LilórienSilme
~ Fanfiction-Autorin ~
Epilog
~ Bring me that Horizon
Langsam glitt der Bug der Black Pearl durch das türkise Wasser der Karibik. Ihre schwarzen Segel, die ihr auch ihren Namen gegeben hatten, blähten sich erwartungsvoll im Wind, der von Osten kam.
Ostwind war gut, denn er brachte immer eine Veränderung mit sich. Und so, wie Jack es in den letzten Jahren erlebt hatte, war Veränderung eine gute Sache.
Mittlerweile waren schon wieder etwas mehr als drei Jahre vergangen, seitdem sie Captain Henry Miller und seine Flotte in die Flucht geschlagen hatten, und danach hatte sich keine neue Bedrohung am Horizont gezeigt. Trotzdem war er heute Morgen unruhig erwacht.
Die Unsterblichkeit war ihm gut bekommen. Seitdem sein Kompass wieder funktionierte, hatten sie gute Beute machen können und waren bald sehr reich geworden. Ihn selbst reizte ein großer Schatz jedoch nicht mehr so sehr, wie noch zu Beginn seiner Karriere als Pirat der Karibik. Mittlerweile gab es für ihn andere Dinge, die wichtiger waren. Seine Prioritäten hatten sich neu geordnet. Manche waren weggefallen, weil sie nicht mehr in sein Weltbild passten. Dafür waren andere dazu gekommen, die ihn nun mehr definierten als alles, was vorher geschehen war.
„Kannst du nicht mehr schlafen?“ Maria trat von hinten an ihren Captain heran, unter dem sie nun seit dieser so einschneidenden Zeit diente, und ihre Hände legten sich um seine Brust. Sie schmiegte ihre Wange an seinen Rücken und atmete seinen Duft ein. „Willst du nicht wieder ins Bett kommen?“
Doch er schüttelte nur den Kopf. Er konnte nicht wieder nach unten gehen in die Beengtheit ihrer doch eigentlich so großen Kabine. Die vier Wände, die sie beide nun ihr Eigen nannten, hielten ihn nicht mehr. Nicht heute, da ihn diese Unruhe gepackt hatte, die ihn einfach nicht mehr loslassen wollte. Unbeirrt starrte er auf den Flecken Land, der sich mittlerweile dort abzeichnete, wo sich Himmel und Meer trafen. Bald waren sie da, dann würde sich seine Rastlosigkeit hoffentlich endlich legen und er konnte wieder sein neues Leben genießen.
Im Rücken spürte er, wie sich Marias gewölbter Bauch gegen ihn drückte, und es ließ ihn tatsächlich lächeln. Nie hätte er gedacht, dass es einmal so weit kommen würde. Vermutlich hätte er jeden, der ihm das vor vier Jahren prophezeit hätte, für völlig verrückt erklärt. Eigentlich hatte er immer geglaubt, dass es Angelica sein müsste, mit der er eine Familie gründen würde, wenn er denn diesen Schritt wirklich gehen wollte – und danach hatte es bisher nie ausgesehen. Doch die Tochter von Edward „Blackbeard“ Teach hatte auf der Dutchman tatsächlich auch ihr Glück gefunden.
Während er sich Maria angenäherte hatte, hatte sich Angelica Maccus angenähert. Der Zweite Maat von Captain William Turner war jedoch viel schneller davon zu überzeugen gewesen, dass sie füreinander bestimmt waren, als er und Maria es waren.
Ungläubig schüttelte er den Kopf. Noch immer kam ihm dieses Bild, das sie zusammen zeigte, als äußerst falsch vor. Doch wenn er dann in die braunen Augen der Frau sah, mit der er nun seit etwas mehr als einem Jahr erst das Bett teilte, wusste er, dass es richtig war.
Die ersten zwei Jahre auf See waren jedoch die Hölle gewesen. Und er hatte Maria auch nur nicht über Bord geworfen, weil ihn das sein Schiff und sein Leben gekostet hätte, obwohl es ihm mehrmals stark in den Fingern gejuckt hatte. Nur sein klarer Verstand hatte ihn davon abhalten können, es zu tun. Das und natürlich sein treuer Erster Maat.
Joshamee Gibbs war es auch gewesen, der Jack schließlich dazu gebracht hatte, sich der jungen Spanierin ein wenig freundlicher zu zeigen, ihr ein wenig entgegen zu kommen, weil sie immerhin die Ewigkeit miteinander verbringen würden, ob es ihnen gefallen würde oder nicht.
Da hatte er Master Gibbs zweifelsfrei Recht geben müssen, auch wenn sich sein Stolz noch lange dagegen gesträubt hatte, nett zu ihr zu sein. Der Genuss einer großen Menge Rum nach einem Streit, der beinahe damit geendet hatte, dass sie sich gegenseitig eine Kugel in den Kopf gejagt hätten, hatte schließlich sein Übriges dazu getan und die beiden hatten gemerkt, dass es wesentlich angenehmere Wege gab, miteinander klarzukommen, als den, den sie bisher gegangen waren.
Ja, er hatte sich in der Tat verändert. Die Unsterblichkeit hatte sein Leben gründlich auf den Kopf gestellt, denn es war nichts so gekommen, wie er es geplant hatte. Doch er trauerte seinem alten Leben nun nicht mehr nach. Am Anfang hatte er sich oft gefragt, ob es so gut war, sich auf diese Frau einzulassen, die eindeutig einen viel zu positiven Einfluss auf ihn hatte. Doch der Tag, an dem ihm Maria gesagt hatte, dass sie schwanger von ihm war, hatte ihm gezeigt, dass er wirklich nicht mehr der alte Jack Sparrow war.
Auch sein Vater Captain Teague sah ihn nun mit anderen Augen. Und die Aussicht, endlich Großvater zu werden, schien ihn irgendwie um ein paar Jahrzehnte verjüngt zu haben. Das, oder er hatte schließlich doch noch den Weg zur Quelle der Ewigen Jugend gefunden, sie repariert und eine Meerjungfrau dazu gebracht, eine Träne für ihn zu vergießen.
Was Will und Elizabeth anging, so wusste er zu sagen, dass die beiden vor ein paar Monaten ihr zweites Kind bekommen hatten. Dieses Mal war es ein Mädchen geworden, was sie nach Elizabeth‘ Mutter benannt hatten. Mutter und Kinder hatten danach eine schöne Hütte auf der anderen Seite von Tortuga bezogen, wo man der geschätzten Meinung der Eltern nach Kinder viel besser großziehen konnte als auf einem Schiff. Billy jedenfalls gefiel es viel besser, als in der Stadt zu leben. Denn dort konnte er rennen und toben, so viel er wollte. Und wenn ihn die Sehnsucht nach seinem Vater packte, kletterte er bei Sonnenuntergang raus auf die Klippen und beobachtete den Horizont, ob er nicht vielleicht ein grünes Licht aufleuchten sehen konnte.
Der Horizont, auf den Jack nun blickte, ließ ihm aber nur wenig Hoffnung auf eine halbwegs glückliche Zukunft. Im Gegenteil, denn der Schatten, der auf dem Wasser dümpelte und mit jeder Meile immer größer und größer wurde, ließ ihn das Herz in die Hose rutschen. Das konnte unmöglich sein!
Hatte ihm Calypso nicht versprochen, dass der Schatz absolut sicher dort unten sein würde, wo er vor über drei Jahren gesunken war? Doch das, was er jetzt begutachten konnte, strafte die Göttin Lügen.
„Oh nein!“ Maria musste es auch bemerkt haben, denn sie ließ ihn nun los und trat neben ihn, um besser sehen zu können. „Das ist doch nicht das, was ich denke, dass es ist, oder doch?“
Unwillkürlich griff Jack nach ihrer Hand und drückte sie fest. Sie würden nun beide sehr stark sein müssen, für sich und besonders für ihr noch ungeborenes Kind. „Doch, Liebes“, sagte er schweren Herzens. „Ich fürchte, es ist genau das, was du denkst, dass es ist.“
„Dann müssen wir die anderen informieren!“, rief sie aus und wollte schon davon stürmen. Doch Jack hielt sie fest. Er zog sie ganz dicht an sich heran, bis kein Blatt mehr zwischen sie gepasst hätte. Dann drückte er ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Seine freie Hand streichelte über ihren rundlichen Bauch.
„Ich glaube“, sagte er leise und lehnte sein Kinn an ihren Scheitel, „dass wir schon zu spät kommen.“ Dann blickte er noch einmal auf die fremden Schiffe, die sich vor den Florida Keys tummelten und eindeutig das Zeichen des amtierenden spanischen Königs trugen.
„Sie haben den Schatz bereits gehoben.“