LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 1
~ Dancing trough the Night
Die große Standuhr im antik eingerichteten Büro eines Londoner Altbaues schlug bereits halb drei Uhr nachts. Noch immer brannte die kleine Leselampe über dem wuchtigen Schreibtisch aus deutscher Eiche rustikal. In dem Lichtkegel lagen ein Haufen Papiere, wild durcheinander geworfen, dazwischen ein aufgeschlagenes Buch, dicht beschrieben. In der Mitte der Arbeitsfläche blinkte ein Laptop. Der Bildschirmschoner hatte sich bereits eingeschaltet, sodass eine kleine Kugel immer wieder von den Wänden abprallte, durch das Bild hüpfte, um gleich darauf von der nächsten Seite abzuprallen und das ganze Spiel von vorne zu beginnen.
Ein dunkelbrauner, gewellter Haarschopf verdeckte die halbe Tastatur, während der Kopf auf den Armen ruhte. Leises, gleichmäßiges Atmen war zu hören, dazwischen das Ticken der Uhr. Als die Uhr anschlug, schreckte die junge Frau aus ihrem unbequemen Schlaf hoch. Mit kleinen Augen blinzelte sie auf die Uhr am anderen Ende des Raumes. Verwirrt schüttelte sie den Kopf, versuchte den Schlaf zu vertreiben. Sie hatte mal wieder viel zu lange gearbeitet und dabei die Zeit total vergessen. Doch dieses neue Projekt verlange ihr dieses Mal alles ab.
Trotzdem beschloss sie, sich ins Bett zu begeben. Sie klappte den Laptop zu und ging ins Badezimmer. Dieses war, im Gegensatz zu ihrem Arbeitszimmer, sehr modern eingerichtet. Große Wandfliesen in einem dunkelgrauen Marmorstein zierten Wände und den Fußboden. Das Waschbecken war viereckig, darunter ein dunkelbrauner Unterschrank. Der übergroße Spiegel wurde von einer Reihe aus kleinen Lichtern umrahmt. Doch dieses Licht schmeichelte ihr in diesem Moment gar nicht.
Seit Wochen war sie kaum vor die Tür gegangen, hatte ihre Haushälterin dazu genötigt, einkaufen zu gehen, damit sie sich nicht ständig nur von Fastfood ernährte. Ihre sozialen Kontakte waren fast eingeschlafen. Tag und Nacht hing sie über ihrem neuen Projekt und kam einfach nicht voran. Zumindest hatte sie das Gefühl.
Als sie sich die Zähne putzte, betrachtete sie sich genauer im Spiegel. Sie hatte dunkle Ringe unter ihren sonst so strahlend grünen Augen, ihre Haut war blass, im krassen Gegensatz zum sonst eher bronzefarbenen Ton. Ihre dunklen Haare, auf die sie immer so stolz war, hatten ihren Glanz verloren und seit fast zwei Monaten keinen Frisörsalon von innen gesehen. Sie schnaubte. Genau genommen hatte sie nicht mal einen von außen gesehen.
Unweigerlich fragte sie sich, wann sie das letzte Mal richtig unter Leuten gewesen war. In letzter Zeit hatte sie nur noch gegessen, geschlafen und gearbeitet. Wenn sie Zeit gefunden hatte, hatte sie eine kurze Email an ihre beste Freundin Meg geschrieben. Aber das war es schon. Die einzige Person, die sie regelmäßig zu Gesicht bekam, war ihre Haushälterin Chiyo.
Bedrückt warf sie einen erneuten Blick auf die Uhr. Jetzt war es beinahe schon drei Uhr und sie hatte noch keinen erholsamen Schlaf gefunden. Wenn sie Pech hatte, würde sie knappe vier Stunden schlafen dürfen.
Sie selbst war sich der strengste Kerkermeister. Sie hasste es, wenn ein Projekt unfertig auf ihrem Schreibtisch lag. Deswegen hatte sie sich so sehr angestrengt. Und weil sie mächtig unter Zeitdruck stand. Wenn sie das Skript nicht bis spätestens nächste Woche abgegeben hatte, würde man sich jemand anderen suchen. Und sie liebte ihre Arbeit. Es war nicht so, dass sie das Geld brauchte. Mit ihrem letzten Meisterwerk hatte sie einiges verdient und würde noch ein bisschen von ihrem Polster zehren können. Aber schließlich hatte sie auch von Hause aus ihren Stolz. Und sie konnte es nicht leiden, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, und wenn sie noch so hart verdient waren.
Erschöpft und glücklich zugleich fiel sie in ihre Kissen. Chiyo hatte das Bett frisch bezogen und es duftete angenehm nach dem Weichspüler. Sie liebte den Geruch von frischer Wäsche und das angenehme Gefühl auf der Haut. Doch gerade interessierte sie das überhaupt nicht. Denn augenblicklich glitt sie in einen tiefen Schlaf über.
Ein paar Stunden später weckte sie grelles Sonnenlicht. Chiyo stand vor ihrem Bett, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und offenbar die Vorhänge aufgezogen, sodass die Morgensonne direkt auf ihr Gesicht schien. Erst fragte sie sich, was sie wohl zuerst geweckt hatte, als sie sah, dass sich der Mund ihrer Haushälterin heftig bewegte. Sie brauchte noch ein paar Momente, bis sie realisierte, dass sie mit ihr schimpfte.
„Miss Marconi“, rief sie in der hohen Tonlage, die sie sonst nur anschlug, wenn sie wirklich wütend war. „Sie schlafen viel zu lange. Sie müssen aufstehen. Ausdrücklich haben Sie mir gesagt, dass ich sie um sieben Uhr wecken soll. Jetzt sind es fast acht. Raus aus den Federn.“ Und wie um ihre Worte zu unterstreichen, zog sie ihr die Bettdecke weg.
Vittoria stöhnte, versuchte den Kopf unter eines ihrer vielen Kissen zu schieben, doch es nützte nichts. Als ihre Füße langsam kalt wurden, erhob sie sich schließlich. Einen Fluch nach dem anderen ausstoßend kroch sie langsam aus dem Bett und ins Bad. Als sie fertig war, roch sie bereits den frischen Kaffee. In diesem Moment liebte sie Chiyo über alles.
In ihren weichen, flauschigen Bademantel gehüllt tapste sie in die Küche und ließ sich an der Theke zwischen Ess- und Kochbereich nieder. Erst nachdem sie ihre dritte Tasse ausgetrunken hatte, schienen sich die Schatten der Nacht langsam zu verziehen. Sie bat um eine Vierte. „Sie sind ein Junkie, Miss Marconi.“
„Und Sie ein Engel.“ Vittoria versuchte ein Lächeln, aber ihre Haushälterin wandte sich empört von ihr ab. Auch wenn sie sich manchmal stritten, hatten sie sich doch im Laufe der drei Jahre sehr lieb gewonnen. Keiner konnte sich mehr vorstellen, wie es wäre, ohne den anderen zu sein. Und für die letzten beiden Monate war die Japanerin für Vittoria so etwas wie eine echte Freundin geworden.
„Sie arbeiten zu viel“, sagte diese plötzlich. Vittoria stöhnte erneut. Wie oft hatte sie sich diesen Vortrag schon anhören müssen. Daher wusste sie auch genau, was kommen würde. Während Chiyo ihre Arie herunterleierte, äffte Vittoria sie hinter ihrem Rücken nach. „Ständig schließen Sie sich in ihrem Büro ein, gehen nicht vor die Türe, rufen niemanden an. Und wenn jemand hier anruft, muss ich sagen, dass Sie beschäftigt sind. Wissen Sie eigentlich, wie oft ich Ihrem Freund schon sagen musste, dass Sie noch über dieser verdammten Arbeit sitzen? Gehen Sie doch endlich mal wieder aus. Gehen Sie etwas Essen oder ins Kino. Leben Sie!“
Vittoria kippte den Rest vom Kaffee in sich hinein, schnupperte kurz an dem Käse-Tomaten-Toast, den man ihr hingestellt hatte, schob ihn dann aber zur Seite. „Ersten ist der Typ nicht mein Freund, sondern mein ganz persönlicher Stalker. Zweites muss man in diesen Zeiten hart Arbeiten, um sich über Wasser halten zu können. Und drittens, was glauben Sie eigentlich, wie ich Sie weiter bezahlen soll, wenn ich nicht mehr arbeite?“
Die Japanerin sah sie streng an. „Sie wissen genau, dass ich auch ohne Bezahlung für Sie arbeiten würde.“ Vittoria lachte. „Ja, das weiß ich. Fragt sich nur, wie lange Sie dann Ihre Wohnung noch halten könnten. Kommen Sie, in ein paar Wochen ist es vorbei. Dann bin ich wieder ganz die Alte!“
Chiyo drehte sich weg und murmelte: „Ich kann’s kaum erwarten.“ Dann machte sie sich an die Arbeit. Vittoria zwang sich das Toast schließlich doch noch herunter und zog dann ihre Sportsachen an. Um ihren Kreislauf etwas in Schwung zu bringen und den Kopf frei zu bekommen, wollte sie eine Runde Joggen gehen. Da sie im Stadtteil Primrose Hill wohnte, welcher direkt neben dem Regent’s Park lag, würde sie der Stadt für ein paar Minuten entkommen können.
Gestärkt und mit klarem Verstand machte sie sich eine Stunde später, frisch geduscht und mit Obst und Gemüse ausgestattet, wieder an die Arbeit. Seit zwei Tagen nun schon saß sie an der gleichen Stelle fest, fand einfach nicht die passende Formulierung für das, was sie sich so schön ausgemalt hatte. Es war die Schlüsselszene, die einzige romantische, die man ihr erlaubt hatte zu schreiben. Und, verdammt noch mal, sie wollte es perfekt haben.
Etwas genervt von sich selbst stand sie auf, kaute verärgert auf einer Möhre herum und wanderte durch den Raum. Vom Fenster hinüber zur Tür, vorbei an den vollen Bücherregalen, und wieder zurück. In Gedanken ging sie viele Formulierungen durch, sprach sie sich selbst vor. Doch irgendwie klang alles abgehalftert und schon hunderte Male gehört. Sie brauchte etwas Neues, etwas Frisches.
Gut, es war kein Jahrhundertprojekt, aber sie war Skorpion. Und als Angehörige dieses Sternzeichens war sie von Natur aus Perfektionistin. Wenn sie etwas anpackte, dann wollte sie es auch richtig machen. Und wenn sie diese Szene fertig hatte, fehlten ihr nur noch ein paar Zeilen bis zum Ende. Je früher sie alles fertig gestellt hatte, desto eher konnte sie selber Korrektur lesen und es weiterleiten.
Waren Emails eigentlich sicher genug, etwas so Wichtiges zu verschicken? Gedankenverloren setzte sie sich zurück an den Schreibtisch und starrte auf die letzten Worte, die sie geschrieben hatte. Vielleicht, wenn sie diese ändern würde, dann käme ihre Muse sicher zurück.
Sie tat es, doch eine Eingebung bekam sie trotzdem nicht. Trotzig stützte sie den Kopf in die Hände und schmollte. Schreibblockaden waren das Letzte!
Gegen Mittag hatte sie immer noch nichts zustande gebracht. Aus Frust hatte sie bereits wieder zur Schokolade gegriffen. Das jedoch hatte sie noch mehr geärgert, denn immer, wenn sie an einem so wichtigen Projekt saß, nahm sie automatisch ein paar Kilogramm zu. Und später hatte sie damit zu kämpfen, sie sich wieder abzutrainieren. Deswegen hatte sie sich ärgerlich vor den Fernseher gesetzt und eine DVD eingeschoben. Gerade flimmerte die Liebesszene zwischen Aragorn und Arwen über den Bildschirm.
Vittoria fauchte. „So etwas gibt es doch im wahren Leben gar nicht“, rief sie und warf eine Paprika nach ihrem Fernseher. „Diese Frau ist knapp zweitausend Jahre älter als er und man sieht es ihr nicht an. So ein Unsinn!“ Sie wusste selber, dass alles nur Fassade war, doch wenn sie mit sich selbst unzufrieden war, neigte sie dazu, anderen das madig zu machen, was für sie vielleicht als die Erfüllung galt.
Genau wie die Liebe. Mit ihren knapp zwanzig Jahren konnte sie nicht behaupten, wirklich eine vernünftige Beziehung gehabt zu haben. Seit sie denken konnte, hatte sich alles für sie um Bücher gedreht. Mit fünf Jahren hatte sie ihr erstes Kinderbuch gelesen und mit sieben bereits Werke für zehnjährige verschlungen. Als sie eines wunderschönen Tages das große Meisterwerk von Tolkien gelesen hatte, war für sie eines klar geworden: sie wollte auch Schreiben!
Bereits mit vierzehn hatte sie ihre ersten Kurzgeschichten an unterschiedliche Verlage geschickt, doch man hatte ihr gesagt, dass die Zukunft im Film lag. Aus Trotz hatte sie das Schreiben eine Zeit lang aufgegeben, doch bereits nach ein paar Wochen fehlte es ihr so unglaublich, dass sie einen Abendkurs besuchte, in dem man lernte, wie man ein Drehbuch schrieb. Natürlich war sie die jüngste Teilnehmerin gewesen, doch sie war auch mit Abstand die eifrigste.
Weil sie durch die Liebe zum Schreiben aber die Schule vernachlässigt hatte, flog sie kurze Zeit später nicht nur von dieser, sondern auch von zu Hause raus. Von da an musste sie sich alleine durchschlagen. Doch es hatte ihr eher gut getan, als dass es ihr geschadet hatte. Sie war daraufhin vom flachen Land in die große Stadt gezogen und hatte sich schnell einen Namen am Theater gemacht. Mit achtzehn hatte sie bereits so gut verdient, dass sie sich dieses luxuriöse Haus auf der Park Road hatte leisten können.
Heute, zwei Jahre später, hatte sie ihren ersten Auftrag als Drehbuchautorin für einen Kinofilm erhalten. Jemand hatte dem Regisseur gesagt, dass sie die Beste sei, die für Geld zu haben wäre. Mal abgesehen davon, dass es wie die Buchung einer Prostituierten klang, hatte sie sich unglaublich über das Lob gefreut und seit dem Tag und Nacht gearbeitet, um diesem Bild gerecht zu werden.
Außerdem hatte sie bereits im Voraus Entschuldigungsschreiben an ihre Freunde geschickt, dass sie die nächste Zeit nicht zu erreichen sei. Ihrer Familie musste sie das nicht sagen. Sie hatte zwar wieder ein recht gutes Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, aber die Beziehung zu ihrem Vater hatte nach dem Rauswurf von zu Hause einen herben Knacks bekommen. Sie sprachen selten miteinander, was auch nicht zuletzt an seiner neuen Freundin lag.
Ihre Mutter Karolina, die letztes Jahr wieder neu geheiratet hatte, nachdem sie sich, als Ernesto, ihr Vater, sie rausgeworfen hatte, von ihm getrennt hatte, hatte da einen wesentlich besseren Fang gemacht. Ihr neuer Mann war zwar ein paar Jahre älter, dafür aber auch ruhiger und verständnisvoller. Manchmal hatte Vittoria das Gefühl, dass er mehr ihr Vater war, als der, der sie gezeugt hatte. Doch das war im Moment ihre kleinste Sorge. Sie hatte nur ihrer Mutter versprochen, von der Gage mit ihr Shoppen zu gehen. Doch das würde vermutlich noch ein halbes Jahr auf sich warten lassen müssen.
Nachdem der Film zu Ende war, war es bereits Nachmittag. Verärgert, weil sie so viel Zeit hatte verstreichen lassen, stampfte sie die Treppe hoch. Gerade wollte sie wieder die Türe zu ihrem Arbeitszimmer schließen, als das Telefon klingelte. Sie hörte, wie der Anrufbeantworter ansprang und eine ihr wohl bekannte Stimme auf das Band sprach. Mit einem Schrei schlug sie die Tür zu.
Ungehalten fuhr sie zur Fensterfront um, sah ihre Spiegelung und hatte plötzlich die Idee. Schnell setzte sie sich wieder an ihren Schreibtisch und schreib die letzten Zeilen nieder. Als sie das Letzte Wort geschrieben hatte, ließ sie sich in dem weichen Ledersessel zurückfallen und jubelte. Sofort sprang sie auf und griff zum Telefon. Sie wählte Megs Nummer. „Hey Meg, hier ist Vicky“, rief sie in den Hörer.
Es knackte an der anderen Seite der Leitung, dann antwortete ihre Freundin. „Wer ist da? Vicky? So jemanden kenne ich nicht. Sie müssen sich verwählt haben.“ Dann wurde aufgelegt. Vittoria grinste, wählte die Nummer erneut. Ohne darauf zu warten, was ihre Freundin zu sagen hatte, sprudelte sie los. „Ich habe grade das Drehbuch fertig geschrieben und Lust auszugehen. Lass und doch diesen Neuen Club mal ausprobieren. Wie hieß er doch gleich?“
„Meinst du das ‚KOKO’?“ Vittoria lächelte. Ihre Freundin hatte angebissen. Sie wusste, dass sie einiges wieder gutzumachen hatte, aber das würde heute Abend sicher kein Problem werden. Sie würde einfach für die Drinks und das Taxi bezahlen. Schnell machten sie eine Uhrzeit aus, dann begab Vittoria sich zu ihrem Kleiderschrank.
Schon als kleines Mädchen hatte sie einen Begehbaren haben wollen und sich diesen Wunsch endlich erfüllen können. Noch fehlte es an Füllmaterial, aber wenn sie endlich wieder etwas Zeit hatte, würde sie ausgiebig Shoppen gehen können von dem Geld, was sie für dieses Projekt bekommen würde. Darauf freute sie sich schon.
Wenig später klingelte es an der Tür. Da Chiyo längst nach Hause gegangen war, musste Vittoria sich schnell den Bademantel überwerfen und selber öffnen. Als ihre Freundin im Flur stand, blickte sie sie von unten an. „Megara, du siehst umwerfend aus!“, sagte sie. Megara war beinahe zehn Zentimeter größer als ihre Freundin, hatte goldblondes, wundervoll seidiges Haar und einen Mund zum Niederknien. Sie hatte sich längst daran gewöhnt, dass nicht ihr, sondern ihrer Freundin immer alle Blicke folgten, sobald sie gemeinsam einen Raum betraten. Und sie hatte es auch verdient.
Heute würde es vermutlich genauso sein, denn in den engen Lederleggings und dem türkisfarbenen Oberteil würde sie garantier auffallen. Ein aufwändiges Make-up war bei ihr überhaupt nicht nötig. Nur an der Fußbekleidung ließe sich noch etwas ändern. Zum Glück hatten sie dieselbe Schuhgröße. Meg machte einen Knicks und lächelte verlegen. „Vielen Dank auch“, sagte sie. „Du willst nicht zufällig deine tollen Peeptoes heute anziehen?“
Vittoria lachte und zog ihre Freundin nach oben ins Schlafzimmer und den angrenzenden Kleiderschrank. Nach kurzem Wühlen hatte sie die gewünschten Schuhe gefunden und ihrer Freundin überreicht. Jetzt war sie sogar noch größer. Vermutlich hätte sie längst eine Karriere als Model anstreben können, wenn sie es nur gewollt hätte. Doch ihre Ambition galt der Vergangenheit und nicht der glamourösen Gegenwart. Sie studierte Geschichte an der Universität von Greenwich mit Schwerpunkt auf den Hexenverfolgungen aus dem sechzehnten Jahrhundert. Im Gegensatz zu ihr selber hatte sie die Schule ordnungsgemäß abgeschlossen und war studieren gegangen. Manchmal beneidete Vittoria ihre Freundin darum. Doch dann wiederum erinnerte sie sich daran, dass sie es nicht anders gewollt hatte.
Bald hatte sich auch die kleine Italienerin angezogen und gestylt und es konnte losgehen. Sie ließen sich ein Taxi kommen und fuhren zu dem ehemaligen Camden Palace, welches nun den Namen KOKO trug. Draußen tummelte sich bereits eine lange Schlange vor dem Eingang und wartete auf Einlass. Die beiden Frauen stellten sich hinten an und warteten, bis man ihnen aufmachen würde. Kurz vor Mitternacht war es dann endlich soweit und sie durften in den Club.
Für beinahe vier Stunden vergaß Vittoria den Stress, den sie die letzten beiden Monate hatte, und verbrachte eine tolle Nacht mit ihrer Freundin auf der Tanzfläche. Danach kroch sie müde, aber glücklich und zufrieden, ins Bett und genoss zum ersten Mal seit Monaten, wieder ausschlafen zu können.