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Epilog

~ Nefertirî erzählt

 

Die Jahre nach dem Krieg waren Jahre des Aufbaus. Obwohl er weder viele Leben gelöscht, noch sich über einen längeren Zeitraum hingezogen hatte, hatte er uns unsere Unschuld geraubt. Die, die wir hier in Valinor geboren worden waren, hatten in Frieden aufwachsen sollen. Unsere Augen hätten nie Blut sehen, unsere Hände nie ein Schwert halten sollen. Und doch war es geschehen.

 

Ich hatte meiner Mutter das Unbehagen angesehen, dass sie uns, ihre geliebten Kinder, in diesen Kampf hatte mit hineinziehen müssen. Sie und Vater hatten vermutlich genug Leid für fünf Leben gesehen. Und hier, im heiligen Westen, der für den Frieden und die Glückseligkeit stand, hatten sie vermutlich am allerwenigsten mit weiteren Kämpfen gerechnet. Hier hatten sie gehofft, die Erlösung zu finden, die allen zustand nach so viel Plage und Trauer.

 

Und trotz aller Widrigkeiten, trotz aller Steine auf unserem Weg, waren wir doch schlussendlich dort angekommen, wo wir hatten sein sollen, wo Varda und Manwe uns hatten sehen wollen. Doch es war nicht leicht gewesen.

 

Vermutlich hat meine Mutter am meisten gelitten. Doch auch das ist nun vorbei. Nur ein Jahr, nachdem der Krieg vorbei war, schenkte sie noch einmal einem Kind das Leben. Hatte sie noch befürchtet, dass Silmes Geburt ihren Körper so sehr geschwächt hatte, dass ein erneutes Schwanger werden unmöglich war, wurde sie eines Besseren belehrt. Und zu unser aller Überraschung war die Geburt unseres Bruders Elessar leicht und schnell vorbei.

 

Nach und nach kamen immer mehr Elben von den Klippen zu uns, denn schon bald war das Dorf dort nicht mehr bewohnbar. Das Meer holte sich immer mehr Land zurück und zwang uns dazu, zusammen zu halten. Aber auch das war etwas, was wir mit Leichtigkeit bewältigen konnten. Wir bauten neue Häuser und Straßen, schufen Platz für mehr Felder und lebten bald als ein Volk zusammen. Von nun an nannten wir uns Cyradrim - das erneuerte Volk.

 

Oranor und Merenriel erhielten ein besonders schönes Haus am Rande der Siedlung mit Blick auf die Berge. Nella hingegen zog bei Ithil-dî ein und arbeitete eine Zeit lang als Magd bei ihr, wurde jedoch bald ihre Schwiegertochter, indem sie Thalion heiratete.

 

Auch Tarias kam irgendwann nach Valmar und bewohnte eine kurze Zeit lang eine Kate direkt am Berghang. Man hatte Delos‘ Körper dem Feuer überantwortet und einen Gedenkstein in der Nähe der Hütte errichtet. Scheinbar auch nach seinem Tod schein sich Tarias Delos noch sehr nahe zu fühlen. Doch er überlebte seinen Herrn nicht lange und wir begruben ihn direkt neben Delos‘ Gonrîn.

 

Aber auch wir hatten bald einen großen Verlust zu beklagen, denn Gimli ging neun Jahre, nachdem der Krieg vorbei war, von uns. Er hatte damit ein stolzes Alter von dreihundertvierzehn Jahren erreicht, was zwar nicht so hoch war, wie das seines Vetters Dwalin, doch wesentlich mehr, als das Durchschnittsalter der Zwerge, die normalerweise selten über zweihundertfünfzig wurden. Um ihm die gebührende Ehre zu erweisen, begruben wir ihn in den Pelóri selbst, direkt unter einem großen Stein, und auf den Stein schrieben wir seinen Namen: Gimli Elbenfreund.

 

Der traurigen Nachricht folgte jedoch bald eine erfreuliche. Kurz, nachdem ich fünfzig Jahre alt und somit volljährig geworden war, hielt Sahîrim um meine Hand an und heiratete mich. Unsere Vermählung wurde groß gefeiert und zum ersten Mal, seit dem Tag, an dem Delos aus Valmar verbannt worden war, kamen alle Elben zusammen um zu feiern. So erfüllte sich auch die Prophezeiung meines Großvaters Celeborn, dass ein Kind meiner Mutter ihren Fehler wieder gutmachen würde. Denn es schien, dass durch unsere Hochzeit nun endgültig die Carahrim und die Îfhrim zu einem einzigen Volk verschmolzen waren. So war Sahîrim schlussendlich zum Schlüssel geworden, der den Frieden gebracht hatte. Und das nicht nur, indem er seinem Vater die Stirn bot, sondern auch, indem er mich, die Tochter der Herrin von Avalóna, ehelichte. Er schenkte mir drei Kinder, zunächst die Zwillinge Míriel und Tindómerel, und schließlich noch einen Sohn, den wir Aldaron nannten.

 

Und auch Carim und Mîram heirateten und bekamen Kinder. Ihre Namen waren Aranel und Estel.

 

Als meine Mutter begann älter zu werden und sie ihre Pflichten als Oberhaupt der Cyradrim nicht mehr vollends erfüllen konnte, unterstützte ich sie bald darin. Sie lehrte mich, bescheiden und gütig zu sein, aber trotzdem bestimmend zu handeln. Und als ich soweit war, übergab sie Caeya an mich.

 

Außerdem schenkte sie mir ihr Buch mit der Abschrift ihres Lebens, welches sie bereits in Mittelerde begonnen hatte. Ich las es und halte es noch heute in meinem Besitz. Als sie starb, habe ich es zu Ende geschrieben und wir verwahren es nun in der erneuerten Bibliothek der Stadt, damit jeder es lesen und ihre Geschichte verstehen kann.

 

Ihr Tod kam für uns alle nicht überraschend. Wir wussten seit langem, dass wir Quendi nicht mehr unsterblich waren, und doch war es so, als hätte ihr Ableben ein großes Loch in unsere Gemeinschaft gerissen. Ihr Todestag ist für uns nun ein heiliger Tag, an dem wir viel beten und die Valar um Gnade für ihre geschundene Seele anflehen, dass sie in Mandos‘ Hallen Frieden finden möge.

 

Unser Vater folgte ihr nur wenige Monate später. Sein Herz brach an dem Tag, an dem sie friedlich entschlief, und er war seitdem nicht mehr derselbe. Zwar war er noch immer kräftig und schön anzusehen, doch er war traurig und blass. Es kam mir damals vor, als entschwinde er aus dieser Welt, als würde sich ein Schleier über ihn legen und ihn immer weniger erreichbar für uns, seine Kinder und Kindeskinder, machen. Für ihn war es schließlich eine Erlösung, als er zu Mutter heimkehren konnte.

 

Nun bin ich also das Oberhaupt in Valmar und genau wie meine Mutter vor mir behagt mir diese Position kaum. Viele hatten gehofft, dass ich einen offizielleren Rang einnehmen und endlich eine Krone tragen würde. Doch ich weigerte mich erfolgreich gegen diese Art von Auszeichnung. Caeya ist die einzige Würde, die ich zu tragen gedenke. Und so halte ich es bis heute.

 

Trotz allem führe ich nun die Gebete an, die nach dem Tod meiner Mutter ein bisschen inbrünstiger und zahlreicher geworden sind, weil ich hoffe, sie dadurch stolz machen zu können. Und von Zeit zu Zeit bilde ich mir ein, dass ich hören kann, wie sie durch den Ring zu mir spricht. Dann geht mein Herz auf und ich weiß, dass, solange die Apfelbäume noch blühen, auf Avalóna Frieden herrschen wird.

 

 

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Namensbedeutung:

 

Míriel - Juwelenfrau

Tindómerel - Tochter des Zwielichts

Aldaron - Name von Orome

Aranel - Prinzessin

Estel - Hoffnung

~ ENDE ~

© by LilórienSilme 2015

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