LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Kapitel 40
~ When you say nothing at all
It's amazing how you can speak right to my heart
Without saying a word you can light up the dark
Try as I may I can never explain
What I hear when you don't say a thing
Dean reiste zusammen mit den anderen Schauspielern in Matamata an. Auf der ganzen Fahrt hierher hatte Aidan versucht herauszubekommen, warum er so geknickt war und kaum etwas sagte. Doch er schwieg beharrlich weiter und starrte weiter aus dem Fenster, bis Richard Aidan dazu überreden konnte, es gutsein zu lassen und sich lieber mit Adam zu unterhalten.
Der junge Ire sah schließlich auch ein, dass es keinen Sinn hatte, und beteiligte sich danach lieber an der Unterhaltung über Petes Geburtstagsgeschenk. Irgendwer von ihnen war auf die Idee gekommen, ihm einen Kalender zu seinem Fünfzigsten zu machen, doch es hatte etwas Besonderes sein sollen. Schließlich hatte Stephen vorgeschlagen, sich in den Zwergenkostümen abzulichten, aber um das Ganze etwas persönlicher zu gestalten, würden sie nur ihre Masken, die Perücken und Fatsuits tragen. Danach hatten sie sich in jede mögliche und unmögliche Pose geschmissen, bis am Ende zwölf absolut peinliche Bilder herausgekommen waren, worüber sich alle einig waren, dass sie niemand sonst außer Pete zu Gesicht bekommen sollte.
Den „Naghty Dwarf Calendar“ hatten sie nun verpackt und würden ihn am einunddreißigsten Oktober nach den Dreharbeiten bei der großen Party an den Regisseur überreichen. Denn natürlich hatte Pete nicht gewollt, dass seinetwegen der Drehplan durcheinander kam.
Abends im Hotel trafen sie sich alle zum Essen. Es herrschte eine allgemein gute Stimmung, nur der Fíli-Darsteller wirkte weiterhin sehr in sich gekehrt. Irgendwann nach dem Dessert nahm Richard ihn zur Seite und ging mit ihm nach draußen. Der dunkelhaarige Brite machte sich nun doch ernsthaft Sorgen um seinen jüngeren Kollegen, wollte aber nicht, dass die anderen etwas davon mitbekamen. Wohlmöglich würde noch einer der Jungs Witze darüber machen, so wie er Jed und Mark kannte.
„Möchtest du mir vielleicht etwas erzählen?“, fragte Richard, als sie es sich auf einer der Bänke gemütlich gemacht hatten.
Dean stieß nur einen tiefen Seufzer aus. Er wusste genau, dass er sich die ganze Situation besser von der Seele reden sollte, doch Richard war auch mit Joe befreundet und er wollte weder ihn noch sie in eine prekäre Lage bringen.
Als er aber in die blauen, besorgt dreinblickenden Augen seines Gegenüber sah, entschied er sich, es doch zu tun. Er erzählte Richard davon, wie sie zu diesem Konzert gegangen waren, dass Joe dort auf ihre Jugendliebe gestoßen war, dass sie und Dean sich schließlich auf der Tanzfläche geküsst hatten und sie ihn später um Bedenkzeit gebeten hatte.
Richard hörte stumm zu, bis Dean fertig war. Dann warf er einen Blick auf das Panorama, das sich vor ihm auftat. Die Sonne ging gerade hinter den Hügeln unter und warf rote und lilafarbene Schattenspiele an die Wolken, während sich unter ihnen der Waikato River dahin schlängelte. „Tja“, sagte er, „so wie es aussieht, wirst du wohl warten müssen, bis sie sich entschieden hat, was sie eigentlich will. Denn so, wie es sich für mich anhört, ist sie im Moment ziemlich verwirrt. Da würde es nichts nützen, wenn du sie zu etwas drängst, was sie nachher gar nicht will.“
„Das heißt, ich muss warten, bis sie sich vielleicht zu entschließt, doch wieder mit diesem Nick zusammen zu sein und mich stehen lässt?“ Er klang wenig begeistert, aber das war auch nur verständlich. Darauf zu warten, dass man vielleicht abgeschossen wird, bevor man überhaupt dazu kam, sich richtig kennenzulernen, war für keinen Mann schön.
Anstelle einer Antwort drehte Richard sich zu ihm um, sodass er ihm besser in die Augen sehen konnte. Er konnte sich kaum vorstellen, wie es wohl für Dean sein musste, so in der Luft zu hängen. Doch auch er hatte bereits eine langjährige Beziehung hinter sich, die Höhen und Tiefen aufgewiesen hatte. Daher wusste er genau, was zählte und was nicht. „Liebst du sie denn?“, fragte er also.
Es dauerte eine Weile, bis Dean darauf antworten konnte, denn er wusste nicht so ganz, wie ehrlich er wirklich zu sich selbst war. „Ich bin mir da nicht mehr so sicher“, sagte er schließlich leise. „Am Anfang hab ich sie überhaupt nicht gemocht. Ihre krankhafte Schüchternheit hat mich gereizt und mich wütend gemacht. Doch dann mochte ich sie auf einmal und ich wollte Zeit mit ihr verbringen. Und je mehr Zeit wir miteinander verbracht haben, desto mehr mochte ich sie.“
„Hast du ihr das gesagt?“
Verdutzt zog er eine Augenbraue hoch. Nicht, weil er ohne Richard niemals auf diese Idee gekommen wäre, sondern weil er es ihr tatsächlich noch nicht gesagt hatte. Er war zwar nicht unbedingt jemand, der sein Herz so auf der Zunge trug wie Aidan, doch er war auch nicht feige, wenn es darum ging, seine Gefühle einzugestehen. Sofern er sich dieser Gefühle denn auch tatsächlich bewusst war.
Vielleicht hatte es bisher daran gelegen. Vielleicht hatte er Joe noch nicht gesagt, was er für sie empfand, weil er es noch nicht sicher gewusst hatte. Doch seitdem er von ihrer Vergangenheit wusste, hatte sich das geändert. Er wollte sie beschützen, wollte sie dazu bringen, mehr aus sich herauszukommen. Er wollte bei ihr sein, ihr helfen, mit ihrem Leben besser klarzukommen, sie stützen und leiten, ihr Freund sein.
„Ich will dir jetzt nicht sagen, was du zu tun hast“, fuhr Richard fort, „aber ich bin immer der Meinung, dass man klare Verhältnisse schaffen sollte. Woher soll sie denn wissen, was du über sie denkst, wenn du es ihr nicht mitteilst?“ Er sah seinen Kollegen eine Weile an, der stumm auf seine Hände starrte und zu überlegen schien, ob das tatsächlich eine gute Idee wäre, es ihr zu sagen. „Aber das ist nur meine Meinung“, fügte Richard noch hinzu, lehnte sich auf der Bank zurück, legte die Ellbogen auf die Lehne und schaute in den Sonnenuntergang.
Als Dean später im Bett lag, dachte er darüber nach, was Richard gesagt hatte. Sollte er Joe wirklich sagen, dass er Gefühle für sie hatte? Doch wenn er das tat, sollte er zunächst einmal wissen, was genau das für Gefühle waren, die er da hatte. War es tatsächlich so etwas wie Liebe? Oder war es vielleicht nur Zuneigung oder gar Freundschaft?
Nein, dachte er, Freundschaft ist es definitiv nicht mehr. Das, was er fühlte, ging weit darüber hinaus. Es hatte etwas damit zu tun, dass sie so viel kleiner war als er, dass sie so zerbrechlich wirkte, wenn er sie in den Arm nahm. Es hatte etwas mit ihrem Geruch nach Blumen und Ingwer zu tun, den er immer in der Nase hatte, wenn sie an ihm vorbei ging. Genauso wie es etwas mit ihren grünen Augen zu tun hatte, die ihn immer an eine saftig blühende Wiesen erinnerten. Oder mit dem Erröten ihrer Wangen, wenn ihr etwas unangenehm war. Mit der Art, wie sie sich an ihn gedrückt hatte beim Tanzen.
Ein Kribbeln breitete sich in seinem Magen aus, als er so in der Dunkelheit lag, an die Decke starrte und sich ein so detailliertes Bild von ihr vor seinem geistigen Auge schuf, dass er dachte sie berühren zu können. Sein Puls beschleunigte sich, seine Hände, die er hinter dem Kopf verschränkt hatte, wurden schwitzig und sein Atem ging auf einmal viel schneller als noch zuvor. Und in diesem Moment begriff er, dass Richard Recht hatte.
Sie wusste bereits, wie Nick zu ihr stand. Doch wie er, Dean, zu ihr stand, das wusste sie nicht. Sie hatte keine Ahnung davon, dass er sich tatsächlich in sie verliebt hatte, dass er sie gern um sich hatte und dass er direkt bessere Laune bekam, wenn sie ihn anlächelte. Sie wusste nicht, dass er sie gern mit nach Hause genommen und seinen Eltern vorgestellt hätte. Dass er sie so gern einmal fotografiert hätte, auch wenn er wusste, dass jedes noch so gute Bild nicht ihre vielschichtige Persönlichkeit einfangen konnte. Oder dass er noch immer ihren Geschmack auf den Lippen hatte, obwohl der Kuss schon fast drei Tage her war.
Entschlossen, ihr am nächsten Tag die Wahrheit über sich zu sagen, drehte er sich auf die Seite und versuchte noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Doch genau wie Joe schaffte er es nicht, das Karussell in seinem Kopf zum Anhalten zu bringen. Und am nächsten Morgen, dem Tag von Petes Geburtstag, fühlte er sich, als hätte ihn ein LKW überrollt.
Am Frühstückstisch gab er sich jedoch besser gelaunt, als er tatsächlich war. Er überspielte gekonnt, dass er Kopfschmerzen hatte, und machte mit den anderen Witze über Stephens Bild im Kalender, dass Bombur aussah, als würde er einen Kürbis zur Welt bringen. Und als sie schließlich alle zum Set von Hobbingen fuhren, wo heute noch einmal gedreht werden würde, hatte er tatsächlich wieder bessere Laune.
Hobbingen war definitiv das beste Set, was er bisher gesehen hatte. Die Erinnerungen aus den Herr der Ringe-Filmen mit dem vergleichend, was er nun vor sich sah, spazierte er langsam mit den anderen die kleinen Wege entlang, die sich durch die Hügel schlängelten. Sie fanden Pete wie üblich in seinem grünen Regiezelt, wo er schon allerlei Glückwünsche entgegen genommen hatte. Nun waren die Zwerge an der Reihe und es wurde ziemlich laut, als sie ihn alle umarmten und drückten und ihm alles Gute wünschten.
Danach verschwanden sie an den Rand, damit sie nicht mit ins Bild kommen würden, und kurz vor dem Mittagessen wurde schon Feierabend gemacht. Die Kantinen-Crew hatte ein großes Zelt hinter den Hügeln, die das Set verbargen, aufgebaut und darin ein Buffet aufgebaut. Weiße Tische und Stühle standen überall herum und es herrschte ein großes Gewimmelt. Es waren nicht so viele Leute anwesend wie in den Studios, weil die Leute von Weta und aus den verschiedenen Departments größtenteils in Wellington geblieben waren, doch es reichte, um den Überblick zu verlieren.
Dean ließ sich an einem großen Tisch nieder, genau zwischen Adam und Stephen, die sich schon etwas zu Essen geholt hatten. Auch die anderen hatten ihre Teller vollgeladen, also erhob er sich wieder, um sich auch etwas zu holen.
Auf dem Weg zum Buffet fand er Luke, Orlando und Evi, die sich zu Lee gesetzt hatten. Auch sie waren heute hier, obwohl es gar nicht nötig gewesen wäre. Doch wenn Peter Jackson Geburtstag hatte und auch noch fünfzig Jahre alt wurde, konnte vermutlich niemand einfach so zu Hause bleiben. Schon gar nicht, wenn man Peter, wie Orlando zum Beispiel, schon so lange kannte. Der Legolas-Darsteller hatte auch seine Familie mitgebracht, die er Dean gerne vorstellte.
„Wo hast du denn deinen Mann und deinen Sohn gelassen?“, fragte Dean Evi vorwitzig, die ihn nur von oben herab musterte. Als er diesen spöttischen Blick ignorierte und ihr stattdessen die Zunge heraussteckte, musste sie anfangen zu lachen. „Norman und Kahekili sind zurück nach Hawaii geflogen. Meine Mutter passt auf den kleinen Mann auf, wenn Norman arbeiten muss.“
Luke verschluckte sich fast an seinem Essen, als er das hörte. Bisher hatte er gar nicht nach dem Namen von Evis Sohn gefragt. Ihn jetzt zu hören, mit dem Wissen, das er über den Film hatte, machte das Ganze ziemlich absurd. „Du hast deinen Sohn echt Kili genannt, Tauriel? Was sagt denn dein Mann dazu? Ist er überhaupt der Vater?“, fragte er mit noch halb vollem Mund und besprühte Lee dabei mit Resten von seinem Ratatouille.
Der Thranduil-Darsteller wischte sich kurz über die Wange. „Das war echt nicht nötig, Luke“, sagte er leicht angewidert, während Orlandos Sohn Seth neben ihm fast vor Lachen vom Stuhl kippte. Teti versuchte noch, ihn zurecht zu weisen, doch dabei wirkte sie nicht sonderlich überzeugend, weil sie ebenfalls lachen musste. Sie war nur so klug es hinter vorgehaltener Hand zu tun.
Dean beobachtete das Ganze mit wachsender guter Laune. Er wollte sich gerade wieder verabschieden, als Maria, Tetis und Orlandos kleine Tochter, nach seinem Hemdzipfel griff, der ihm aus der Hose ragte, und daran zog. Überrascht schaute er auf die Kleine herab, die Orlando auf dem Schoß hatte. „Hey“, sagte er gespielt empört und kniete sich vor sie hin, um ihr in die schönen braunen Augen schauen zu können. „Wer ist denn diese vorwitzige kleine Schönheit?“
Sofort breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem runden Gesicht aus, als er ihr zärtlich über die Wange streichelte. Sie wollte nach seinem Bart greifen, doch ihr Vater fing ihre kleinen Fingerchen ein, bevor sie Unheil stiften konnte. „Nein, Maria“, tadelte er leicht, „wir ziehen niemandem am Bart. Auch keinem Zwerg.“
„Doch!“, warf Lee sofort ein. „Zieh dran, Kleines!“ Das sorgte dafür, dass am Tisch eine wilde Diskussion darüber ausbrach, ob es tatsächlich so ratsam war, den Neffen von Thorin Eichenschild zu verärgern, doch Dean winkte nur ab. „Keine Sorge“, sagte er und zog nun selbst an seinem rötlich-blonden Bart, „der ist angewachsen.“ Er zwinkerte Maria noch einmal zu, dann verschwand er in Richtung Buffet.
Teti, die erst gestern das Gespräch mit Joe gehabt hatte, drückte ihre beiden Zwillinge Evi und Luke in die Hände und eilte hinter Dean her. Orlando warf ihr einen fragenden Blick zu, doch sie schüttelte nur unmerklich den Kopf, zum Zeichen dafür, dass sie es ihm später erklären würde. Noch hatte sie ihm nichts von dem Frauengespräch erzählen können, weil bisher noch keine Zeit dazu gewesen war.
Als sie Dean in der Schlange zum Essen eingeholt hatte, schmuggelte sie sich einfach hinter ihn und tippte ihm auf die Schulter. „Hey“, sagte sie fröhlich, „geht‘s dir gut?“ Sie hatten sich in den letzten Monaten des öfteren gesehen und dabei auch schon ganz gut kennengelernt, sodass sie behaupten würde, ihn zu ihren Freunden zählen zu können. Daher fand sie, dass es ihr auch zustand, ihn nach seiner Laune zu fragen.
Er bejahte ihre Frage und sie hielten kurz Smalltalk darüber, was sie wohl später noch auf der Party erwarten würde. Dann kam Teti zu dem eigentlichen Thema, das ihr auf der Zunge lag. Sie zögerte kurz, weil sie unsicher war, wie er darauf reagieren würde, doch sie hatte sich vorgenommen, den beiden ein wenig auf die Sprünge zu helfen. „Hast du schon mit Joe gesprochen heute?“
Sie konnte sehen, wie sich sein Blick kurz verdüsterte, dann hatte er sich jedoch wieder in der Gewalt. „Nein“, sagte er, „ich habe sie heute noch nicht gesehen. Wieso?“
„Ach“, machte sie nur und zuckte unschuldig mit den Schultern, „sie hatte mich nur gefragt, ob ich dich schon gesehen hätte, weil sie mit dir reden wollte.“ Das stimmte nur teilweise. Teti hatte die junge Designerin zwar schon gesehen, aber nur von Weitem. Und gesprochen hatte sie sie auch noch nicht. Doch das musste der blonde Kiwi ja nicht unbedingt wissen.
Nachdem sich beide mit Essen eingedeckt hatten, hielt Dean kurz inne, während Teti zurück zu ihrem Mann und ihrer Familie ging. Sollte er sich wieder zu den anderen Zwergen setzen oder nach Joe suchen?
Er entschied sich für Letzteres, weil die Neugier darauf, was sie ihm zu sagen hatte, eindeutig überwog, und ließ seinen Blick durch das Kantinenzelt schweifen. Er fand sie schließlich am Tisch mit ihrem Team, wo sie in eine hitzige Diskussion mit ihrer Freundin Emily vertieft war. Er zögerte einen Augenblick, weil er sie eigentlich nicht stören wollte, doch dann dachte er, dass er sich vermutlich nicht mehr trauen würde, wenn er jetzt nicht ging. Als er näher kam, hörte er noch, wie Emily empört schnaubte, als Joe sagte: „Es tut mir wirklich leid, was ich gestern gesagt hab! Ich war nicht ganz ich selbst.“
„Das kannst du wohl laut sagen“, erwiderte die Schneiderin, wirkte aber schon wieder wesentlich versöhnlicher als noch Momente zuvor. Dann fiel Deans Schatten auf den Tisch zwischen ihnen und sie sahen beide hoch. Auf Emilys Gesicht breitete sich sofort ein Lächeln aus, während Joe augenblicklich die Augen niederschlug und nach einer Beschäftigung auf ihrem Teller suchte, der allerdings schon leer war.
Dean grüßte schnell allgemein, dann sagte er an Joe gewandt: „Hättest du Lust, mich zum Essen nach draußen zu begleiten?“
Joe spürte unter dem Tisch einen Tritt gegen ihr Schienbein, der nur von ihrer Freundin kommen konnte. Sie warf Emily einen bösen Blick zu, den diese jedoch geflissentlich ignorierte und sagte: „Klar will sie! Wir sind grade fertig geworden. Ich nehme dein Tablett mit, Kleines.“ Sie packte Joes leeren Teller auf ihren und erhob sich mit den anderen, sodass die beiden nun alleine waren. Dean setzte sich Joe gegenüber hin.
Eigentlich hatte er eben noch großen Hunger gehabt, doch der war ihm irgendwie wieder vergangen. Nun spürte er wieder dieses Kribbeln im Bauch, was er noch von gestern Abend her kannte, als er sie ansah, wie sie stumm auf ihre Hände starrte und an ihren Fingernägeln knibbelte, um etwas zu tun zu haben.
„Teti meinte, du willst mit mir reden?“, brach er endlich das Schweigen. Doch Joe seufzte nur. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte noch keine richtige Zeit gehabt, sich über die Dinge, die sie gestern von der Halbägypterin gehört hatte, klar zu werden. Und das wollte sie ihm auch gerade sagen, aber da legte er ihr eine warme Hand auf ihren Unterarm.
Überrascht sah sie hoch und in seine blauen Augen hinein. Sofort spürte sie, wie sich eine kleine Sonne in ihrem Bauch entwickelte, die ihre wärmenden Strahlen durch ihren gesamten Körper schickte. Woher kam dieses Gefühl auf einmal?
„Schon gut“, sagte Dean, „du musst nichts sagen. Ehrlich gesagt möchte ich, dass du mir nur zuhörst. Du musst auch danach nichts sagen, wenn du willst. Aber ich möchte das loswerden, bevor ich es mir anders überlege. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich?“
Sie nickte auf seine Frage hin, obwohl sie gar nicht wusste, was er genau zu sagen hatte. Doch wenn er sie schon von einer Antwort entband, dann wollte sie ihm da auf gar keinen Fall widersprechen.
Er nahm seine Hand wieder von ihrem Arm und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Eine Weile sagte er nichts, sondern starrte nun seinerseits auf seine Hände. Dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen.
„Das mit Freitag tut mir leid“, begann er. „Ich wollte dich zu nichts drängen. Das möchte ich auch jetzt nicht. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich dich wirklich gern habe. Ich bin gern mit dir zusammen und es fühlt sich gut an, wenn du bei mir bist. Und dieser Kuss...“ Er hielt inne, weil es ihm hier drinnen plötzlich wahnsinnig warm vorkam. Er musste sich kurz räuspern, bevor er fortfahren konnte. „Alles, was ich sagen will, ist, dass ich dich wirklich gern habe. Das solltest du nur wissen.“
Er griff wieder nach ihr, doch dieses Mal nahm er ihre Hände in seine und hielt sie einen Moment lang fest. Er genoss das Gefühl von ihren Fingern, die wie selbstverständlich mit seinen spielten.
Gern hätte er gewusst, was in diesem Moment in ihrem Kopf vor sich ging, doch er hatte ihr gesagt, dass sie ihm nicht antworten musste. Und daran würde er sich halten. Also schwieg er genauso wie sie, wartete darauf, dass der Moment verflog und er sich von ihr lösen konnte.
Doch der Moment verflog nicht. Und sie blieben so sitzen, wie sie waren. Joe hatte ihn eben beobachtet, wie er mit der kleinen Maria gesprochen hatte, und ihr waren Tetis Worte wieder eingefallen, dass sie sich die Männer neben Kindern vorstellen sollte, wie sie mit ihnen umgingen. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann konnte sie sich Nick überhaupt nicht als Vater vorstellen.
Seine Welt war die der Band mit lauten Auftritten, viel Alkohol und noch mehr verrückter Fans, die ihm ihre BHs auf die Bühne warfen. Früher mochte sie vielleicht einmal ein Teil davon gewesen sein, doch die Zeit, in der sie alleine gewesen war, hatte sie verändern. Sie war eine andere geworden, die sich nicht mehr in jedes Abenteuer stürzte, das sich ihr bot. Das war es nicht mehr, was sie wollte, das wusste sie jetzt.
Wie sie bei Denver und den Jungs im Proberaum gesessen und über alte Zeiten gesprochen hatte, da hatte sie es noch vermisst, doch sobald sie aus dem Club raus gewesen waren, hatte sie sich wieder so leer gefühlt wie damals, als man sie alleine gelassen hatte.
Und irgendetwas sagte ihr, dass das mit Dean nicht passieren würde. Klar würde er vermutlich auch mal das Land verlassen, um zu arbeiten. Aber sie würde wissen, wann er wiederkam. Er war dieser bodenständige Typ, den sie vor vier Jahren gebraucht hätte, und der nun endlich da war. Das war ihre Chance auf einen Absprung.
Sie holte tief Luft, um ihm das alles zu sagen, doch da löste er sich plötzlich wieder von ihr, griff nach seinem Tablett und stand auf. Er sah sie noch einmal traurig lächelnd an, dann ging er davon.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, dass ihre eigene Schüchternheit ihr mal wieder gehörig im Weg gestanden hatte, und sie verfluchte sich selbst dafür, dass sie nicht den Mund aufgemacht hatte, als es der richtige Zeitpunkt dafür gewesen war. Doch wann war schon der richtige Zeitpunkt? Der kam vermutlich nie. Und wenn sie es jetzt nicht tun würde, würde sie es nie wieder tun. Denn in diesem Augenblick, als sie sah, wie Dean seinen immer noch vollen Teller zur Geschirrrückgabe zurück brachte und das Zelt verließ, wusste sie plötzlich, was sie wollte.
Sie erhob sich so schnell, dass sie ihren Stuhl dabei umwarf und sie fast über dessen Beine gefallen wäre. Doch als sie sich wieder gefasst hatte, rannte sie fast auf den Ausgang zu, durch den Dean verschwunden war. Sie warf die Zeltplane zurück, die in der leichten Sommerbrise wehte, und sah sich suchend um.
„Dean!“, rief sie, als sie ihn gefunden hatte, und rannte auf ihn zu. Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Schlitternd kam sie vor ihm zum Stehen. „Ich... Ich wollte nur“, begann sie, doch auf einmal fehlten ihr die Worte, um das auszudrücken, was sie fühlte. Das Ganze war so verrückt!
Verwirrt blickte er ihr in die grünen Augen, dann musste er lächeln. Er legte ihr eine Hand an die Wange und zwang sie so dazu, ihn ruhig anzusehen. Und seine innere Gelassenheit übertrug sich auf sie. „Was wolltest du nur?“
Sie biss sich kurz auf die Zunge, dann schluckte sie schwer. Jetzt war der Augenblick gekommen. Reiß dich zusammen, Joe!, rief sie sich innerlich Mut zu. Dann sagte sie: „Ich... Ich wollte dir nur sagen... Ich bin doch für ein Happy End.“
„Was?“ Sein Grinsen wurde breiter, als er sah, wie sie wieder vor Scham errötete. Das war vermutlich nicht das, was sie eigentlich hatte sagen wollen, das konnte er in ihren Augen lesen. Doch es war immerhin ein Anfang. Also nahm er sie bei den Händen und überbrückte den letzten Schritt, der noch zwischen ihnen Platz war, sodass er nun ganz nah vor ihr stand. „Das ist kein Happy End“, sagte er leise. Sein Atem strich zärtlich über ihre Wange.
Überrascht und auch irgendwie ängstlich sah sie zu ihm hoch, was sein Herz gleich zu einem freudigen Hüpfer veranlasste. „Aber ich dachte“, fing sie an zu stottern, doch er unterbrach sie gleich wieder, indem er ihr einen Finger auf die Lippen legte.
„Das ist doch erst der Anfang“, flüsterte er, beugte sich zu ihr herunter und ersetzte seinen Finger, indem er ihren immer noch vor Verblüffung offen stehenden Mund sanft mit seinem eigenen verschloss.
to be continued...