LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
These Words - Teil 3
Nachdem sein Bruder Jack wieder gegangen war, war Ben selbst zur Hochform aufgelaufen. Er wusste, dass es heute sein musste. Noch länger würde er es nicht mehr aushalten, sonst wäre er vermutlich irgendwann geplatzt und das zu einem völlig unpassenden Augenblick. Er wollte es perfekt haben und nicht 08/15-mäßig, wie man das so kannte. Nein, wenn er es tat, dann sollte es außergewöhnlich sein. Mehr als das: ihr musste die Spucke wegbleiben! Und jeder, der Vittoria kannte, wusste, wie schwer das werden würde.
Also hatte er alles gegeben, hatte darauf gehofft, dass sie so lange im Badezimmer bleiben würde, hatte auf ihren Dickschädel gesetzt und zum Glück gewonnen. Jetzt war der Moment gekommen, als sie vor ihm saß, die nackten Füße unter sich, die Finger in seine verschränkt. Er fühlte, dass ihre Handflächen nass waren vor Schweiß und er konnte sich nicht einmal annähernd vorstellen, was sie nun durchmachte. Doch es würde nur noch Momente dauern, bis sie begreifen würde.
Und dann öffnete sie die Augen.
Aus dem dunklen Grün mit dem grauen Schleier, den er seit heute Morgen bei ihr bemerkt hatte, wurden riesige grüne Teller. Der Schleier verflog mit einem Mal und ihre Augen begannen wieder diese wohlbekannten Funken zu sprühen, die er so sehr an ihr liebte. Er wusste noch genau, wie sie geguckt hatte, als er ihr das erste Mal sein „Ich liebe dich“ geflüstert hatte. Und nun sah sie wieder genauso aus.
Augenblicklich wurde ihm warm, sein Magen begann zu kribbeln und ihm schoss das Blut ins Gesicht, als wäre er ein Teenager. Seine Handflächen begannen nun auch zu schwitzen und sein Mund wurde ganz trocken. Ihre Verblüfftheit nutzend schluckte er ein paar Mal hart, damit ihm nicht die Stimme versagte, wenn er nun sprach.
Rundherum auf der Begrenzung der Terrasse hatte er Windlichter aufgestellt, die nun im kühlen Luftzug flackerten. Und da es bereits dunkel wurde, warfen sie kleine Lichtreflexe auf den Boden kurz unter sich. Auch in die Pflanzen hatte er Teelichter gestellt, hatte kleine Lampions aufgehängt, die sie irgendwann mal bei Ikea gekauft hatten, und die Rosenblätter, die Jack ihm gebracht hatte, rund um die Decke verstreut, sodass sie nun in einem roten, rosa und weißen Herz saßen, umgeben von Kerzenschein. Über ihnen begannen schon die ersten Sterne am wolkenlosen Himmel zu leuchten. Er hatte den perfekten Moment gewählt.
„Was zum Teufel…“, hauchte Vittoria schließlich, als sie sich einmal umgesehen und das ganze Ausmaß erfasst hatte. Wobei das schier unmöglich schien, denn die Kerzen, die er aufgestellt hatte, waren zahllos. Alle Gartenmöbel waren bei Seite geräumt, sodass nur noch der Holzboden zu sehen war. Dafür hatte er die Pflanzen, die sie hier oben hatten, besser platziert, in jede Ecke eine große Palme gestellt und die kleineren Pflanzen in Grüppchen zusammen gestellt. Zusammen mit den kleinen Lampions, die in den Zweigen hingen, und den Kerzen war der Balkon so in ein schummriges Licht getaucht, dass man gerade genug sehen konnte.
Und dann erst der blumige Duft der Rosenblätter, die auf dem Boden verstreut lagen. Sie mussten ganz frisch sein, denn sonst wären sie in der Tageshitze vermutlich schon ausgetrocknet und verwelkt. Ob das der Grund für die Türklingel gewesen war?
Überrascht sah sie ihn an. Sie konnte nicht genau sagen, was sie erwartet hatte. Doch das war es mit Sicherheit nicht gewesen. Das war so weit weg von dem, was sie sich versucht hatte, nicht auszumalen, dass es ihr schier die Sprache verschlag.
Diesen Moment nutzte er, um endlich seine eingeübte Rede vorzutragen. Tage lang hatte er an nichts anderes denken können, war die Worte im Kopf immer wieder durchgegangen, hatte etwas geändert, Sachen weggestrichen und hinzugefügt, bis es ihm schließlich perfekt vorgekommen war. Bevor er schließlich das Flugzeug bestiegen hatte, hatte er Anna angerufen und ihr seine kleine Rede vorgetragen. Sie war geradezu weggeschmolzen und hatte ihm mit der Todesstrafe gedroht, wenn er sie nicht sofort danach anrief. Das würde Vittoria vermutlich ohnehin tun, denn neben Meg war Anna mittlerweile eine ihrer besten Freundinnen geworden. Und sogar George hatte die Rede gefallen, als er sie ihm im Garten von Vittorias Elternhaus vorgetragen hatte.
Er rief sich in Gedanken wieder zur Ordnung und setzte an. „Vittoria, ich weiß, dass du es in letzter Zeit alles andere als leicht hattest mit mir.“ Er machte eine kleine Pause und sah ihr tief in die Augen. Ein leichter Widerwille glomm darin auf, doch sie hielt sich zurück, etwas zu sagen. Sie kannte ihn gut genug um zu wissen, dass sie ihn jetzt nicht unterbrechen durfte.
„Ich war kaum zu Hause, wir konnten nur telefonieren oder skypen und du wusstest auch meistens gar nicht, wo ich bin. Und dafür möchte ich mich in aller Form bei dir entschuldigen. Es tut mir wirklich unendlich leid und ich geloben Besserung!“
Sie staunte. Hatte er sie etwa dafür hier hoch geholt? Hatte er nur für eine lausige Entschuldigung diesen ganzen Aufwand betrieben? Irgendwie hatte sie mehr erwartet.
Und sie wollte auch schon was sagen, als er sie mit einer Handbewegung wieder zum Schweigen brachte und ihr damit zeigte, dass das ganz und gar nicht alles war, was er sagen wollte. „Aber deswegen habe ich dich nicht hierher gebracht.“ Er atmete noch einmal tief durch. Jetzt kam es darauf an!
„Ich habe dich hierher gebracht, weil mir in den letzten Monaten etwas klar geworden ist. Wir waren nun fünf Monate voneinander getrennt und es war die Hölle für mich. Natürlich hat mir die Arbeit trotzdem Spaß gemacht und ich habe es auch auf eine Art genossen, dass ich keine Rücksicht auf dich nehmen musste. Doch wenn ich abends in mein Hotelzimmer zurückkam, dann kam mir mein Bett immer so leer vor. Weil du nicht da warst.
Damit will ich nicht sagen, dass ich dich nun überall mit hinnehme. Das geht von meiner Arbeit her nicht und von deiner auch nicht. Das…“ Vittoria hob eine Hand vor seine Lippen und brachte ihn damit zum Schweigen. „Du schwafelst“, sagte sie, doch ihr hinreißendes Lächeln nahm ihren Worten die Schärfe.
Erneut atmete er tief durch, straffte die Schultern und ließ schließlich ihre Hände los. Mit der einen Hand griff er hinter sich, verbarg etwas zwischen seinen Fingern, und drehte sich schließlich wieder ganz zu ihr um, das kleine Etwas noch immer zwischen seinen Händen versteckt.
„Die Tatsache, dass ich dich mit meinem Verhalten verletzt habe, lässt sich allerdings nur durch eine einzige Sache eindeutig regeln. Und mit dieser einen Sache will ich der ganzen Welt klarmachen, wie es um uns steht.
Wir sind jetzt beinahe drei Jahre zusammen, haben Monate der Trennung über tausende Meilen überstanden, haben sogar schon zusammen gearbeitet, was jedoch mehr schlecht als recht der Fall war, und sind trotzdem noch zusammen. Seit einem Jahr wohnen wir auch endlich hier in dieser von dir so wunderschön eingerichteten Wohnung zusammen. Und als ich das alles einmal hab Revue passieren lassen, ist mir klar geworden, dass wir so nicht weitermachen können.“
Ein letztes Mal holte er tief Luft, zog die Schultern dabei zu seinen Ohren hoch und ließ sie wieder sinken. Dann öffnete der seine Hände.
Darin hielt er eine kleine türkisblaue Schatulle, die offenbar mit Samt bezogen war. Auf dem Deckel stand in schwarzer Schrift Tiffany & Co. Vittoria holte erschrocken Luft. Was hatte er nur vor?
Eigentlich müsste sie ganz genau wissen, worauf das hier hinaus lief. Doch irgendwie schien ihr Kopf diese Idee noch zu blockieren. Konnten sie das wirklich tun? Wollten sie das tun?
„Und deswegen frage ich dich, Vittoria, ob du mit mir den nächsten Schritt gehen willst. Denn ich bin mir sicher, dass wir beide soweit sind.“ Um sicher zu gehen, befeuchtete er noch einmal seine Lippen, dann öffnete der die kleine Schatulle. „Vittoria Emilia Marconi, vuoi diventare mia moglie?"[4]
Jetzt erst merkte sie, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte und stieß sie erschrocken aus. Dieser Augenblick war so vollkommen, dass sie erst gar nichts sagen konnte. Hatte sie vor ein paar Minuten noch damit gerechnet, dass er mit ihr Schluss machen würde, stellte er ihr nun die Frage aller Fragen. Und sie musste auch keinen Augenblick zu lange überlegen, um zu antworten.
„Si!“, rief sie aus und fiel ihm um den Hals, dass sie beide nach hinten kippen. „Diamine se lo voglio.“[5]Mit einem stürmischen Kuss gesiegelte sie ihre Worte und küsste ihn so lange, bis sie beide kaum noch Luft bekamen.
Irgendwann ließ sie von ihm ab und sah in seine braunen Augen, plötzlich ganz still und ernst geworden. „Willst du das denn auch?“
Verwirrt schob er sie von sich, setzte sich wieder hin und nahm ihre Hände wieder in seine. Die Schachtel mit dem Feuerwerk innen drin war achtlos neben sie gefallen bei Vittorias Überfall. „Was für eine dumme Frage. Sonst hätte ich das doch hier gar nicht alles arrangiert.“ Er wies mit einem Kopfnicken um sich und sie musste kichern, als sie daran dachte, dass er das alles in der Zeit gemacht hatte, in der sie auf dem Badezimmerboden gelegen und geweint hatte, in der Angst, er könnte ihre Beziehung beenden. Und jetzt wollte er sie heiraten.
„Ich weiß, was du jetzt denkst“, kam er ihr zuvor, als er ihre gerunzelte Stirn sah. Noch immer konnte er jeden Gedanken daran ablesen. „Wir hatten es nicht gerade leicht und wir haben beide einen Anteil daran. Ich vielleicht etwas mehr als du, aber wir wissen beide, dass du nicht sonderlich versöhnlich bist.“ Sie zuckte nur entschuldigend mit den Schultern.
„Glaub mir“, sagte er eindringlich und nahm die Schachtel wieder auf. Er öffnete sie erneut, holte den Ring heraus und nahm ihre linke Hand in seine rechte. „Ich will das hier wirklich. Und wenn du das auch wirklich willst, dann bin ich der glücklichste Mann auf der ganzen Welt! Ich möchte dieses Hin und Her endlich beenden, denn ich weiß, dass ich dich liebe und dich immer lieben werde. Egal, wie schwer es noch wird. Du gehörst zu mir. Und ich möchte, dass es alle wissen. Doch vor allem möchte ich, dass du es weißt.“
Langsam, ganz vorsichtig, als könne der Ring noch kaputt gehen, schob er ihn auf ihren linken Ringfinger. Und als er dort saß, merkte sie, dass er perfekt passte. Der halbkarätige Stein war ein bisschen breiter als der schmale Platinring, rund geschliffen und in einer sechsarmigen Fassung gesichert. An ihrer kleinen Hand sah er zierlich aus und funkelte im Licht der Kerzen.
Eine Weile betrachtete sie ihn, drehte die Hand mal hierhin, mal dorthin, prüfte noch ein paar Mal den Sitz des Ringes und ob der Stein auch nicht rausfallen konnte, und als sie alles geprüft hatte, was man prüfen konnte, sah sie wieder Ben an.
Obwohl der Ring bereits diesen Pack hätte besiegeln müssen, wartete er noch immer auf eine endgültige Antwort. Würde sie noch Nein sagen? Jetzt, nach all dem, was er gesagt und getan hatte? War ihr der Streit vielleicht doch so nah gegangen, dass sie das gar nicht wirklich wollte? Doch dann ließ sie die Hand sinken, sah ihn an und lächelte. Und als er dieses Lächeln sah, wusste er, was sie sagen würde.
„In meiner Familie ist es Brauch, dass der Mann die Frau dreimal fragt“, sagte sie und hob dabei einen Zeigefinger. „So kann ausgeschlossen werden, dass sie lügt oder im Affekt Ja gesagt hat.“ Sie zwinkerte ihm zu und er verstand den Wink.
Also nahm er noch einmal ihre Hände in seine, ihre linke Hand so haltend, dass der Ring zwischen ihnen lag, und sah ihr wieder tief in die Augen. „Vittoria, vuoi diventare mia moglie?“
„Si, mio amato.“ Sie lächelte jetzt ganz offen, strahlte fast, und das machte ihm Mut.
„Voui proprio diventare mia moglie?“
„Si, veramente[6]“, sagte sie, als fern am Himmel der erste Donner grollte und ein einzelner Regentropfen zwischen sie fiel, und besiegelte ihre Worte mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss.
[4] Vittoria Emilia Marconi, vuoi (proprio) diventare mia moglie?=Vittoria Marconi, willst du (wirklich) meine Frau werden?
[5] Si, diamine se lo voglio.=Ja, und ob ich das will.
[6] Veramente=Wirklich