fiel.

 

„Kommt, junge Herrin“, hörte ich eine Stimme. „Es wird Zeit, dass wir uns an die Südgrenze des Waldes begeben. Dort wartet eine Aufgabe auf uns.“ Mühsam richtete ich mich auf und mein Körper schmerzte, als hätte ich diesen Flug nicht nur im Schlaf erlebt. Ich sah, dass Gandalf und ich wieder alleine waren und ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht nur geträumt hatte, dass ein Ent bei uns gewesen war.

 

Wir packten unsere Sachen zusammen, wobei es eigentlich nur Sachen von mir waren, denn Gandalf trug nichts außer seinen Stab bei sich, und dann machten wir uns auf den Weg. Als die Sonne den höchsten Stand erreicht hatte, machten wir eine kleine Pause an einem Bach, doch wir setzen unseren Weg sofort weiter fort, als wir merkten, dass der Fluss vergiftet worden war durch Okrblut. Wir begannen nun zu ahnen, dass an der südlichen Grenze etwas Schreckliches vorgefallen sein musste und unsere Schritte wurden schneller. Am Abend hatten wir den Wald beinahe durchquert und ich vernahm erneut das Stampfen von großen Beinen.

 

Langsam näherte sich eine tiefe Stimme, die sagte: „Seite? Ich bin auf der Seite von niemandem. Denn niemand ist auf meiner Seite, kleiner Ork.“

 

Als ich die Stimme von Baumbart wieder erkannte und sie verhallt war, konnte ich weitere Stimmen vernehmen, die jedoch viel höher klangen und von sehr kleinen Wesen stammen mussten. Orks waren es jedenfalls nicht, das konnte heraushören. Aber was für Wesen waren es dann?

 

„Wir sind keine Orks“, sagte eine Stimme und jetzt erkannte ich sie wieder. „Wir sind Hobbits!“

 

Mein Blick richtete sich auf Gandalf, der das Gespräch ebenfalls hören konnte. Und auch in seinem Gesicht konnte ich Freude und Erleichterung erkennen. Es gab also noch Hoffnung für die Gemeinschaft. Denn wenn einer der Hobbits überlebt hatte, dann konnte das nur bedeuten, dass die Freundschaft zwischen den Gefährten noch bestand. Zumindest wusste ich jetzt sicher, dass noch mehr als fünf der Gefährten überlebt hatten und die Gemeinschaft nicht versagt hatte. Es gab also noch Hoffnung auf ein Morgen.

 

Die Stimmen kamen näher, doch auf Grund dessen, dass ich sehr aufgeregt war, hörte ich nun nicht mehr, was sie sagten. Ich wartete nur noch darauf, dass sie uns sehen würden. Leider konnte ich auch erst hören, was Gandalf mir sagte, als er mich am Arm berührte. „Ich möchte, dass Ihr Euer Haar bedeckt, Lilórien. Ihr wisst, dass es zu auffällig ist.“

 

Widerwillig zog ich die Kapuze meines Elbenmantels über meine Haare und blickte erwartungsvoll in die Richtung, aus der die Schritte und die Stimmen kamen. Dann endlich konnte ich sehen, wie sich Baumbart zwischen den Bäumen auf uns zu bewegte und hörte auch wieder, was er sagte: „Vielleicht seid ihr das und vielleicht seid ihr das nicht. Der Weiße Zauberer wird es wissen.“

 

Baumbart blieb stehen und er warf die beiden Hobbits in das Laub, das vor unseren Füßen lag. Er erst dachte ich, dass es Frodo ist, doch dann konnte ich sehen, dass sich diese beiden Hobbits sehr ähnlich sahen und ich erkannte Merry und Pippin.

 

Ängstlich blickten sie zu uns hinauf und im ersten Moment mussten sie wohl auch Saruman gesehen haben, denn auch ich hatte gemerkt, dass sich Gandalf der Weiße und sein alter Freund sehr ähnlich sahen. Ich erhob also meine Stimme, um ihnen ein Wenig die Angst zu nehmen: „Seid gegrüßt Auenländer. Wir haben euch erwartet.“

 

~*~*~*~

 

Wir verbrachten den nächsten Tag damit, unsere Geschichten auszutauschen. Merry und Pippin erzählten uns, was sie erlebt hatten und dass Boromir gefallen war. Es betrübte mich etwas, doch ich konnte nicht umhin zu denken, dass sein Tod unausweichlich gewesen war. Ich hatte bereits in Bruchtal bemerkt, dass sein Herz leicht zu verführen war, wie beinahe alle Herzen der Menschen. Nur deswegen hatte der Ring die Jahrhunderte so lange überdauern können, denn hätte Isildur den Ring vernichtet, hätte es keinen Grund für mich gegeben, nach Valinor zu gehen oder nach Mittelerde zurückzukehren.

 

Ich beschloss, dass es keinen Sinn machte, über die Vergangenheit nachzudenken. Ich konnte sie nun nicht mehr verändern. Ich hatte ein Schicksal, das ich erfüllen musste, egal ob ich es nun verdient hatte oder nicht.

 

Am nächsten Morgen ließen wir Merry und Pippin der Obhut von Baumbart zurück und machten uns wieder auf den Weg nach Süden. Ich hatte in der letzten Nacht keinen Schlaf gefunden, denn zu sehr hatten meine Gedanken um Haldir gekreist. Wo war er nur? Ich hatte vergeblich versucht, erneut eine Trance hervorzurufen um eine Verbindung zu ihm herzustellen. Und langsam kroch Angst in mir hoch, dass ich hin vielleicht nie mehr wieder sehen würde.

 

Aber ich schob diese Angst resolut bei Seite und richtete meine Gedanken auf den folgenden Tag. Das Brot meines Volkes gab mir Kraft und das Wasser aus Baumbarts Quelle gab mir neue Hoffnung. Ich weiß nicht, ob es nun wirklich an diesem Wasser lag oder ob ich einfach nur wieder Entschlossenheit in mir spürte, denn ich wusste, dass Aragorn und seine Begleiter nicht mehr fern waren. Doch ich versuchte es mir einzureden.

 

Die Sonne bewegte sich von ihrem höchsten Stand wieder zum Horizont und konnte nun deutlich spüren, dass wir den drei Jägern immer näher kamen. Ich konnte hören, wie die Bäume zu flüstern begannen und ich konnte das Bild nicht verdrängen, dass Gimli mit seiner Axt wohl etwas unerwünscht im Wald war.

 

Der Weiße Zauberer und ich bewegten uns nun vorsichtiger. Wir schlichen zwischen den Stämmen hindurch und ich hielt mich hinter ihm. Denn wenn Aragorn, Legolas und Gimli ihn ebenfalls für Saruman hielten, würden sie nicht erst große Worte verlieren, sondern uns angreifen. Und gegen fliegende Pfeile vermochte ich nichts auszurichten.

 

Ich konnte Legolas’ Stimme hören, wie er Aragorn warnte und ich konnte hören, dass Aragorn seine Warnung richtig deutete. „Ihr dürft ihn nicht sprechen lassen, sonst blendet uns sein Zauber.“ Und ich konnte hören, wie er sein Schwert aus der Scheide zog. Gimlis Äxte schlugen leise aneinander und Legolas’ Hände legten sich um Pfeil und Bogen. Ihre Körper waren zu allem bereit und ihr Geist war verschlossen. Sie waren entschlossen, sich Saruman zu stellen und ihn für seine Taten büßen zu lassen.

 

Mit einem Ruck drehten sie sich gleichzeitig in unsere Richtung. Ich erstarrte und sofort flog ein Pfeil auf Gandalf zu. Ich hielt den Atem an, doch er wehrte das Geschoss mit seinem Stab ab. Auch Gimlis Axt zerschmetterte er und Aragorns Schwert ließ er aufglühen, dass er es fallen lassen musste. Nun waren sie schutzlos. Sie hoben die Hände schützend vor ihre Gesichter, denn das Licht, das von dem Weißen Zauberer ausging, blendete sie. Sie konnten sein Gesicht nicht erkennen, zeigten aber Entschlossenheit, sich ihm bis zum Letzten zu widersetzen.

 

„Ihr verfolgt die Spuren zweier junger Hobbits“, sagte Gandalf und ich erschrak, denn ich konnte nicht leugnen, dass es Sarumans Stimme war, mit der er sprach. Das musste auch unsere Gegenüber verwirren und sie in dem Glauben bestärken, wer vor ihnen stand. Mich bemerkten sie nicht.

 

„Wo sind sie?“, rief Aragorn und Gandalf antwortete: „Sie sind hier durchgekommen, vorgestern. Sie trafen jemanden, den sie nicht erwartet hatten. Tröstet euch das?“ Noch während er sprach, schien sich seine Stimme zu verändern und wieder den warmen Klang anzunehmen, der mir so vertraut geworden war. Allerdings minderte dies nicht die Wut, die Aragorn verspürte, denn er hatte geschworen, Merry und Pippin zu beschützen, wie er mir später erzählte. Nur deswegen hatten sie den beschwerlichen Weg auf sich genommen und waren den Orks gefolgt, die die beiden Hobbits entführt hatten.

 

Aragorns Augen gewöhnten sich langsam an das helle Licht und er nahm die Arme ein wenig hinunter. Ich konnte Zweifel in seinen Augen sehen, auch wenn er mich nicht ansah. Und ich konnte spüren, dass in seinem Herzen Hoffnung aufkam, dass Merry und Pippin noch am Leben waren. „Wer seid Ihr?“, sagte er, doch als er keine Antwort erhielt, wurde er lauter. „Zeigt Euch!“

 

Nun endlich schwand das Licht und die Gefährten erkannten, wen sie vor sich hatten.

 

„Das ist unmöglich“, flüsterte der Waldläufer. Seine Schultern sanken hinab und ich konnte sehen, wie die Bilder aus Moria vor seinem inneren Auge auftraten. Ich konnte spüren, wie er einen Kampf mit sich selbst ausfocht, wie er mit der Vernunft kämpfte, doch er hatte seinen Augen immer vertraut, denn sie hatten die Spuren gefunden, die sie hierher, in den Fangornwald geführt hatten.

 

„Verzeih mir!“ Mein Blick richtete sich nun zum ersten Mal richtig auf Legolas. Ich schien ganz vergessen zu haben, wie er aussah, denn in meinen Träumen hatte ich immer nur Haldir gesehen. Und jetzt einen anderen Elb vor mir zu sehen, war ein merkwürdiges Gefühl. Der Prinz aus Düsterwald ging auf die Knie und sagte: „Verzeih mir! Ich hatte dich für Saruman gehalten.“

 

Ich konnte plötzlich einen gewissen Anflug von Neid nicht unterdrücken, denn mich bemerkte immer noch niemand. Vor mir verneigte sich niemand und es sprach niemand zu mir. Hüllte mein Mantel mich so gut ein, dass er mich vor aller Augen verbarg?

 

Ich hörte nicht richtig zu, als Gandalf erneut sprach und Aragorn ihm antwortete. Ich hörte nicht, wie er den Gefährten berichtete, was ihm widerfahren war, als er an der Brücke von Khazad-dûm in den bodenlosen Abgrund gefallen war und mit dem Balrog gekämpft hatte. Ich hörte erst wieder etwas, als Gimli sagte: „Gandalf, wer ist dein Begleiter?“

 

Wie aus weiter Ferne hörte ich ihn sagen: „Es ist wohl auch jemand, den ihr nicht erwartet habt.“ Und aus einem Reflex heraus nahm ich meine Kapuze ab. Mein Blick richtete sich wieder auf die Welt um mich herum und das erste, was ich sah, waren die blauen Augen von Legolas, der mich ungläubig anstarrte. „Meine Herrin…“, hörte ich ihn flüstern und ich wusste nicht, ob er mich wirklich erkannt hatte, denn so hatte er noch nie zu mir gesprochen. Doch etwas in mir war nicht abgeneigt dagegen.

 

Über Aragorns Gesicht legte sich ein Lächeln und er sagte: „Ihr seid wirklich jemand, den ich nicht erwartet hätte. Warum seid Ihr hier?“

 

Etwas verlegen, weil ich Legolas anstarrte, richtete ich meinen Blick auf den Menschen. Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, was mir allerdings erst nach ein paar Momenten unangenehmer Stille gelang. „Ich bin hier, um meinem Schicksal entgegenzutreten. Und ich bin hier, um Euch Unterstützung zu bieten und Euch dahin zu folgen, wohin Ihr auch gehen mögt.“

 

Aragorns Schwert war nun wieder abgekühlt, er steckte es zurück in seine Scheide und wir machten uns auf den Weg, den Wald zu verlassen. „Eine Etappe eurer Reise ist vorüber, nun folgt die nächste“, sagte ich, während die Bäume sich langsam lichteten und es wieder heller wurde.

 

„Sehr richtig“, sagte Gandalf, „Krieg ist über Rohan gekommen. Wir müssen nach Edoras reiten, so geschwind wir können.“

 

„Nach Edoras?“, fragte Gimli. Seine Stimme schien auch mit dem heller werdenden Licht immer fröhlicher zu werden. Es war nicht zu übersehen, dass er sich zwischen diesen Bäumen sehr unwohl gefühlt hatte. „Dies ist keine geringe Entfernung.“

 

Aragorn jedoch schien sich mehr Gedanken um die Gefahren zu machen. „Wir hörten nichts Gutes aus Rohan. Es steht schlecht um den König.“

 

Jetzt verstand ich, was zu tun war. Saruman hatte den Geist von Théoden von Rohan vergiftet und wollte so die Macht über die Menschen erlangen. Er konzentrierte sich auf das Pferdevolk, brachte es durch seinen Einfluss zu Fall und Sauron bekämpfte die Menschen in Gondor. Es würde also zu zwei Schlachten kommen vor dem Ende.

 

Allerdings hatten wir uns nun erst einmal auf das kleinere Übel, wenn man davon sprechen konnte, zu konzentrieren. Es musste einen Verräter in den Reihen des Königs geben, denn Rohan war ein Volk von Kriegern. Selbst ihre Frauen trugen Schwerter. Deswegen gab es für Saruman sicherlich keinen anderen Weg, als das Volk von innen heraus zu schwächen. Und wenn sie am wenigsten mit Krieg rechneten, würde er zuschlagen und sie vernichten.

 

Und mit diesen Gedanken traten wir aus dem Wald heraus. Gandalf ließ einen durchdringenden Pfeifton hören und kaum war dieser verklungen, hörte ich das Wiehern zweier Pferde. Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, welche Pferde er gerufen hatte.

 

„Das ist eines der Mearas, sofern meine Augen nicht durch einen Zauber getäuscht werden“, sagte Legolas und er hatte Recht.

 

Das Pferd kam näher und sein weißes Fell glitzerte in der Sonne. Es war ein schöner Hengst, doch meine Augen richteten sich auf die Stute, die mit ihm lief. Gandalf stellte den Hengst als Schattenfell vor und ich konnte die fragenden Blicke von Legolas in meinem Nacken spüren, als die Stute zu mir kam, ihr weißes Fell schimmernd wie Schnee in der Sonne, und sie ihre weiche Schnauze an mein Ohr legte. Ich drehte mich zu ihm um und sagte: „Dies ist Alagos. Sie war ein Geschenk der Valar und sie hat mich sicher getragen.“

 

Ich streichelte durch das seidene Fell und spürte, wie Tränen in mir aufstiegen. Sie musste mich so sehr vermisst haben, dass sie ganz allein den weiten Weg von Lothlorien bis hierher gelaufen war, nur um mich zu finden.

 

Wir schwangen uns auf die Rücken der Pferde und sie trugen uns mit schnellen und sicheren Schritten in die Richtung, wo uns Krieg und Tod erwarten würde. Aber dort lag auch Hoffnung, denn nun konnten wir sicher sein, dass die Gemeinschaft nicht versagt hatte.

© by LilórienSilme 2015

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