LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 11
~ Zukunft
Der Tag, den dem Legolas und ich den Bund eingehen sollten, begann mit Regen. Es war ein leichter Regen, wie er im Sommer öfter fiel, um die aufgeheizte Erde ein wenig abzukühlen. Vermutlich würde es der letzte warme Tag vor dem nahenden Herbst werden. Für mich erschien es als ein gutes Vorzeichen.
Bei Sonnenaufgang sprachen wir erneut gemeinsam den Morgengruß an die Gemeinschaft, auch wenn sich die Sonne dieses Mal nicht ausgiebig zeigte. Ich versuchte es besonders inbrünstig zu formulieren, da ich mir den Segen von Arien erhoffte. Doch eine Antwort blieb sie mir schuldig.
Nachdem wir geendet hatten, kehrte ich mit Ithil-dî in das Haus zurück, was ich nun meins nennen konnte. Ich hatte es mit ihrer Hilfe recht wohnlich hergerichtet. Seine Einrichtung war zwar nicht sehr luxuriös, doch es reichte mir. Es gab ein weiches, bequemes Bett, einen Tisch mit zwei Stühlen, ein paar Regale an den Wänden, einen Vorhang, der das Bett vom Rest des Raumes abtrennte, eine hölzerne Badewanne und eine geräumige Feuerstelle.
Ithil-dî öffnete die Fensterläden und ließ frischen Wind hinein. Sie kochte Badewasser in einem Topf und kämmte mir in der Zeit, in der das Wasser erhitzte, die Haare. Nach dem Bad fühlte ich mich unglaublich entspannt. All meine Muskeln schienen gelockert und eine neue Lebensenergie beflügelte mich. Sie massierte Rosenöl in meine Haare ein und legte mir einen Kranz aus Rosmarin auf das Haupt. Danach streifte sie mir ein frisches weißes Leinengewand über, was mit einem blauen Gürtel befestigt wurde. Es war ein wenig länger, als ich es gewohnt war, doch ich hoffte, dass ich zu Recht kommen würde.
Schließlich sah meine Cousine mich an. Sie legte mir eine Hand an die Wange und sagte: „Nun bist du fertig.“ Ich schluckte und fragte mich, ob sie Recht hatte. War ich wirklich schon soweit? So lange hatte ich darauf gewartet, dass dieser Tag kommen möge. Doch jetzt, da er da war, zitterten mir die Knie. Sie fühlten sich ganz weich an, als könnten sie mein Gewicht nicht tragen und ich hatte Angst, dass ich hinfallen würde.
Unsicher sah ich sie an. „Denkst du, dass es gut gehen wird?“ Sie erwiderte meinen Blick fragend. „Wieso sollte es nicht? Du liebst ihn doch, oder etwa nicht?“
Ich schluckte erneut. „Natürlich liebe ich ihn. Es kommt mir nur alles so unwirklich vor. Als wenn dieses Glück nicht meines ist. In meinem bisherigen Leben habe ich so vieles erdulden müssen. Ich habe bereits eine Liebe verloren. Warum sollte es dieses Mal anders sein? So lange habe ich verzweifelt mein Herz gehütet. Wie kann ich glauben, dieses Mal glücklich zu werden?“
Meine Cousine lächelte mich an. Sie nahm mich beim Arm und führte mich zum Bett. Sie setzte sich neben mich und legte meine Hände in ihren Schoß. „Aber wie kannst du so etwas auch nur denken? Ich bin sicher, dass du nun endlich genug gelitten hast. Für jeden gibt es ein wenig Glück auf dieser Welt. Wieso nicht auch für dich? Ich bin sicher, dass es gut gehen wird. Ihr liebt euch. Das würde sogar ein Blinder erkennen. Auch wenn du es dir vielleicht noch nicht eingestehen willst, aber er ist der Mann, mit dem du den Rest deines Lebens verbringen wirst. Das weiß ich einfach. Ich spüre es ganz tief in meinem Herzen. Und du wirst es auch noch spüren.“
Dankbar lächelte ich sie an. Zwar hatte sie mir mit ihren Worten ein wenig Mut zugesprochen, doch ganz überzeugt war ich noch nicht. Ich würde es erst ganz und gar glauben, wenn unsere Seelen untrennbar miteinander verbunden waren. Und ich würde beten, dass es soweit kommen möge.
Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, führte meine Cousine mich hinaus aus der Stadt. Da meine Eltern und meine Schwester bereits gestorben waren, war sie nun die einzige Familie, die ich noch hatte. Und ich war dankbar dafür. Ich drückte ihre Hand und sah ihr in die Augen. Unter meinen nackten Füßen konnte ich das Gras spüren, was außerhalb der Siedlung wuchs, und der Regen verfing sich zwischen meinen Zehen. Er fiel nun nicht mehr vom Himmel, doch die Luft wies noch eine hohe Feuchtigkeit auf. Leichter Nebel waberte über den Boden, aber er würde bald verschwunden sein, wenn die Sonne erst alles wieder aufgeheizt hatte.
Wir erreichten einen kleinen Hügel, auf dessen Kuppe ein Weidenbaum stand. Die gesamte Gemeinde hatte sich hier eingefunden und alle warteten nur auf mich. Mein Herz machte einen Sprung, als ich Legolas erblickte. Auch er war in ein weißes Hemd gehüllt, seine Beine steckten in weißen Leinenhosen und auch er hatte nackte Füße. Seine Haare trug er offen. Eine Strähne hing ihm ins Gesicht, doch er beachtete sie nicht. Er hatte nur Augen für mich. Und ich hatte nur Augen für ihn. Instinktiv ließ ich Ithil-dîs Hand los und legte den Rest des Weges alleine zurück. Es war beinahe so, als würde ich von seinen blauen Augen, die in diesem Moment nichts als Liebe auszustrahlen schienen, angezogen, und plötzlich stand ich vor ihm. Meine Hände fanden seine und nun standen wir hier, vor einer kleinen Gemeinde, die ich zusammengeführt hatte.
Telperion trat nun vor uns. Er würde den Segen über uns sprechen. Ich hatte es mir so gewünscht. Auch auf seinem Gesicht lag ein Lächeln und ich konnte sehen, dass er sich für uns freute. Ich hoffte so sehr, dass diese Freude uns alle anstecken und auch die Götter erreichen würde, auf dass sie unsere Verbindung genauso wie die Gemeinschaft, die hier versammelt war, segnen würden.
Der Nebel war nun verschwunden und die Sonne wärmte uns. Ein leichter Wind brachte die Blätter der Weide zum Rauschen und spielte mit unseren Haaren. Ich wusste, dass Manwe bei uns war. „Freunde“, begann Telperion und breitete seine Arme aus, „heute ist ein besonderer Tag für uns alle gekommen. Die Tochter Lothloriens und der Sohn Eryn Lasgalens haben sich hier vor uns eingefunden, um ihren Bund vor unser aller Augen zu besiegeln. Ihre Liebe musste Kriege überwinden und hat sich doch endlich, nachdem sie über den weiten Ozean des Westens segelte, hier gefunden. Diese beide sind ein Zeichen dafür, dass man all das ertragen kann, was einem das Schicksal auferlegt, und doch sich selbst dabei nicht verlieren muss.“
Ich spürte, wie Legolas meine Hände fester hielt, als würde er mich nie wieder loslassen wollen. Und ich genoss seine Berührung so sehr, dass es mir beinahe die Luft zum Atmen nahm. Mein Blick schweifte über die Versammelten. Weit hinter ihnen leuchtete ein einzelner Stern, obwohl es bereits Mittag war. Und nun wusste ich auch, dass Varda bei uns war. Sie und ihr Gemahl wachten über uns.
„Wir hören nun ihr gegenseitiges Versprechen füreinander“, sagte Telperion und überließ damit das Wort uns. Zunächst war Legolas an der Reihe. Er schluckte ein paar Mal, denn offenbar hatte es auch ihm den Atem abgeschnürt. Doch dann sah er mir in die Augen und fand seine Stimme wieder. Seine Finger streichelten meinen Handrücken und es jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Er räusperte sich, dann sagte er: „Für die meisten erscheint es als selbstverständlich, denjenigen zu finden, den man liebt, und bis an sein Lebensende mit ihm zusammen zu sein. Doch für mich war es das nicht. Als ich diese eine Person gefunden zu haben glaubte, wurde ich schnell wieder enttäuscht: sie war bereits einem anderen versprochen worden. Es hat mehrere Leben lang und viele Schlachten gedauert, bis ich sie nun endlich mein Eigen nennen darf. Ich bitte dich: sei meine Gefährtin, meine Geliebte, meine Freundin und meine Seele. Denn ich gehöre nur dir.“
Ein Kloß in meinem Hals hinderte mich daran zu sprechen. Eine Träne rann meine Wange hinunter, doch ich schämte mich ihrer nicht. Sie war Zeuge dessen, was ich in diesem Moment für ihn empfand. Als ich meine Stimme wiedererlangt hatte, war ich es, die ihr Versprechen gab.
Lange hatte ich überlegt, wie ich es ausdrücken konnte, was ich fühlte. Es war nicht leicht, immerhin lagen nun beinahe anderthalb Jahrhunderte zwischen unserer ersten Begegnung in Imladris und dem Wiederfinden hier in Valinor. Doch als ich über diese ganze Zeit nachdachte, was geschehen war, was uns getrennt und was uns zusammengeführt hatte, erschien es mir plötzlich ganz leicht. „Das Leben ist nicht immer aufrecht zu uns. Es lässt uns Tränen und Qualen erdulden, bis wir glauben, es nicht mehr aushalten zu können. Auch ich hatte mich bereits aufgegeben. Doch etwas hielt mich zurück auf dieser Welt. Mein Herz war zwar verletzt, aber es war nicht gebrochen. Und ich wusste, dass es noch etwas geben musste, womit mein Leid belohnt werden würde. Ich hätte mir niemals träumen lassen oder es mir gar gewünscht, dass es so kommen würde. Doch ich bin stolz und dankbar, dass es nun doch so ist. Auch ich bitte dich: sei mein Gefährte, mein Geliebter, mein Freund und meine Seele. Ich lege mein ganzes Selbst in deine Hände.“
Ein leises Schluchzen war hinter mir zu hören und ich wusste, dass Ithil-dî weinte. Sie kannte meine Geschichte und wusste, was ich hatte durchmachen müssen. Und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ich endlich mein Glück finden würde. Wahrscheinlich war es nicht nur ich, die in diesem Moment die ganze Welt hätte umarmen können.
Telperion gönnte uns einen Augenblick, in dem wir uns nur ansahen und uns ineinander verlieren konnten. Dann zog er ein rotes Band hervor, hielt es hoch, sodass es alle Anwesenden sehen konnten, und sagte: „Mit diesem Band binde ich euch an euer gegenseitiges Versprechen, auf dass ihr es nie wieder vergessen möget.“ Locker legte er es uns um unsere ineinander verschlungenen Hände, Legolas’ Linke und meine Rechte. Obenauf machte er einen Knoten hinein. Dann hielt er seine beiden Hände darüber.
„Möge euer Versprechen so lange halten, wie ihr lebt. Und mögen euch die Valar segnen, auf dass ihr lange glücklich miteinander seid und eure Liebe niemals ein Ende haben wird.“
Legolas’ Griff um meine Hand wurde fester und er zog mich zu sich heran. Seine freie Hand wanderte hoch zu meiner Wange und streichelte mir darüber. Dann senkte er langsam seine Lippen zu meinen herab und küsste mich.
Später führte er mich in das Haus, was er bisher mit Gimli bewohnt hatte. Der Zwerg würde nun in meines ziehen und uns das Größere überlassen. Er wünschte uns alles Glück der Erde und küsste jeden von uns auf die Wange. Sein langer Bart kratzte dabei über meine Haut und ich musste lachen. Es war, als hätte es Sauron und den Ring niemals gegeben, als hätten wir keine Kriege zu überwinden gehabt und uns auch nicht für so viele Jahre aus den Augen verloren. Ich fühlte mich wieder jung und die Erinnerungen an Mittelerde schienen mehr und mehr zu verblassen.
Alles, was noch wichtig war, war dieser Moment, indem ich mit Legolas unser zukünftiges Heim betrat und die Türe hinter uns schloss. An unseren noch immer miteinander zusammen gebundenen Händen führte er mich in ein angrenzendes Zimmer. Dort stand ein mannshoher Spiegel, vor den er mich nun stellte und sich hinter mir positionierte. Zärtlich strich er mir die Haare zurück. „Was siehst du?“, flüsterte er mir ins Ohr.
Ein tiefer Seufzer entrang sich meiner Kehle und ich ließ die Schultern ein wenig hängen. „Meine Gabe der Voraussicht habe ich damals vor den Toren Mordors gegen mein Leben eingetauscht. Das Einzige, was ich sehe, sind zwei Elben, die aneinander gefesselt sind.“
Er lächelte mich im Spiegel an. „Willst du wissen, was ich sehe?“ Er hauchte mir einen Kuss auf den Scheitel, während seine freie Hand zu meiner Hüfte wanderte. „Ich sehe eine lange Zukunft vor uns. Und sie wird glücklich sein. Du musst nie wieder Angst haben, dass du mich verlieren könntest. Ich werde dafür Sorge tragen, dass deine Augen nie mehr eine Träne aus Trauer vergießen. Das verspreche ich dir.“ Und während er mich küsste, wie ich noch niemals zuvor geküsst worden war, spürte ich, dass er die Wahrheit sagte. Er würde alles geben, um mich glücklich zu machen. Denn das war es, was ihn glücklich machte.