LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Intermezzo
Hätte ich damals, am Anfang unserer Reise, gewusst, was ich nun über sie weiß, wären meine Gedanken über sie sicherlich andere. Doch da es so kam, wie es nun gekommen ist, weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll.
Ich weiß, was in mir vorgeht und es macht mir Angst. Doch wenn ich sehe, wie es manches Mal in ihr wütet, will ich gerne glauben, dass ich schon länger daran zerbrochen wäre. Wie sie es schaff, ein ums andere Mal wieder aufzustehen, den Kopf hochzuhalten und die Schultern zu straffen, ist mir ein großes Rätsel. Nicht jeder vermag so eine Last zu tragen, ohne dabei nicht wenigstens ein bisschen seines Verstandes einzubüßen.
Damit will ich nicht sagen, dass sie ganz und gar klar ist. Gelegentlich habe ich auch bei ihr das Gefühl, dass es nicht richtig in ihr Arbeitet. Doch diese Momente verfliegen schnell. Denn wenn ich in ihren Augen die Sterne Vardas sehe, wird mir schnell klar, dass sie gar nicht den Verstand verlieren kann. Sie muss von den Valar gesegnet sein.
Wie sie nun so dasitzt, den Kopf hängen lässt und ihr verbundener Arm an ihrer Seite baumelt, macht sie einen unendlich traurigen Eindruck. Gerne würde ich zu ihr gehen, sie trösten und ihr Worte des Mutes sagen. Aber ich wüsste nicht, ob sie darauf dankbar oder feindlich reagieren würde. Ihren ganzen Charakter zu erfassen ist eben doch ein schwerwiegenderes Unterfangen als es vielleicht den Anschein haben mag. So viele Facetten in einer Person sind mir noch nicht untergekommen. Doch der Gedanke gefällt mir, dass sie anders ist als die Elben, denen ich bisher begegnet bin.
Dies mag auch die Ursache darin haben, dass sie zwar hier in Mittelerde geboren wurde, aber nicht hier aufgewachsen ist. Meine Kindheit spielte sich allein an einem Ort ab. Sie wurde rastlos durch die Welt geschickt, wenn es stimmt, was man sich erzählt. Ich kenne ihre Geschichte nicht. Aber ich weiß von Gandalf und Aragorn, dass sie mehr als nur die Tochter von Galadriel und Celeborn ist. Dass sie auch noch die Tante von Arwen Undómiel ist, lässt ihre Geschichte noch rätselhafter erscheinen.
Gimli war verzückt von der Schönheit Galadriels. Doch das Antlitz der Mutter verblasst neben dem ihrer jüngeren Tochter. Viele sagen (und unter ihnen sind Elben, die schon viel gesehen haben), dass selbst Lúthien nicht schöner sein konnte. Den direkten Vergleich kann man schwer ziehen, da doch etliche Jahre zwischen ihnen liegen müssen.
Und dies bringt mich zu einem weiteren Rätsel: man erzählt sich, dass sie lange Jahre in Valinor bei den Göttern lebte und ausgebildet wurde. Und doch sieht sie nicht älter aus, als ihre Nichte. Aber wenn man ihr dann einmal in die blauen Augen sieht, kann man den Schmerz und das Leid vieler Jahre erkennen, die sie nicht erlebt haben kann. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, dass die Strapazen, die sich in ihrem Blick widerspiegeln, unmöglich einem einzigen Lebewesen zueigen sein können. Doch wie kann ein Elb das Schicksal vieler auf seinen Schultern tragen, ohne daran zu zerbrechen?
Ihre Schönheit ist noch nicht einmal der Grund, warum sie mir ins Auge fiel. Dass sie schön ist steht außer Frage, aber hinter ihrem Gesicht verbirgt sich viel mehr als nur das. Manches Mal würde ich vieles geben um zu wissen, was gerade in diesem Augenblick in ihrem Kopf vorgeht. Doch was würde sie sagen, wenn sie wüsste, was in meinem Kopf vorgeht?
Sie würde es vermutlich nicht einmal bemerken, wenn ich ihr meine Gefühle gestehen würde. Und obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche als ihr nahe zu sein, kann ich es dennoch niemals sein. Zu nahe ist die Trauer über den Verlust ihres Geliebten. Und ich sehe, dass ihr Herz an ihm gehangen hat und es noch immer tut. Sie muss ihn sehr geliebt haben, denn sie hätte ihren eigenen Tod auf sich genommen, um seinen leblosen Körper vor einer Schändung zu bewahren. Und das zeigt mir, wie leidenschaftlich sie sich einer Sache verschreibt.
Würde mir die Liebe einer solchen Frau gehören, wäre ich der glücklichste Elb auf Erden. Doch was kann sie von mir schon erwarten? Ich bin jung und meine erste Schlacht schlug ich vor ein paar Monaten. Würde ich um sie werben würde sie mich vermutlich auslachen.
Und doch habe ich das Gefühl, dass sie zumindest Freundschaft für mich empfindet.
Wenn es denn nun bei Freundschaft bleiben soll, dann werde ich es hinnehmen. Denn eine verlorene Liebe ist mir mehr wert, als niemals geliebt zu haben. Sollte ich also eines fernen Tages dazu kommen, dass ich ihr meine Liebe gestehe und sie weist mich ab, dann könnte ich damit leben. Aber es wäre einfacher still zu schweigen und die Nähe zu genießen, die mir bleibt.
Aber es ist nicht einmal eine richtige Nähe. Ihr Blick wirkt unablässig abwesend, als weilte sie in einer fernen Zeit, weit entfernt von Krieg und Trauer und Schmerz. Kehren ihre Augen dann wieder in die Wirklichkeit zurück, weiß sie Dinge, die sie nicht wissen kann. Unzweifelhaft hat sie die Voraussicht, die nicht viele Elben haben. Und damit ist sie gleichzusetzen mit dem Halbelben Elrond und ihrer Mutter Galadriel. Ich weiß nicht einmal, ob mein Vater jemals eine solche Zukunftsvision hatte, wie sie sie manchmal hat.
Nun sieht sie mich an und doch blickt sie durch mich hindurch. Sie nimmt mich wahr und doch wieder nicht. Vielleicht sieht sie in mir etwas, was ich nicht sein kann.
Doch das wäre zu viel Anmaßung. Wie kann ich erwarten, dass sie mich beachtet? Wer bin ich denn, dass ich ihr ein Leben bieten könnte, wie ihr Verlobter es gekonnt hätte. Zwar bin ich ein Prinz und sie zweifellos eine Prinzessin, aber die Unterschiede sind zu enorm. Die einzigen Gemeinsamkeiten, die wir teilen, sind die, dass wir von hoher Geburt sind (wobei sie wohl noch edleren Geblüts ist) und dass wir den Erstgeborenen angehören.
Aber sie ist zu schön, zu stark, zu tapfer und doch so zerbrechlich, als dass ich es mir erlauben könnte um sie zu werben. Viel zu groß ist der Graben der Unterschiede zwischen uns. Und ich fühle mich viel zu klein.
Gimli hat meinen abwesenden Eindruck bemerkt und als Freund ist es ihm auch nicht verborgen geblieben, dass mein Blick auf ihr ruht. Doch er wird es wohl nicht verstehen, denn sein Frauengeschmack weicht doch dem meinen sehr ab.
Trotzdem erweist er sich als Freund, indem er mir Mut macht. Doch den Mut hätte ich, sie anzusprechen. Aber wie kann ich mich ihr anbieten wenn ich weiß, dass sie Besseres verdient hätte? Würde es nur um mich gehen, sähe ich keinerlei Problem in der Angelegenheit. Doch hier geht es um sie und ihre Gefühle. Und solange ihr Herz noch einem anderen gehört, ist darin für mich kein Platz. Und solange ich nur ein unreifer Jüngling bin, würde ich es nicht wagen, ihr unter die Augen zu treten.
Aber was wäre, wenn der Krieg beendet wäre und ich als Held aus ihm hervorgehe? Zweifellos sind wir schon jetzt Gesprächsstoff unter unseren Völkern. Doch was würden die Geschichten wohl in ein paar Jahren von uns erzählen? Ob sie mich als tapferen Krieger beschreiben? Könnte dies eine Möglichkeit sein, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen? Und wenn ich mich dann ruhmreich geschlagen habe, würde sie, wo sie doch selber in diesem Krieg kämpft, mich dann mehr beachten als sie es nun tut? Denn hätte ich mich erst einmal im Kampf gut bewiesen, wäre ich sicherlich in ihren Augen interessanter, als ich es nun bin.
Ob sie mich für einen verwöhnten Prinzen hält? Ich habe zwar schon deutlich gezeigt, dass ich mit Pfeil und Bogen umzugehen vermag, aber woher soll ich schon wissen, was sie über mich denkt. Sie spricht mit niemandem und mit mir spricht sie wohl am wenigsten. Sie selber über mich auszufragen schickt sich jedoch in gar keinem Falle. So bleibt mir keine Wahl, als abzuwarten.
Doch wie kann ich warten und schweigen, während mein Herz vor Verzweiflung schreit? Ich glaube nur mein Anstand und der Respekt vor ihrer derzeitigen Situation hält mich davon ab, um ihre Hand zu werben.
Doch ist es Liebe? Oder ist es der Reiz, der von ihr ausgeht?
War ich vor ein paar Minuten noch sicher darüber, was in mir vorgeht. kann ich es nun nicht mehr sagen. Der Wunsch in mir, Sie in meinen Arm zu nehmen, ist groß. Doch ich wage es nicht, denn ich würde es mir nie verzeihen, wenn sie sich beleidigt fühlte. Ich werde der Sache wohl Zeit geben müssen und abwarten, was nun auf uns zukommt. Denn die Schlacht haben wir zwar gewonnen, doch der Krieg ist noch lange nicht vorbei.